Die „Wunschmedizin“- ein neues Feindbild
Wir leben jetzt in einer Zeit der Feindbilder, nicht mehr wird das „hohe Lied“ des Dialoges, der Inklusion und des Verständnishabensollen für alles angestimmt, sondern die Polemik bestimmt die Diskurse. Die Differenz der Ordnung von Diskursen und der der Dialoge- in Anlehnung an M. Foucault: Die Diskursordnung bestimmt, wer wie worüber sprechen darf als legitimer Teilnehmer und wer wie auszugrenzen ist. So ist im geschichtswissenschaftlichen Diskurs es zu einer Selbstverständlichkeit geworden, alle als „revisionistisch“ Stigmatisierten auszuschließen: Mit solchen redet man nicht! Das Ideal der Ordnung des Dialoges ist das Bemühen, sich wechselseitig zu verstehen. Dabei wird präsumiert, daß viele Konflikte ihren Ursprung im Nichtverstehen des Anderen habe. Jetzt,in der Epoche der Diskursordnung wird das Verstehen Putins etwa zu einer moralischen Fehlleistung deklariert: Einen Feind darf man nicht verstehen wollen, er muß bekämpft werden.
Die „Tagespost“ und nicht nur sie hat nun neben dem „Lieblingsfeind“: Putin und die Russisch-Orthodoxe-Kirche den Transhumanismus als neuen Feind entdeckt. Am 20.10. 2022 liest sich das in einer Polemik gegen den Transhumanismus so:
„Lassen sich Medizin und Fortschritt noch einmal neu denken? Sie können und müssen sogar neu gedacht werden. Jedenfalls dann, wenn der Mensch vermeiden will, sich irreparablen Schaden zuzufügen und der wachsenden Gefahr entkommen will, seine Gattung abzuschaffen. Auf diese so knappe wie nachdrückliche Formel lassen sich die Ergebnisse bringen, die die „3. Salzburger Bioethik-Dialoge“ am vergangenen Wochenende zutage förderten.“
Irritieren könnte nun die polemische Überschrift: Transhumanismus: Medizin wird zur „Wunschmedizin“- denn seit wann sind den Wünsche etwas Verwerfliches? In Kriegszeiten wie den jetzigen, in denen täglich die Bürger zum Gürtelengerschnallen, zum Verzichten, zum Frieren für den ukrainischen Endsieg gegen Rußland aufgefordert werden. Wer verzichten soll, hat auf seine Wünsche zu verzichten.
In dem Tagesposttext ist nun auf der sachlichen Ebene das Wesentliche, was nicht geschrieben und so verdrängt wird. Der postlapsarische Mensch ist nicht mehr so wie er von Gott erschaffen und gewollt war. Seine Natur ist eine durch den Sündenfall depravierte. So gehört das Sterbenmüssen, noch das Äler-und Gebrechlichwerden und sein Leiden an Krankheiten zu seiner Natur, sondern sind strenggenommen widernatürliche Phänomene. Die Naturwissenschaften können nur Aussagen über den gefallenen Menschen machen, verfehlen so ihn aber auch immer notwendigerweise.
Seit dem nun der Mensch an den Folgen seines Falles leidet, hat er auch versucht, diese zu reduzieren, etwa durch die Medizinwissenschaft. Seine Neigung zum Bösen versucht er durch Moral und durch Institutionen wie den Staat einzugrenzen. Kein Christ wird diese Versuche nun als Selbsterlösungskonzepte verurteilen oder hier Spuren von Nietzsches „Übermensch“ wahrnehmen. Der Mensch ist eben nicht mehr so wie er ist, er ist von sich selbst entfremdet, physisch und psychisch und darum verheißt die christliche Religion die Erlösung von diesem gefallenen Menschsein. Die Medizintechnik, die unter dem Namen des „Transhumanismus“ meint, den Menschen überwinden zu wollen, versucht stattdessen, die Schäden des Falles zu reduzieren, indem energischer als bisher die biologischen Probleme angegangen werden: sein Leiden an Krankheiten, seine Gebrechlichkeit. Da die Medizin nicht durch Wunder Menschen heilen kann, setzt sie auf die Technik, daß etwa ein Blinder durch die Implantation von technischen Sehapparaten ein Sehender wird und Beinamputierte durch Kunstbeine Laufende.
Statt aber dies Bemühen zu würdigen, ergießt sich nicht nur dieser Artikel in wüster Polemik, malt Horrorszenarien dem Leser vor Augen, unfähig zu einer sachlich-argumentativen Auseinandersetzung, aber so was ist in Kriegszeiten auch nicht nötig, denn man bekämpft ja nur noch seine Feinde, ohne sie zu verstehen.
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