Donnerstag, 29. Dezember 2022

Existieren auch theologische Probleme? Oder besaß die Kirche eine Lehre, in der es keine offenen Fragen mehr gab, bevor sie sich modernisierte?

Existieren auch theologische Probleme? Oder besitzt die Kirche eine Lehre, in der es keine offenen Fragen mehr gibt? In manchen conservativen Stellungnahmen zur aktuellen Krise der Kirche klingt es so, als hätte vor dem 2.Vaticanum eine kirchliche Theologie existiert, fundiert in der zeitlos wahren Philosophie Aristoteles und in den Offenbarungswahrheiten, von der dann Theologen und andere Kirchenleute abgefallen seien in einer eigentümlichen Neuerungssucht, vielleicht auch nur, um sich als kreative Denker zu profilieren. Das Ende der Theologie sei aber schon erreicht gewesen, weil es keine offenen Fragen mehr gegeben hätte. Warum dann aber die Philosophiegeschichte nicht mit Aristoteles geendet hatte und warum immer noch Theologie betrieben wurde, nachdem doch Thomas von Aquin alle Fragen hinreichend respondiert hatte, kann dann nicht mehr geklärt werden, soll nicht alles danach nur noch eine einzige Abfallgeschichte gewesen sein. Die modernistisch liberale Version davon könnte dann im Kern dem zustimmen, nur ergänzte die dann, daß sich nun die Zeiten so sehr verändert hätten, daß das einst Wahre und Gute jetzt neuformuliert werden müsse, als ginge es in der Theologiegeschichte zu wie im Wetterbericht: „Jetzt schneit es“ aber ein paar Stunden später ist diese Aussage unwahr geworden. So zeichneten sich theologische Wahrheiten auch durch ihre limitierte Haltbarkeit aus, denn ihre Wahrheit vergeht wie der Morgennebel am Tage. Könnte stattdessen es nicht wirklich theologische Probleme geben, die die Theologie verlebendigen, sie immer weiter vorantreiben im Ringen um rechte Erkenntnisse? Im Epheserbrief steht geschrieben (1,3ff): 3 Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus. / Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel. 4 Denn in ihm hat er uns erwählt vor der Grundlegung der Welt, / damit wir heilig und untadelig leben vor ihm. 5 Er hat uns aus Liebe im Voraus dazu bestimmt, / seine Söhne zu werden durch Jesus Christus Gott hat uns in Jesus Christus vor der Erschaffung der Welt erwählt, wird hier ausgesagt. Jesus Christus ist nun wahrer Gott und wahrer Mensch, eine Person in 2 Naturen, der göttlichen und der menschlichen. In dieser Person hat Gott uns erwählt. Im Glaubensbekenntnis heißt es nun aber: „Et incarnatus est de Spiritu Sancto ex Maria Virgine, Et homo factus est“ Er ist erst Mensch geworden, das war er vor seiner Inkarnation nicht. Der göttliche Logos (Joh 1,1-8), der Sohn Gottes wurde erst durch die Jungfrau Maria ein Mensch, bzw Gott inkarnierte die menschliche Seele in Maria. So gesehen kann nicht von einer Präexistenz Jesu Christi gesprochen werden, sondern nur von der des Sohnes Gottes, der dann 9 Monate vor seiner Geburt ein Mensch wurde. Wie können wir dann aber vor der Erschaffung der Welt in Jesus Christus erwählt worden sein? Kann der präexistente Sohn Gottes schon die Person sein, die wir als die eine Person in den 2 Naturen bekennen? Dann verhielte sich doch das Personsein des Sohnes Gottes zur menschlichen Natur wie wenn ein Mensch sich einen Wintermantel anzieht für seinen Winterspaziergang, den er dann aber auch wieder auszieht, sitzt er wieder in seiner warmen Stube. In grober Anlehnung an Anselm von Canterbury könnte das so dann verstanden werden: Gottes Sohn, der präexistente Jesus Christus nahm eine menschliche Natur an, um am Kreuze leiden und sterben zu können für unsere Sünden, was er in seiner göttlichen Natur nicht kann und danach könnte er sich dieser Natur auch wieder entledigen, da sie für den Sohn Gottes nur die Funktion des Ermöglichungsgrundes zum Leiden- und Sterbenkönnen hatte. Ist also Jesus Christus Jesus Christus auch ohne seine menschliche Natur, wie ich auch ich bin mit und ohne meinen Wintermantel? Oder war der Sohn Gottes vor seiner Inkarnation zwar eine Person, aber nicht schon die Person Jesus Christus? Als Alternative böte sich nun an (evtl lehrte so Origenes), daß Jesu Christi als Seele präexistent war, und so immer schon Jesus Christus war, der dann sich nur noch inkarnierte. Aber dem wird das „homo factus est“ unseres Glaubensbekenntnises nicht ganz gerecht. Oder könnte so interpretiert werden: Die Bestimmung des Sohnes Gottes war von Ewigkeit her die seiner Menschwerdung, sodaß er ob dieser ewigen Bestimmung in seiner Inkarnation nur wurde, was er immer schon war in seiner Präexistenz? Die reformierte Theologie behauptet nun, daß die menschliche Natur Jesu Christi zur Rechten Gottes sitzend nach seiner Himmelfahrt nur an diesem Ort sein könne, wäre sie auch noch als im Abendmahl präsent zu denken, würde das die Natur der menschlichen Natur zerstören, denn sie kann immer nur an einem Orte sein. Deshalb könne Jesus nur nach seiner göttlichen Natur in einer Abendmahlsfeier präsent sein. Trotzdem spricht man hier dann von Jesu Christi Gegenwart in dem Abendmahl. Das evoziert nun den Verdacht, daß nur die göttliche Natur Jesus Christus konstituiere und daß seine menschliche nur eine Ergänzung an ihr wäre, die der Sohn Gottes nur annahm, um am Kreuze leiden und sterben zu können. Es darf angezweifelt werden, ob so diese Vorstellung dem Personsein Jesu Christi gerecht wird. War Jesus als Mensch schon präexistierend immer bei Gott, oder wurde der Sohn Gottes erst zu Jesus Christus durch seine Inkarnation? Ist eine Präexistenz dann ontologisch zu denken als eine Präexistenz seiner menschlichen Seele oder nur als ewige Bestimmung in dem Sohn Gottes, Mensch zu werden? (Eine Präexistenz der menschlichen Seele wäre platonisch denkbar, aber nicht aristotelisch – aber die Theologie ist trotz Thomas von Aquin nicht auf Aristoteles verpflichtet.) Hier stehen wir vor einem gravierendem Problem, wofür es m.W. Immer noch keine ganz befriedigende Lösung gibt, die wirklich auch der Aussage des Epheserbriefes ganz gerecht wird, daß wir von vor der Schöpfung an in Jesus Christus erwählt waren. Auch impliziert diese Aussage ja auch die Aussage, daß wir zumindest als Gottes Idee von uns schon vor der Schaffung der Welt waren, eine für die Anthropologie nicht unwesentliche Erkenntnis! Zusatz Ein eigentümlich materialistisch anmutendes Verständnis der Geschichte der Kirche und der Theologie hat sich in der Theologie selbst entwickelt, daß die Theologie an sich träge wäre, und es so Veränderungen der Theologie und Kirche sich nur ereignen würden, weil der Kontext der Kirche sich verändere, und so die Theologie und damit auch die Kirche immmer wieder neu in die veränderten Kontexte sich einschreiben müsse. Ein materialistisches Basis-Üerbau- Schema schimmert hier durch, daß wesentliche Änderungen in der Kirche durch Veränderungen der soziokulturellen Umwelt der Kirche bedingt sind.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen