Dienstag, 25. März 2025

Eingestreute Fragmente zur Gotteserkenntnis: Kann Gott lieben ohne mitzuleiden? Teil 4

 

Eingestreute Fragmente zur Gotteserkenntnis: Kann Gott lieben ohne mitzuleiden?


Wenn ein Thema in dem theologischen Diskurs kaum noch auf ein Interesse hoffen kann, dann ist es die Gotteslehre, aber mit der Frage der Erkennbarkeit Gottes steht und fällt die christliche Religion und damit auch die Kirche: Eine Kirche ohne Gott, die eben nur noch eine Institution der praktizierten Nächstenliebe, also des Humanitarismus1 wäre,wäre keine Kirche mehr. So präsentiere ich hier ein 4.Fragment2 zu der Frage der Qualität der Beziehung Gottes zu uns Menschen: Können wir ihm wirklich etwas bedeuten?

Meine Verdachtsthese lautet, daß nach der traditionellen Gotteslehre genau genommen wir Menschen Gott nichts bedeuten können, sodaß auch wir ohne ihn gut leben könnten.

Jürgen Moltmann schreibt in seinem Buch: „Der gekreuzigte Gott“3: „Wäre Gott in jeder Hinsicht und also in einem absoluten Sinne leidensunfähig,so wäre er auch liebesunfähig. Ist Liebe die Annahme des anderen ohne Rücksicht auf das eigene Wohlergehen,so enthält sie in sich die Potenz des Mitleidens und die Fähigkeit zum Erleiden der Andersartigkeit des anderen.Eine Leidensunfähigkeit in diesem Sinne widerspräche der christlichen Grundaussage,>Gott ist Liebe4< ,mit der der Bann der aristotelischen Gotteslehre im Prinzip gebrochen ist.Wer liebesfähig ist,ist auch leidensfähig,denn er öffnet sich selbst im Leiden,die die Liebe einbringt, und bleibt ihnen doch kraft seiner Liebe überlegen.“

Der aristotelisch gedachte Gott ist der der reinen Selbstbezüglichkeit und von ihm kann gar nicht gedacht werden, daß er sich auf anderes als sich selbst bezieht.Nur als Causa finalis bewirkt er, daß alles andere sich auf ihn hin bewegt, denn Gott bewegt alles, wie eine schöne Frau Männer dazu bewegt, ihr den Hof zu machen. Nun versucht die traditionelle Gotteslehre, diesen aristotelisch gedachten Gott mit dem Gott, der die Welt erschuf und sie gar regiert, in einen Einklang zu bringen. Daraus resultiert dann die These, daß Gott zwar seine Schöpfung lieben könne, aber nicht mit ihr mitleiden. Daß aber selbst die These, Gott liebe die Welt, nicht harmoniserbar ist mit der Lehre von Gott als dem actus purus wird dabei übersehen, denn diese Bestimmung besagt, daß es in Gott keine nicht realisierte Möglichkeit geben könne, da etwas Nichtrealisiertes ein Mangel an der Vollkommenheit Gottes darstellen würde. Da aber die Aussage: „Gott liebt die Welt“ die Negation der möglichen Aussage: „Gott liebt die Welt nicht“ ist,eingedenk der Wahrheit: „omnes determinatio est negatio“, gilt dann, daß Gott ob seines actus purus Seins nicht als ein etwas Liebender gedacht werden kann.

Ein Szenenwechsel: Würde eine Mutter ihr Kind lieben, wenn es erkrankt, nicht dann auch mit ihm mitleiden würde? Jeder würde einer solchen Mutter ihre Mutterliebe absprechen.Nun darf Gottes Liebe nicht univok mit der menschlichen Liebe gedacht werden, daß sie der menschlichen ganz gleich wäre, aber auch nicht äqivok, daß sie nichts mit der menschlichen gemein habe, sondern analog, daß sie zugleich gleich und verschieden von der menschlichen ist,ihr also ähnlich zu denken ist.Liebe Gott, ohne daß er dann auch mit dem von ihm Geliebten mitlitt, wäre so keine Liebe im analogen Sinne. Indem Gott anderes als sich selbst erschuf und dann auch seine Schöpfung liebte, gehört es zu dieser Liebe dazu,mit ihr auch mitzuleiden, wenn diese selbst leidet.

Nun hätte Gott zwar eine Welt erschaffen können, in der es kein Leid gibt und deswegen auch nicht dazu kommen kann, daß Gott mit ihr mitleidet, das müße aber eine Welt sein, in der es keine Geschöpfe gibt, die kraft ihrer Freiheit sündigen und so Leid in der Welt verursachen können. Aber diese Geschöpfe, Engel und Menschen zeichneten sich dann vielleicht als ontologisch fast vollkommen aus, aber ihr Wollen und Tuen wäre dann nicht moralisch qualifizierbar, es könnte weder gute Engel noch gute Menschen geben. 5 Die Vollkommenheitsvorstellung, die Gott als leidensunfähig denkt, orientiert sich an der Idealvorstellung des Gottes, der als reine Selbstbezüglichkeit gedacht wird. Ein Mensch, der sein Glück abhängig machen würde von der Qualität seiner Beziehungen zu anderem als sich, der kann nicht dauerhaft glücklich sein, da er das, worauf er sich dann bezieht, auch verlieren könnte: Eine Mutter, deren größtes Glück ihr eigenes Kind ist, wird zur unglücklichsten Frau, wenn ihr Kind stirbt.Deshalb insistieren nicht nur die Stoiker darauf, sein Lebensglück nicht von etwas anderem als von sich selbst abhängig zu machen, was man selbst völlig unter seiner Kontrolle habe und das könne nichts anderes sein, denn jedes Anderssein schließt die völlige Kontrolle aus. Bezieht Gott sich aber auf anderes als sich und läßt es es etwas anderes sein, das heißt, determiniert es nicht, dann kann er anderes als sich nur lieben, wenn er auch bereit dazu ist,mit ihm mitzuleiden.

Sonst hätten wir es mit einem Gott zu tuen, der weil es nicht mitleidsfähig ist, auch nicht liebesfähig wäre, ja er könnte sich gar nicht auf anderes als auf sich selbst beziehen. Hier muß man Moltmann zustimmen, will man Gott als wirklich einen anderen als sich allein lieben Könnenden denken.

Wenn aber Gott gar nicht als etwas anderes als sich selbst Liebender gedacht werden kann, wie könnte er dann noch als ein für uns relevanter Gott gedacht werden.




1Vgl hierzu: Arnold Gehlen: Moral und Hypermoral

2Vgl dazu das 1.Fragment am 16.2 2025, das zweite am 24.2 2025 und das 3. am 1.3.2025.

3Zitiert nach: Armin Kreiner,Gott im Leiden, Neuauflage 2005, S.174, Fußnote 45.

4Die Aussage, Gott sei die Liebe, darf aber nicht so verdeutet werden, als hieße es, daß Gott nur die Liebe sei, er ist auch der Zorn, von ihm gilt auch: „Mein ist die Rache!“Röm 12,19.

5Vgl dazu im Ganzen das sehr gelungene Buch: Arnim Kreiner: Gott im Leid.


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