Mittwoch, 5. Oktober 2022

Ist Jesus für die zeitgenössische Theologie ein "Rigorist"?

Ist Jesus für die zeitgenössische Theologie ein „Rigorist“?


So offenherzig würde das keiner sagen, aber im Geheimen stimmt man doch dem zu. Offenkundig wird das ja in Jesu Ehelehre. Moses hatte in seiner ihm eigenen Menschenfreundlichkeit ja unter bestimmten Conditionen eine Scheidung der Ehe erlaubt. Zu Jesu Lebzeiten widerstitten sich nun liberalere und engherzigere Auslegungen der Frage, unter welchen Bedingungen den eine Ehescheidung erlaubbar sei.

Wie positionierte sich nun Jesus als Geetzeslehrer in dieser Kontroversfrage? Eindeutig: Mose habe aus Rücksicht auf die menschliche Schwäche in Ausnahmen das Ausstellen eines Scheidebriefes erlaubt, aber damit ist es nun vorbei: Eine gültig geschlossene Ehe ist unscheidbar! Wer also eine aus einer Ehe entlassene Frau ehelicht, begeht einen Ehebruch, weil die Ehe dieser Frau weiterhin gültig besteht. Warum lehrt Jesus hier so rigoristisch der liberalen Tendenz Mose ganz entgegengesetzt?

Protestantische Bibelforscher kaprizieren sich sogleich auf diese Aussage Jeu: „Ich sage euch: Wer seine Frau entläßt, obwohl kein Fall von Unzucht vorliegt,und eine andere heiratet, der begeht Ehebruch.“ (Mt19,9) Der Fall der Unzucht wird nun als eine vom Evangelisten eingeschobene Ausnahme interpretiert. Schon diesem Evangelisten kam Jesu Ehelehre zu rigoristisch und nicht lebbar vor, sodaß er Ausnahmen von dem strikten Scheidungsverbot hier ins Auge faßte. Luther erkannte dann noch darüber hinausgehend, daß die Ehe kein Sakrament sondern ein weltlich Ding sei,das eben auch von uns Menschen umgestaltet werden könne. Jetzt können Evangelische so oft heiraten und sich scheiden lassen, wie es ihnen beliebt. Somit ist man faktisch bei einer ultraliberalen Auslegung der Ehescheidungserlaubnis des Mose angekommen, die eventuell sogar in dieser Liberalität von Gesetzeslehren zu Zeiten Jesu vertreten wurde. Jesu Rigorismus war eben ein Fehler, den dann die Kirche, mit Matthäus anhebend wieder revidiert hat.

Als sozialgeschichtliche Auslegungen von Bibeltexten en vogue war, meinten einige, daß die liberale Handhabung des Rechtes der Scheidung zu Lasten der Frau ging,denn wer versorgte sie, wenn ihr Mann sie aus der Ehe entlassen hatte, sodaß Jesus zum Schutze der Ehefrauen dies Scheidungsverbot aussprach. Jetzt bräuchte es diesen Schutz nicht mehr, sodaß jetzt auch gerade den Ehefrauen das Recht zuzubilligen sei, sich scheiden lassen zu dürfen.

Nur, was macht nun die katholische Theologie mit diesem jesuanischen Rigorismus? Liberal Gesonnene möchten auch gerne zurück zum menschenfreundlicheren Moses- aber wie? Nun bahnt sich eine „Lösung“ an: Man räumt zwar ein, daß Männer oder Frauen, die einen Geschiedenen heiraten, einen Ehebruch begehen, aber man plädiert dafür, ein Verständnis für diese eigentlich unerlaubten Ehen zu haben und so Verheirtete in keinster Weise irgendwie zu sanktionieren. Sie dürfen so alle Sakramentea fernerhin empfangen und in arbeitsrechtlicher Hinsicht dürfen sie nicht diskriminiert werden. Wenn also ein Religionslehrer, geschieden,sich wieder verheiratet, darf ihm nicht gekündigt werden, auch nicht, wenn er dann einen homosexuellen Mann ehelichte.

Was bleibt so übrig von Jesu und der kirchlichen Ehelehre? Nichts außer etwas auf vergilbten Papieren Geschriebenes! Ja, wenn nun gar schon über die Möglichkeit von Segnungsfeiern von Geschieden-Widerverheirateten nachgedacht wird, ist der Tag wohl nicht mehr fern, an dem Geschiedene kirchlich neu heiraten dürfen, so oft es ihnen gefällt. Irgendwie hatte da Jesus wohl einen schlechten Tag- hätte er es doch nur bei Mose Scheidungserlaubnis belassen. Liberale evangelischer und katholischer Provenienz stimmen halt nicht nur in diesem Punkte überein: Jesus ist einfach nicht mehr zeit(geist)gemäß! 

Corollarium

Das ursprüngliche kirchliche Verständnis der (notwendigen) Reform der Kirche, wenn sie sich zu weit von ihrem normativen Ursprung entfernt hat und damit insbesondere von Jesus Christus wird heutzutage völlig verdrängt von dem Reformverständnis des Fortschrittsglaubens, daß die Kirche immer auf der Höhe der Zeit sich zu befinden habe. 

 

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