Das neue Menschenbild der Kirche – ein Versuch seiner Genalogie
Daß seit dem 2.Vaticanum sich vieles geändert habe, darin stimmen seine Befürworter und Kritiker überein undPapst Benedikts Anliegen, das Konzil als in seiner organischen Verwurzelung in der Tradition und nicht als eine Bruchstelle zu deuten, theologisch angemessen, setzte sich in der Theologie und Kirche nicht durch. Sehr deutlich wird das in dem zeitgenössischen Menschenbild der Kirche. Schon allein die Vokabel des Bildes suggeriert, daß wir uns in der Rolle eines Kunstmuseumsbesuchers befänden, der nun das ihm genehmste ausgestellte Bild sich zu seinem Bild erwählt und somit die anderen unberücksichtigt stehen lassen kann.
Das nachkonziliare Menschenbild ist das der Aufklärung, seinen manifesten Ausdruck in dem Vorstellungskomplex der Menschenwürde, den Menschen-rechten und der „heiligen“ Dreifaltigkeit von: „Freiheit,Gleichheit und Brüderlichkeit“ findend1. Dieser Vorstellungskomplex ist nur erklärbar, wenn man ihn als eine Reaktion auf die innerchristlichen Religionskriege des 17.Jahrhundertes rekonstruiert.2 In Frankreich bestand die Reaktion auf diese Religionskriege in dem Programm, ganz auf jede Religion zu verzichten3, um die Gesellschaft ganz neu allein auf dem Fundament der Vernunft aufzuerbauen. Deutschlands Aufklärung verlief weit gemäßigter in dem kantschen Konzept der rein vernünftigen natürlichen Religion, in der die Substanz jeder positiven Religion aufgehoben sein soll, wohingegen Hegel gar die christliche Religion als die vernünftige schlechthin mit der Vernunft in seiner Philosophie zu versöhnen versuchte.
Der Aufbau der vernünftigen Welt und das sollte die moderne Welt werden . hatte ihr Fundament in diesem Vorstellungskomplex der Menschenwürde, der Menschenrechte und der Trias von: „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“. Die Katholische Kirche lehnte dies ideologische Konzept ab, da ihr antichristlicher und antikatholischer Charakter zu offenkundig war. Wie konnte nun ein so eindeutig antichristlich und antikirchlich motiviertes Konzept eine Heimat in der Kirche finden? Die Integration gelang sehr simpel: Man kaprizierte sich auf den Glauben an Gott als den Schöpfergott und entfernte ihn aus der Kosmologie, um ihn nur noch als eine Letztbegründung für die Würde jedes Menschen gelten zu lassen. Diese Würde des Menschen, aus der dann die Menschenrechtsideologie und die drei Ideale der Französischen Revolution deduzierbar sind, bildet dann in der nachkonziliaren Theologie und Kirche das neue Evangelium. Jesus sei dann in seinem Tuen und Lehren der gewesen, der so die Menschenwürde praktiziert habe. Das eigentliche Evangelium wurde so völlig verabschiedet und durch diesen theozentrischen Humanitarismus ersetzt. Die Orthopraxie ergibt sich so ganz aus dem Glauben an die Menschenwürde.
Aber warum fand dieser Austausch statt? Diesem Austausch liegt die Erfahrung der Unterdrückung der Kirche und der Religion in den sog totalitären Staaten, isb in der Sowjetunion und im nationalsozialistischen Deutschland zugrunde, daß die Kirche im Namen politischer Ideologien, die sich als die einzig wahre behaupteten, bekämpft wurde. Die Menschenrechtsideologie wurde da für die Kirche interessant als ein Abwehrmedium übergriffiger Staaten, die als Weltanschauungsstaaten sich verstehend die Religion und die Kirche als Unwahres bekämpften. Der Liberalismus als die politische Ideologie, die sich als die prinzipielle Alternative zu allen totalitäristischen Ideologien interpretierte und die selbst auf diesem Vorstellungskomplex der Menschenwürde und ihrer Derivate sich aufbaut, empfahl sich da der Kirche als ihr Partner. Darum integrierte die Kirche diesen Vorstellungskomplex in ihre Theologie. Dafür gab sie dann aber ihr Eigenes auf, um sich ganz in eine Institution der praktizierten Nächstenliebe, oder wie man heute lieber sagt, de r Solidarität zu verwandeln.
Der Mensch, als ein Seele-Leib-Kompositum, der zur Gemeinschaft mit Gott bestimmt ist, der als Sünder sich von Gott entfremdet hat und durch das Erlösungswerk Jesu Christi durch die Kirche wieder mit Gott versöhnt wird, entschwindet in der Kirche und wird substituiert durch das kirchliche Engagement für die Würde des Menschen, daß überall die Menschenrechte realisiert werden sollen.
Dieser Menschenrechtsuniversalismus ist nun aber selbst auch nicht ein so ganz harmloses Projekt, denn daraus resultiert, daß es Schurkenstaaten gibt, in denen diese Menschenrechte nicht gelten würden und die deswegen zu bekämpfen seien, wie etwa Rußland, China, der Iran, Afghanistan und viele mehr, einfacher formuliert, daß der Freie Westen geradezu dazu verpflichtet sei, die ganze restliche Welt im Namen der Menschenrechte sich zu unterwerfen.
1.Corollarium
Das neue Menschenbild hat so überhaupt nichts zu tuen mit einem Fortschritt an Erkenntnis von Menschen.
2.Coroallarium
Die Erfahrung,daß in totalitären Staaten die christliche Religion unterdrückt worden sei bzw wird, insbesondere bezogen auf die Herrschaft des Stalinismus und des Nationalsozialismus ist nicht einfach eine Tatsache sondern eine Interpretation dieser Ereignisse im Rahmen der sog. Totalitarismustheorien. Daß in der Sowjetunion nach der Proklamation des "großen Vaterländischen Krieges" die Russisch-Orthodoxe Kirche noch, wie unter Lenin verfolgt wurde, ist bezweifelbar. Daß die Kirche im Nationalsozialismus pauschal verfolgt wurde, würde nur zutreffen, wenn Rauschning mit seiner These recht hätte, daß Hitler als völliger Nihilist die christliche Religion beseitigen wollte. Daß dann der Liberalismus die Kraft sei, die die christliche Religion und die Kirche schütze, ist aber mehr als zweifelhaft.
1In einem Freimaurerlexikon heißt es dazu: „Die Freimaurer haben zu dem Ausbruch der französischen Revolution vieles beigetragen,nicht zuletzt die Devise:Freiheit,Gleichheit und Brüderlichkeit, und die Deklaration der Menschenrechte.“Zitiert nach:Hans Trancred: Freimaurer, 2022, S,13.
2Die Vorstellung, daß in diesen Kriegen die christliche Religion nur mißbraucht worden sei für politische Zwecke ist das Produkt, das die durch die Aufklärung erst domestizierte Religion in das 17.Jahrhundert zurückprojiziert wird, um sie dann als nur eine mißbrauchte zu thematisieren.
3In dem sehr populären Lied John Lennons: „Imagine“ wird so das Verschwinden aller Religionen und Völker als die Voraussetzung einer Friedenswelt propagiert.
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