Sonntag, 11. Dezember 2022

Eine verdrängte Wahrheit – oder was man sich nicht mehr traut, in der Kirche zu sagen

Eine verdrängte Wahrheit – oder was man sich nicht mehr traut, in der Kirche zu sagen So sprach Gott zu seinem Propheten Jeremias: „Darum bete nicht für dieses Volk, und bringe für sie nicht Lobgesang und flehentliche Bitte vor, und tritt mir nicht entgegen, denn ich will dich nicht erhören.“ Jeremia 7,16. Die Aussage ist klar, zu betonen ist dabei das Mir-nicht-Entgegentreten. Nicht ist dies schon an sich etwas Nichtsichgeziehmendes, denn bei jeder Fürbitte tritt ja diese Bitte erst mal Gott entgegen. Das Gebet: Erbarme Dich!, wäre ja sinnwidrig, wenn der so Betende annähme, daß Gott sich sowieso erbarmen will, auch wenn er nicht darum gebeten werden würde. Ein solches Gebet präsumiert also, daß Gott sich nicht erbarmen will, daß er dann aber dies Gebet erhören kann, um sich dann doch zu erbarmen. So steckt in diesem Gebet auch ein adversatives Moment inne. Nicht deshalb untersagt Gott hier jedes Fürgebet seines Propheten, sondern weil Gott entschieden hat,für dieses Volk keine Gebete, keine flehentliche Bitten mehr zu erhören. Der Grund: Dies Volk hat so sehr gegen Gott gesündigt: „und ich werde euch von meinem Angesichte verwerfen“. (7,15a) Kann und will Gott Gebete erhören? Darauf geben modernistische Theologen gern die Antwort: Nein, denn Gott habe seine Schöpfung in ihre Freiheit entlassen, sie ihrer Eigengesetzlichkeit überlassen. Das ist eine modernistische Version des deistischen Konzeptes, daß Gott die Welt so vollkommen erschaffen habe, daß er nicht nachträglich noch intervenieren bräuchte oder gar Reperaturmaßnahmen ergreifen müßte. Nun wird nicht mehr mit der Perfektibilität der Schöpfung argumentiert sondern mit der Eigengesetzlichkeit der Welt und der Autonomie des Menschen, die Gott zu seinem Nichtmehrintervenieren veranlasse. Überspitzt formuliert: Die Welt ist nur Welt, weil Gott nicht mehr in sie einwirkt.Nur ein sehr seltenes Einwirken wird dann diesem Gotte noch zugebilligt, damit er die Welt nicht zu sehr konfundiere. Deshalb wird auch dazu geraten, auf Fürbittgebete ganz zu verzichten. Das kann dann auch mit einem pragmatischen Argument unterstützt werden. So urteilt der Fundamentaltheologe M. Striet, daß, weil bei Bittgebeten die Wahrscheinlichkeit der Erfahrung der Nichterhörung so groß sei, Gott interveniert eben nur sehr selten, diese Praxis zu einem Problem für den Gläubigen werden würde:Warum erhört er meine Gebete nicht, wenn er doch Gebete erhören kann? Dem Propheten Jeremias gibt Gott nun eine ganz und gar andere Antwort auf die Anfrage, warum denn Gott auch Gebete nicht erhören will: Weil das Volk zu arg gesündigt hat, will er Gebete für dies Volk nicht mehr erhören! Leicht könnte nun eingewandt worden, daß das seit Jesus Christus nun anders geworden sei. Jetzt sei Gott nur noch die Liebe,die kein Gebet unerhört lassen würde. Aber der Gott, den sein Sohn uns verkündigte ist kein anderer als der, der so zu seinem Propheten sprach. Damit wird hier nicht nur diesem Propheten sondern auch uns etwas Bitteres offenbart: Gott kann auch Gebete nicht erhören, weil der Beter oder der, für den gebetet wird, in Gottes Urteil ein zu großer Sünder ist. Daß diese Wahrheit in der Kirche nicht mehr ausgesprochen wird, wird nun niemanden mehr irritieren.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen