Mittwoch, 1. Februar 2023
Gott und Gewalt- können die Religionen durch Gott als Gewalttätigen diskreditiert werden?
Gott und Gewalt- können die Religionen durch Gott als Gewalttätigen diskreditiert werden?
Slavoj Zizek erinnert in seiner kritisch-polemischen Auseinandersetzung mit der Regierungspolitik Israels („Der neue Klassenkampf“, 2020) daran, wie Israel das ihm von Gott zugewiesene Land eroberte: „Doch selbst wenn wir die Behauptung, dass das Land Israel, dem jüdischen Volk von Gott gegeben wurde, ernst nehmen, stellt sich die Frage: Wie?“ (S.22)
Resümierend wird festgestellt: „Das Alte Testament beschreibt dies mit gewaltsamen ethnischen Säuberungen.“ (S.22) Und Zizek belegt diese These nicht widerlegbar, indem er zitiert:5 Mose 20,16: „Aus den Städten dieser Völker jedoch, die der Herr,dein Gott,dir als Erbbesitz gibt, darfst du nichts, was Atem hat, am Leben lassen.“ Aus dem Buch Josua wird zitiert: (,6,21)Mit scharfem Schwert weihten sie alles,was in der Stadt war,dem Untergang, Männer und Frauen,Kinder und Greise,Rinder,Schafe und Esel.“
Nun irritiert uns dieser außergewöhnliche Denker aber: Statt des zu erwartenden Angriffs auf die jüdische und dann auch christliche Religion schreibt er: „Sollten wir das Judentum dafür verurteilen? Nein, natürlich nicht. Ähnliche Passagen finden sich in allen klassischen Religionstexten,den buddhistischen eingeschlossen.“ (S.23) Dabei hätte es doch für einen marxistischen Philosophen nahe gelegen, dies als ein weiteres Argument gegen jede Religion aufzuführen. Aber da er als Marxist auch ein Apologet der revolutionären Gewalt ist, verzichtet er hier auf diese Religionskritik.
Stattdessen schreibt er: Es müsse „die direkte Verwendung dieser Passagen als Legitimierung für die heutige Politik scharf zurückgewiesen“ werden. (S.23)
Der politische Diskurs dürfe also solche religiösen Traditionen nicht als Begründungen einer politischen Praxis heranziehen. Sie dürfen als religiöse Vorstellungen aber auch nicht einfach ignoriert werden: „sie seien für das besagte religiöse Konstrukt ohnehin nicht wesentlich,sondern eher zweitrangige,durch besondere Umstände bedingte Begebenheiten.“ (S.23)
Für Christen gibt es angesichts solcher exzessiven Gewalttexte eine gefährliche Versuchung, doch Marcion zu folgen, daß eben der Liebesgott Jesu mit dem gewalttätigen Jahwegott unvereinbar sei und wir uns so des Alten Testamentes entledigen sollten. Als kryptomarcionitisch könnte man urteilen, daß leider im Alten Testament auch völlig inakzeptable Gottesbilder und Vorstellungen uns begegneten, die aber alle durch Jesu Verkündigung des reinen Liebesgottes beseitigt worden seien.Dem muß aber entgegengehalten werden, daß die Vorstellung Jesu, daß Gott Menschen zur ewigen Verdammnis in die Hölle verurteile, nicht weniger gewalttätig und grausam ist. Es gibt nur einen Gott, der aber vielgesichtig ist, er ist der Liebe, es ist aber auch der, der die Feinde seines erwählten Volkes vernichtet.
Gewichtige Probleme bleiben. Religiöser Fundamentalismus ist es, wenn jüdische Politiker, wie Zizek es moniert,den Rechtsanspruch auf das jüdische Land mit der Glaubensaussage, Gott habe ihnen dies Land zum ewigen Besitz gegeben, rechtfertigen. Aber zur Identität des jüdischen Volkes gehört nun einmal konstitutiv dieser Glaube, sodaß den eigentlichen Bewohnern dieses Landes ein Unrecht angetan wird, wenn sie nun aus ihrer Heimat vertrieben wurden und jetzt als Palästinenser weiter von ihrer Heimat ferngehalten werden. In Anlehnung an Lyotard („Der Widerstreit) könnte geurteilt werden, daß es keine Diskursordnung geben könne, in der sowohl dem jüdischen wie auch dem palästinensischen Anliegen gerecht würde. Das göttliche Recht und das Völkerrecht sind in dieser Causa miteinander unvereinbar. Dabei kann die jüdische Position nicht das Völkerrecht als höchste Instanz anerkennen und die palästinensische nicht das göttliche Recht, daß dies Land dem jüdischen Volke gehört.
Die Ordnung des politischen Diskurses verlangt den Ausschluß aller religiösen Argumente, aber in politische Entscheidungen fließen dann gerade auch religiöse Argumente wieder ein. So ist es nicht verwunderlich, daß die jetzige Regierung Israels unter Netanjahu sich der Feindschaft des Liberalismus ausgesetzt wird, da er eine aus der jüdischen Religion fundierte Politik betreibe, oder zumindest zuließe ob seiner Regierungskoaliationspartner. Man lese daraufhin mal diese maßlose Polemik gegen die jüdische Regierung: „Standpunkt: Den Deutschen sollte Israel nicht egal sein“ Kath de am 31. Jänner 2023.
Eines muß aber festgehalten werden, mit Zizek: Auch der Gott der christlichen Religion, wie auch der jüdischen ist kein Gott der Gewaltfreiheit. Gott ist und kann auch sehr gewalttätig sein gegen seine Feinde und die Feinde seiner Erwählten. Der Gott der Liebe sagt auch: Mein ist die Rache. (Röm 12,19)
Wer ob dieser Wahrheit die christliche wie auch die jüdische Religion verurteilt und beseitigen möchte, versucht so, Gott selbst abzuschaffen, der nun mal so ist, wie ER ist und nicht, wie wir uns ihn uns wünschen und erphantasieren.
ZUsatz:
Erst durch die Aufklärung wurde der christliche Gott pazifiziert als die Reaktion auf die Religionskriege des 17.Jahrhundertes.
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