Samstag, 15. Oktober 2022

„Die Utopien einer Epoche verursachen die Gemetzel der folgenden“

Die Utopien einer Epoche verursachen die Gemetzel der folgenden“


So urteilt Nicolas Gomez Davila (Es genügt,dass die Schönheit unseren Überdruss streift...Aphorismen 2017, S.77) Die Geschichte gibt diesem Aphorismus recht, wenn an die großen Revolutionen gedacht wird, die doch nur dem Ziele dienen sollten, eine bessere Welt zu errichten, an die französische, die russische und die chinesische. Die Geschichte dieser Utopieverwirklichungsversuche ist eine blutige Geschichte des Terrors. Nicht erst die kommunistischen Revolutionen in Rußland und China, schon die Französische war ein großes Blutbad. Den politischen Conservatismus gibt es ja erst als eine Reaktion auf diese blutschäumende Französische, sodaß seit dem die Gleichung gilt: Bürgerlich sein heißt antirevolutionär zu sein.

Wenn dagegen der Philosoph Habermas und andere von der Moderne als einem noch unvollendeten Projekt sprechen und sich so gegen die Philosophie der Postmoderne wenden, weil diese das Projekt der Moderne als gescheitert und überholt ansieht,dann insistieren sie darauf, daß die Utopiegehalte der Weltverbesserungsrevolutionen bewahrt werden sollen, daß die noch auf eine Realisierung warten. (Vgl dazu recht gehaltvoll: Burghart Schmidt: Postmoderne – Strategien des Vergessens)


Leicht könnte nun theologisch der Vorwurf der Selbsterlösungsversuche in diesen Diskurs eingebracht werden, daß eben all solche Weltbeglückungsversuche zum Scheitern verurteilt sind, weil Gott allein uns Menschen erlösen könne. Die Einsicht in die Sündhaftigkeit des Menschen ließe uns Christen eben erkennen, daß jeder so geartete Optimismus illusionär wäre.


Nur eine christliche Vorstellung will sich in diesen anthropologischen Pessimismus nicht recht einschreiben lassen: der Glaube an den neuen Menschen, der sein altes Adamdasein hinter sich läßt,der sich so zur Heiligung berufen weiß. Pointiert formuliert: Verkündete Jesus Christus wirklich, daß der Mensch von seiner (gefallenen) Natur her böse und zum Guten unfähig darauf warten solle, daß Gott am Ende die ganze Welt erlösen wolle und da so den neuen Menschen erschaffen wird, aber der Christ jetzt nur eine Aufgabe hätte, die auf das Ende zu warten und bis dahin alles so zu belassen wie es nun mal ist. Denn jeder Versuch einer Verbesserung müsse ja notwendigerweise nur zu noch Schlimmeren führen.


Einen brachialen Antiutopismus vertritt so M.S Gmehling in ihrem Kurzessay: „Der bösen Macht auf der Spur“ (Theologisches Sep/Okt 2022, Sp.375-378). Der Transhumanismus ist eben einfach eine reine Manifestation des Bösen, weil hier der Mensch verbessert werden soll! Besonders abscheulich findet diese Autoren die Vorstellung der Cyborgisierung des Menschen, daß er zu „einem Mischwesen aus Mensch und Maschine“ (Sp 375) gemacht werden soll. Gesetz den Fall, es wäre möglich, einem Blinden ein künstliches Sehimplantat einzusetzen, sodaß er wieder sehen kann, dann wäre das für diese Autorin ein Triumph des Bösen, denn der Mensch dürfe sich so nicht selbst optimieren. (Boshaft überspitzt formuliert: besser blind als daß ein blinder Mann geheilt, sich dann pornographische Filme anschaut.) Jeder Optimierungsversch wäre ja doch nur ein weiterer Versuch, Frankensteins Monster nachzuäffen. Damit würde,nähme man diesen Essay ernst, im Prinzip fast jeder medizintechnische Fortschritt verteufelt: Wird denn nicht durch jedes künstliche Herz oder auch nur durch einen implantierten Herzschrittmacher ein Mensch cyborgisiert, weil nun ein technisches Artefakt ihm an Leben erhält? Schon im Mikrokosmos der Medizin müßte so jeder Fortschritt mit Argusaugen beäugelt werden,damit da ja nicht ein Versuch der Optimierung des Menschen stattfindet, weil eben jeder Verbesserungsversuch nur eine Verschlimmbesserung bewirken könne. Einen gesellschaftlich kulturellen Fortschritt im Makrokosmos könne und dürfe es so auch nicht geben, ja er dürfte nicht einmal erstrebt werden.

Also hätte man der Demokratiebewegung in der DDR zurufen müssen: Durch eine Revolution, auch eine friedliche werdet ihr eure Lage nur verschlechtern können, weil ihr sie zu verbessern versucht – lasset alles, wie es ist, sonst wird es euch nur noch schlechter ergehen! Daß heute mancher Ostdeutsche so denkt, spricht aber nicht gegen diese friedliche nationale Revolution, sondern nur dagegen, wie Ostdeutschland dann verwestlicht worden ist.


Vielleicht macht es sich eine conservativ ausgerichtete Theologie doch zu einfach, wenn sie hier Davila vorbehaltlos zustimmt. Die Hoffnung auf den neuen Menschen, der den „Alten Adam“ hinter sich läßt, ist nun mal eine genuin christliche Hoffnung, ohne die es das Projekt der Moderne gar nicht hätte geben können. 

 

Zusatz:

Auch das Scheitern von Revolutionen ist erst mal ein kontingentes Geschehen, auch wenn gute Gründe für die Wahrscheinlichkeit   des Scheiterns jeder Revolution sprechen. 

 

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