Dienstag, 18. Oktober 2022

Ist die Kopftuchpflicht eine religiöse Praxis des Islam?

Ist die Kopftuchpflicht eine religiöse Praxis des Islam?


Die Antwort fällt leicht: Natürlich, Frauen zeigen durch ihr Kopftuch: Eine praktizierende Muslima bin ich. Nicht jede Frau, die ein Kreuz als Anhänger trägt, wird für eine Christin gehalten, manche tragen das Kreuz auch nur als Modeschmuck, aber das getragene Kopftuch, das gilt als eindeutiges Bekenntnis zum Islam. Wenn es also zur Pflicht einer Frau gehört, ihre Zustimmung zur islamischen Religion durch das Tragen eines Kopftuches öffentlich zu zeigen, warum gibt es dann eine solche Pflicht nicht auch für den Mann? Der könnte doch auch durch ein bestimmtes Kleidungsstück seine Religion öffentlich bekennen. Darüber hinaus: Die von Frauen getragenen Kopftücher sind keinesfalls für sich genommen ein klar religiöses Symbol wie etwa ein Kreuz, gar eines mit einem Corpus. Nichts an dem Kopftuch verweist irgendwie auf die islamische Religion. Das islamische Kopftuch wird eben nicht etwa durch ein angebrachtes Zitat aus dem Koran eindeutig islamisch qualifiziert. Zudem: Warum tragen schon Mädchen ungefähr ab ihrer Geschlechtsreife solche „Bekenntnistücher“ und nicht schon viel früher oder erst wenn sie als mündig gelten, selbst ihre Religion bestimmen zu können?


Im Koran steht zu dieser Causa nur, daß Frauen „ihre Reize nicht zur Schau stellen sollen“ (Sure 24,31), Ein expliziertes Kopftuchtragegebot ist das wahrlich nicht und doch bringt uns diese Aussage auf die richtige Spur! In welchen Vorstellungsraum gehört denn die Vorstellung von der Frau, die ihre Reize zur Schau stellt? Es ist eine leicht polemische Verzeichnung des traditionellen Rollenverhaltens der unverheirateten Frau, daß sie sich schön macht, um Männern zu gefallen, damit dann ihr Herz den „Richtigen fürs Leben“ erwählt und daß die Männer, angezogen von der Schönheit ihr den Hof machen, um sie werben, um erhört zu werden.Die Ehe ist hier als Liebesehe vorausgesetzt, romantisch formuliert, wo der Held seine Prinzessin ehelicht, die schönste Frau des ganzen Landes.


Dies Ehekonzept steht nun in einem Widerstreit zu dem, daß die Eltern für ihre Kinder Ehen stiften. Sie wissen ja viel besser als die Kinder, was für sie das Beste ist.Damit ist geradezu der klassische Konflikt vorprogrammiert, daß der Vater seiner Tochter offenbart, den habe sie zu ehelichen und als Tochter habe sie nun zu gehorchen, aber die Tochter ausruft: Den niemals, denn ich liebe einen anderen. Aus diesem Konflikt konnten dramatische Liebesromane gestaltet werden bis sich das Konzept der Liebesehe in der westlichen durchsetzte.


Im islamisch geprägten Ländern verhielt sich dies nicht so. Junge Frauen, für die die Eltern den „Mann für das Leben“ aussuchten, sollten davon abgehalten werden, sich schön zu machen, sodaß aus elterlicher Sicht die Gefahr bestand, daß sich ein Mann in ihre Tochter verliebte und die sich dann in ihn. Wie sollten dann die Eltern noch ihre gestiftete Ehe durchsetzen? Also sobald die Mädchen anfangen, für Männer attraktiv zu werden, sollen die so sich kleiden, daß sie ihre Attraktivität vor den Männeraugen verbergen sollen. Das Haar ist dabei das Schmuckstück einer Frau, darum pflegt es auch jede junge Frau. Eine junge Frau, die ihre „Reize“ nicht zur Schau stellt, ist eine, die sich so unattraktiv kleidet, daß sie kein Wohlgefallen in Männeraugen findet. Denn die Männer sollen ja die vorgesehenen Frauen ehelichen und nicht die, in die sie sich verliebten ob ihrer Schönheit. Die Kopftuchpflicht dient also der Durchsetzung der von den Eltern gestifteten Ehe, die durch das Konzept der Liebesehe gefährdet ist. Die verheiratete Frau darf nun ihre Schönheit nur dem Ehemann zeigen, sie muß sie aber vor allen anderen Männern verbergen, damit die gestiftete Ehe nicht durch Männer,die sich in die so verheiratete Frau verlieben könnten, gefährdet würde, zeigte sie nun ihre Schönheit. Da eine gestiftete Ehe nicht eine der Liebe ist, ist sie ja gerade auch durch die Möglichkeit der Liebe gefährdet, wenn etwa nun die verheiratete Frau íhre Schönheit nicht nur ihrem Manne zeigen dürfte.


Die von den Eltern für ihre Kinder gestiftete Ehe gehört nun nicht konstitutiv zur islamischen Religion. Aber wenn diese Form der Ehe die in einem Kulturkreis vorherrschende sein soll und nicht das Konzept der Liebesehe, dann ist die Kopftuchpficht konsequent. Dann ist es auch klar, warum es für Männer keine vergleichbare Kleidungspflicht gibt, denn die Frau ist es, die sich durch ihr Kleiden attraktiv macht, wohingegen der Mann traditionell mehr durch seine „Stärke“ Frauen für sich gewinnt als durch sein Schönaussehen. Abfällig gemeint ist ja die Äußerung, wenn ein Mann ein Schönling genannt wird.


Im islamischen Kulturkreis hat sich so das paternalistische Konzept der gestifteten Ehe mit der islamischen Religion synthetisiert, wohingegen im Westen sich das Konzept der Liebesehe durchgesetzt hat. Weiter zu fragen wäre aber, ob der christlichen Religion eine Tendenz zum Konzept der Liebesehe innewohnt, und der islamischen eine Tendenz zum Paternalismus, also zur gestifteten Ehe. 

 

Zusatz:

Wenn jetzt feministische Grünenpoliker Sanktionen gegen den Iran verlangen ob der dortigen Kopftuchtragepflicht, dann geht es primär darum, daß aus der Sicht der USA neben Rußland und China der Iran ein "Schurkenstaat" ist, gegen den man jetzt einen Wirtschaftskrieg führen will. Die Grünen, ganz transatlantisch gestimmt, wollen nun auch diesen Wirtschaftskrieg mitmachen, denn es soll am Ende nur eine Weltmacht geben, die USA. 

 

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