Samstag, 15. März 2025

Das Ende der Volkskirche – wenn sich Selbstverständlickeiten beginnen aufzulösen

 

Das Ende der Volkskirche – wenn sich Selbstverständlickeiten beginnen aufzulösen



Es ist noch nicht lange her, so in den 80er Jahren meiner Erinnerung nach, daß an die Beständigkeit der Volkskirche geglaubt wurde, da jede Geburt doch mit dem Familienfest der Taufe gefeiert wurde und man keinen ohne ein kirchliches Begräbnis unter die Erde bringen wollte. Dazu käme dann noch das Familienfest der Weihnacht, zu dem stets ein Kirchgang gehöre. Auf diesen 3 Säulen fuße nun die Stabilität der Volkskirche, da nun jeder mal geboren wird und mal sterben muß und für das Familienleben sei der Weihnachtsgottesdienst doch ein unverzichtbares Dekor wie zu Sylvester das Ansehen des „Dinners for one“.

Aber was tuen, wenn auch diese Selbstverständlichkeiten sich auflösen, wenn etwa die Kinder nur noch getauft werden, weil es so eine kulturelle Praxis ist, deren Sinn aber schon nicht mehr verstanden wird, wenn gerade für diese religiöse Praxis gilt, was Zizek so formulierte, daß uns Kultur das ist, was wir praktizieren, ohne an sie zu glauben: Sie würde in diesem Sinne als etwas Kulturelles praktiziert.

Die Taufpraxis ist uns nun so selbstverständlich geworden, daß weitestgehend vergessen worden ist, was die Taufe eigentlich ist, daß sie etwas eigentümlich Unklares ist, ja das sie zu den Mysterien des Urchristentumes gehörte wie auch die hl.Eucharistie, sodaß die christliche Religion auch als eine Mysterienreligion bezeichnet werden könnte.

Johannes, der Täufer, für seine religiöse Bewegung war das Taufen etwas so Signifikantes, daß nach dieser nach dieser Tätigkeit diese ganze Bewegung ihren Namen erhielt. Jesus von Nazareth wurde auch von Johannes getauft. Damit beginnen aber auch schon die ersten Probleme: Jesus wurde selbst nicht christlich getauft. Die johanneische Taufe wurde im Urchristentum nicht anerkannt, sodaß so Getaufte noch einmal christlich getauft wurden. Apg 19,3-5. Und noch etwas fällt auf: Nach der Taufe legte der Apostel den Getauften die Hände auf und dadurch erst empfingen die Getauften den Heiligen Geist. Apg 19,6.

Wie entstand dann aber die christliche Taufe, wenn sie so klar von der des Johannes abgesetzt wurde und Jesus selbst nicht christlich getauft worden ist? Es könnte höchstens die Johannestaufe als eine Vorlage für die christliche gedient haben. Aus dem Alten Testament ist sie auch nicht deduzierbar und auch nicht als ein funktionales Äquivalent zur Beschneidung, da ja Beschnittene von Johannes und dann später auch von den Christen getauft wurden! Franz Diekamp, ein in allen theologischen Fragen zuverlässiger Dogmatiker urteilt in seiner Lehre über die Taufe, (Bd 3, 11.u.12.Auflage, S.73:“Die Einsetzung des Sakramentes der Taufe (im vollen Sinn des Wortes) hat wahrscheinlich bei den letzten Erscheinungen Jesu in Galliläa stattgefunden,als er den Aposteln befahl, alle zu taufen.“Das ist nicht die Klarheit, die man als ein Theologe sich erwünscht.

Es bleiben Fragen: Wie entstand der Glaube, daß ein Christ die Taufe nur einmal gültig empfangen könne, wenn es doch nahe läge, wenn durch sie der Mensch von seinen Sünden gereinigt wird, sie als eine wiederholbare Praxis zu verstehen und zu praktizieren?

In welchem Verhältnis steht die Taufe zu Jesu Kreuzestod und seiner österlichen Auferstehung,könnte es dieses Sakrament auch geben, wenn Jesus nicht gekreuzigt und auferstanden wäre als ein einfach von dem Sohn Gottes eingesetztes Ritual der Sündenabwaschung? Man kann ja nicht urteilen, daß wir in unserem Getauftwordensein einen Anteil an der Taufe erhielten, mit der Jesus selbst getauft worden ist, denn die war ja gar keine christliche.

Maßgebend ist für uns Christen Jesu Christi Aussage: „Wer glaubt und getauft wird, wird im Endgericht gerettet werden, wer nicht glaubt, wird da verdammt werden.“ (Mk 16,16). Aber wie erhielt die Taufe diese Heilsbedeutung? Erschließt sie sich uns aus einer genauen Exegese der Belehrung Jesu über das Taufsakrament im 3.Kapitel des Johannesevangeliumes, daß jeder noch einmal durch die Taufe neu geboren werden muß, damit er in das Reich Gottes eingehen kann? Nur, wenn ein Mensch zum zweiten Male geboren werden kann, wieso könnte er dann nicht auch noch zum dritten oder x.Mal neu geboren werden?

Die christliche Taufe scheint tatsächlich etwas sehr Mysterienhaftes zu sein und vielleicht macht das auch das Sakramentale der Taufe aus, daß es eben keine bloße Symbolhandlung ist, die etwas bezeichnen soll, was unabhängig von ihrem Vollzug schon wirklich ist.

Ich vermute, daß uns der Begriff des Mysteriumes weiterhelfen könnte und folge damit R.Bultmanns exegetischen Erkenntnissen, die man nicht gleich mit dem Verweis auf sein Entmythologisierungsprogramm reprobieren sollte1.Seine Grundthese lautet, daß in den Mysterienrelligionen ihre Anhänger durch Rituale einen Anteil bekamen an dem Geschick der Götter, auf die hin das Ritual vollzogen wird: Also, indem ein Christ getauft wird, stirbt er mit Jesus am Kreuze,um dann auch mit ihm als ein neuer Mensch aufzuerstehen. Das Kreuz und die Auferstehung ist so einmal ein Ereignis in der Geschichte, das sich aber in jeder Taufe so aktualisiert, daß der Getauftwerdende in dies Kreuz und in diese Auferstehung mithineingetauft wird. Anders formuliert: Die Taufe ist ein Abbild des Gekreuzigtwerdens und Auferstehens Jesu Christi, in dem der Getaufte selbst gekreuzigt wird und seinen Anteil an der Auferstehung Jesu bekommt.Aber es bleibt noch die Frage,warum die Taufe nicht wiederholbar ist. Legte man nun nicht das Gewicht auf das Opfer Jesu Christi, das als solches wiederholbar sein müßte, sondern auf das Sterben und Neugeborenwerden, das Auferstehenn, dann könnte das die Einmaligkeit des Mitgekreuzigt- und Mitauferstehens präfigurieren: Jesus starb nicht zyklisch immer wieder wie die Naturgötter und erwachte wie sie in jedem Frühling.


Diese Bultmannthese scheint mir immer noch trotz vielfältigster anderer Versuche das überzeugendste Erklärungsmodell zu sein. In Ungnade ist dieser Erklärungsversuch ja nur durch den jüdisch-christlichen Dialog gekommen zu sein, durch die daraus entspringende Vorliebe dafür, alles Christliche zumindest des Anfanges aus nur rein jüdischen Traditionen entstanden zu rekonstruieren, um dann auf die Korruption durch die sogenannte Hellenisierung zu verweisen, als die Kirche den guten jüdischen Mutterboden verließ! Bultmanns Annahme einer generellen Tendenz zum Synkretistischen und eine Vielzahl von religiösen Strömungen, aus der dann ideengeschichtlich betrachtet das Urchristentum entstand, dürfte da einfach realistischer sein.

Daß eine modernistische Theologie alles Mysterienhafte aus der Kirche exkommunizieren möchte,liegt nun auf der Hand, aber damit nichtet sie auch notwendiger weise alle Sakramente der Kirche.


1Vgl hierzu die immer noch lesenswerte „Theologie des Neuen Testamentes“ von Rudolf Bultmann.

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