Mittwoch, 19. Oktober 2022

Wenn der Weg zu Gott doch so einfach wäre! Oder wie eine Neuevangelisation wohl nicht klappen dürfte: über die Sinnfrage!

Wenn der Weg zu Gott doch so einfach wäre! Oder wie eine Neuevangelisation wohl nicht klappen dürfte: über die Sinnfrage!


Unser Leben trägt seinen Sinn nicht von selber in sich selbst, sondern empfängt ihn von woanders her. Es muss ein Ziel geben, das unserem Leben Sinn, Wert und Bedeutung verleiht. Es muss etwas geben, wofür zu leben sich lohnt. Ob es das wirklich gibt, haben wir nicht in der Hand. Wir müssen es herausfinden.“

So schreibt es Pater Recktenwald: „Wir suchen am falschen Ort“, in Das Portal zur katholischen Geisteswelt 17.10.2022. Spontan möchte man dem gern zustimmen, zumal man als kirchlich Sozialisierter schon weiß, wie dies Herausfinden enden wird, nämlich in dem Fund, daß Gott uns liebt und daß dies uns dazu aufruft, auch zu lieben, Gott, sich selbst und die Mitmenschen. Der Sinn des Lebens sei eben das Geliebtwerden und das Lieben. Aber trotzdem meldet sich da ein Unbehagen. Wie erklärt sich damit das Faktum, daß so viele an keinen Gott Glaubenden ihr Leben als nicht sinnlos empfinden? Sollte da ein Gottgläubiger einfach urteilen, daß denen ihr Leben sinnlos sein muß, daß sie das aber einfach nur verkennen?

2 Möglichkeiten kennt dieser Pater nur, entweder sei das Leben an sich sinnvoll oder dem Leben müsse von woanders her der Sinn gegeben werden. Mit welchem Recht wird hier die Möglichkeit ausgeschlossen, daß das Leben sich selbst einen Sinn geben kann? Zudem wird präsumiert, daß es einen Sinn für das ganze Leben geben müsse. Dies müßte den liberalen Einwand evozieren, daß doch jeder Mensch für sich seinem Leben einen Sinn geben könne. Eine Gesellschaft wäre dann eine gute, wenn sie jedem die Freiheit zubillige, für sich selbst autonom so einen Sinn seinem Leben zu geben. Ein Sinn für alle wäre doch dagegen etwas Totalitäres, die Freiheit Negierendes. Wird begonnen, so zu fragen, löst sich die scheinbare Plausibilität dieses Gedankenganges auf, der dann auch nicht mehr in dem Gott, der uns alle liebt, so schön harmonisch enden kann. Die Kreativität des Menschen, selbst seinem Leben und dem Ganzen einen Sinn zu verleihen, wird eben eskamotiert, um Gott dann einführen zu können als dem einzig wahren Sinngeber.


In Anlehnung an J.Derridas Betrachtung zur Freundschaft (Politik der Freundschaft) könnte auch erwidert werden, daß wie in der Freundschaft nicht das Geliebtwerden sondern das aktive Lieben das Wesentliche sei. Trivial ausgedrückt: Solange ein Mensch was auch immer liebt, wird ihm durch diese Lieben sein Leben erfüllt. Die in der Literatur des 19. Jahrhundertes so oft skizzierte Langeweile als das Problem des Lebens zeigt ja überzeugend, daß erst durch das Unvermögen, sich für etwas zu interessieren, diese Stimmung aufkommt. Die Liebe könnte dann einfach als ein emotional gesteigertes Interesse an ...gedeutet werden. Ob man nun, um die Intention des Paters noch zu retten, sagen können, daß es objektiv Liebenswürdiges und so zu Liebendes existiert und daß so nur die zu lieben sind. Damit kämen wir beim hl. Augustin an, der so diese Unterscheidung traf: Nur Gott sei zu genießen (zu lieben),alles andere sei nur zu gebrauchen und zwar so, daß dadurch die Liebe zu Gott nicht gemindert oder gar verdrängt würde. Aber auch dieser Gedanke provoziert eine Antithese: Wird nicht das, oder der, den wir lieben durch diese Liebe erst zu dem Guten, das wir lieben? Dem Verliebten ist seine Geliebte die Schönste und einzig Begehrenswerte, nur gilt das dann auch für jede andere Frau, die von einem Mann geliebt wird.

Im postmodernen Denken heimisch ist dann gar die Vorstellung, daß das Leben der Ermöglichungsgrund für verschiedene Sinnentwürfe wäre.Dem Ernst des Sartreschen Selbstentwurfes, jeder entwirft sich selbst und hat sich so zu fixieren stünde so die Beliebigkeit immer neu zu konzipierender Sinnentwürfe entgegen. Gestern liebte ich das und morgen dies, solange ic nur irgendetwas liebe, ist mein Leben erfüllt.

Das Leben müsse ein Ziel haben, das klingt gut, aber die Plausibilität dieser Aussage löst sich sofort auf, wenn angefragt wird, warum nicht im Leben diverse Ziele angestrebt werden könnten, daß nach dem Verwirklichen eines Zieles nicht ein neues erkoren werden könne. Warum Menschen sich nun nicht selbst für ihr Einzelleben Ziele erwählen können, bleibt in diesem Gedankengang auch unerörtert nur deshalb, weil der Gedankengang so schnell wie möglich in Gottes Liebe seinen Abschluß finden soll. Deshalb werden dann auch alle anderen Wege weggelassen, damit Gottes Liebe allein als Sinngeber übrigbleibt. Nur dies „allein“ ist ein so ermogeltes, das die vielen anderen Möglichkeiten für ein sinnvolles Leben nicht wahrnehmen will, zumindest für ein subjektiv so empfundenes. Die Deklaration, daß aber nur ein Leben in Gottes Liebe objektiv ein sinnvolles Leben sei, wird nur Gottgläubige überzeugen können. 

 

Zusatz:

So einsichtig der Weg auch ist, erst dem Menschen einen Mangel nachzuweisen, an dem er leiden würde, solange er nicht an sein Geliebtwerden von Gott glaube, um dann Gott als den Problemlöser zu präsentieren, so wenig erfolgreich erweist er sich in der Praxis, da dieser Mangel nicht subjektiv erlitten wird, sondern nur als ein zu erleidender behauptet wird. 

 

 

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