Wer den Kampf um Rom aus einer Vogelperspektive betrachtete, dem würde sich er Eindruck aufdrängen, daß bisher nur in Nebengebieten angegriffen und gekämpft würde, daß eben die Sexualmorallehre liberalisiert und den innerkirchlichen Gremien mehr Macht zukommen solle. Das Zentrum der christlichen Religion, der dreifaltige Gott, daß er sich uns offenbart hat und daß seine Offenbarung kraft des Heiligen Geistes in der Lehre der Kirche präsent ist, blieb davon untangiert. Großzügig interpretiert verlangten die modernistischen Reformer doch nur, daß die Morallehre der Kirche daraufhin überprüft würde, ob sie sich so wirklich eindeutig aus der Offenbarung Gottes ergäbe, ob ihre Deduktionen zwingend sind.
In vorkonziliaren Zeiten wären die Glaubensaussagen, die direkt offenbart worden sind, von den aus ihr deduzierten unterschieden worden und eingeräumt, daß je weiter entfernt eine Glaubensaussage von den offenbarten Wahrheiten ist, desto weniger gewiß seien sie. Der Ursprung der Theologie, der Erkenntnis von Gott ist ja Gottes Selbsterkenntnis, sein Wissen von sich, an dem Gott selbst durch seine Selbstmitteilungen uns Menschen Anteil gibt vermittels der Kirche. So existiert in der Kirche ein objektives Wissen von Gott, denn Gott ist sich selbst Objekt seines Erkennens.
Was sagt nun Kardinal Marx zu diesem Fundament der Katholischen Kirche?
„Eine der Ursachen der Krise der katholischen Kirche liegt nach Ansicht des Erzbischofs von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx, in ihrer Dogmatik. "Die Krise der Kirche ist vielleicht deshalb auch eine Krise einer Institution, die behauptet hat und behauptet, ziemlich viel von Gott zu wissen und seinen Willen autoritativ allen Menschen übermitteln zu können", schreibt Marx in der in Freiburg erscheinenden "Herder-Korrespondenz" (Spezial-Ausgabe Oktober 2022).“
So steht es auf Kath de am 12.10.2022 geschrieben: „Kardinal: Marx plädiert für weniger dogmatische Kirche.“ Die Kirche behaupte also, viel von Gott zu wissen. In dem „behauptet“ manifestiert sich des Kardinals Kirchenkritik. Diese Institution beanspruche damit etwas, was ihr nicht zukäme. Das „ziemlich viel“ fungiert dabei als Polemik gegen die Lehre der Kirche, daß Gott selbst das zum Heile Notwendige der Kirche offenbart hat, damit sie es weitervermittele an die Welt. In der Kirche ist somit das heilsnotwendige Wissen von Gott und seinem Willen uns gegenüber und was wir zu unserem Heile zu tuen und zu lassen haben, präsent, damit das Offenbarte der Welt verkündigt werden kann. Die Autorität der Kirche resultiert so daraus, daß sie nur die ihr offenbarten Wahrheiten lehrt.
Dies Fundament der Kirche will nun dieser Kardinal destruieren. Wo die Kirche die Wahrheit lehrt, da maße sie sich nur ein Wissen an, daß sie nicht habe. Das setzt nun voraus, daß entweder gar keine Offenbarung Gottes geschehen sei oder daß die Offenbarung so unklar gewesen sei, daß es nicht sicher sei, ob die Lehre der Kirche wirklich mit der Offenbarung Gottes übereinstimme oder in ihr fundiert sei. Simpler formuliert: Die Kirche verfügt nur über menschliche Meinungen über Gott und weiß so nichts Gewisses, aber sie maßt sich an, ihre Meinungen als Wahrheiten zu proklamieren, denen Glauben zu schenken sei.
„Jesus habe offensichtlich auch keine Doktrin verkündet, sondern durch Beispiele und Gleichnisse vom Reich Gottes verdeutlicht, was die Gegenwart Gottes bedeute.“
Daß die Evangelien stattdessen regelmäßig von der Lehre, die Jesus selbst lehrte, berichten, überliest dieser „Theologe“ geflissentlich, er frägt auch nicht, was denn der Lehrer Jesus tat, wenn er nicht gelehrt hätte und doch ein Lehrer war. Das Amt des Lehrers paßt eben nicht in das Jesusbild liberaler Theologie und wird so eskamotiert: Jesus wäre ein Lehrer gewesen,der nicht lehrte. Deshalb und das ist der Zweck der Behauptung, Jesus habe nichts gelehrt ist, daß so auch die Kirche nicht lehren kann.
Manche Evangelisierungskonzepte kämen dem Kardinal so vor, „als fungiere die Kirche als bloßer Sender von Wahrheiten, denen die Empfängerseite zuzustimmen habe.“ Nein, es gibt keine Erkenntnisse, keine Wahrheiten, die die Kirche zu lehren habe. Es gäbe nur Gotteserfahrungen, die dieser Jesus gemacht habe und die uns die Bedeutung von Gottes Gegenwart verdeutlichen können. Die Abneigung Erkenntnissen gegenüber gehört zum heutigen Repertoire des Antiintellektualismus. So übersetzt die „Einheitsübersetzung“ ja auch „die Erkenntnis des Heiles“ Lk 1,77 mit: „der Erfahrung des Heiles“. Erfahrungen sind eben etwas Subjektivistisches und ermöglichen so die Rede von einem Gott, den jeder anders erfährt und der in jeder Religion eben als je anders erfahrener präsent sei.
Aber damit ist wohl die Lehre der Kirche noch nicht hinreichend destruiert.Kardinal Marx fügt hinzu: „Gott bleibe jedoch das absolute Geheimnis, jede Aussage über ihn könne nur eine Annäherung an die Wahrheit sein“. Wenn Gott wirklich „das absolute Geheimnis“ bliebe, dann wäre es unmöglich, eine Aussage über Gott als ihm nahekommend zu qualifizieren, denn dieses Urteil präsumiert das Vermögen, zwischen dem,was über Gott ausgesagt wird und dem, wie er wirklich objektiv ist, das ist, wie er sich selbst weiß,zu unterscheiden und eine Ähnlichkeit zwischen der Aussage über Gott mit dem, wie Gott objektiv ist, festzustellen. Das wäre aber nur dem Gott objektiv Erkennenden möglich. Den kann es aber nach dieser Behauptung gar nicht geben, denn Gott bleibt trotz der Gotteserfahrungen Jesu ein absolutes Geheimnis. Gott hat sich also nicht offenbart, Jesus Christus hat uns nicht den Vater und seinen Willen bekannt gemacht. Wir leben eben nur in einer Welt, in der rein subjektivistische Gotteserfahrungen existieren, die man getrost alle als irgendwie ein bißchen wahr ansehen kann.
Nur einen dogmatischen Lehrsatz gibt es noch und der stammt vom größten Kirchenlehrer des 20.Jahrhundertes, von Willy Millowitsch: Wenn wir auch alle kleine Sünderlein sind,so kommen wir doch alle in den Himmel hinein!
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