Mittwoch, 19. März 2025

"An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.“ - eine Problematisierung in anthropologischer Hinsicht: Was ist der Mensch?

 

"An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.“ - eine Problematisierung



Diese Aussage Jesu Christi ist nun auf den ersten Blick so klar und eindeutig,daß man sich nicht der Mühe unterzieht, ob man den auch versteht, was damit denn ausgesagt wird. Die Fortführung: „Sammelt man etwa von Dornen Trauben oder von Diestlen Feigen?" Diese Fortführung der Aussage in Mt 7,16 scheint dann doch auch noch, wenn denn überhaupt hier etwas Unklares vorhanden sein sollte, alles klar zu machen, aber dieser erster Eindruck täuscht. Denn diese Aussage steckt voller metaphysischen Heimtücken.

Im Bereich der Natur ist das damit Gemeinte klar: An den Früchten wird erkennbar, was das Fruchthervorbringende ist. Einen Apfelbaum erkennt man an den Äpfeln, den Kirschbaum an den Kirchen. Aber die hier gewählten Veranschaulichungsbeispiele transzendieren diese einfache Ebene schon, indem sie anzeigen, daß gute Früchte man nicht von einem Dornengewächs bzw von einem Distelgewächs erwarten kann. Damit wird von der Bildebene zur Sachebene gewechselt, daß eben schlechte Menschen keine guten Früchte, und damit sind dann gute Werke gemeint, vollbringen können. Daß gute Werke vollbracht werden können, setzt somit das Gutsein des Menschen voraus und es gilt, daß nichtgute Menschen eben nur nichtgute Werke hervorbringen können.

Damit wird eine geradezu metaphysische These vertreten, daß nämlich in den Werken nur das Sein des Menschen, wie er ist, zur Erscheinung kommt und daß somit sein Sein aus seinen Werken erkennbar ist. Damit wird die uns Heutigen doch viel vertrautere Vorstellung, daß ein Mensch durch sein Tuen zu einem schlechten oder zu einem guten Menschen, zurückgewiesen. Es gilt eben, daß das Sein dem Tuen vorausgeht und daß deswegen die moralische Qualität des Tuenden, wir könnten das als den Charakter eines Menschen bezeichnen, sich eben in seinen Werken offenbart.

Wie entstand denn nun aber der Charakter eines Menschen, sein guter oder schlechter, wenn dieser nicht ein durch sein Tuen erwirkter ist? Moderne Sozialisations – bzw Bildungstheorien könnten darüber eine Auskunft erteilen, aber gewiß ist das in dieser Jesusaussage so nicht gemeint.Denn gerade die präsumieren ja einen nicht bestimmten Charakter, sodaß der sich erst in der Entwickelung des Menschen herausbildet in der Spannung von dem passivischen Gebildetwerden und dem aktivischen Sichbilden. Aber wo eine moderne Anthropologie einen unbestimmten Charakter präsumiert, ja man müßte hier eigentlich nur von dem Vermögen, einen bestimmten moralisch qualifizierbaren Charakter herauszubilden, sprechen können.Aber setzt ein traditionalistische Denken den Charakter nicht eher als etwas Vorgegebenes voraus, der dann im Leben eines Menschen sich manifestiert?

Die katholische Gnadenlehre zog daraus die Konsequenz, daß Gott eine Gnade in den Menschen, in sein durch die Erbsünde korrumpiertes Sein eingießt, um ihn zu guten Werken zu befähigen.Seine durch die Erbsünde depravierte Natur, sein Sein verunmöglicht eben, daß er gute Früchte hervorbringt wie eben ein Dornengewächs keine Trauben hervorbringen kann. Das Gutsein muß deswegen als die notwendige Voraussetzung der Hervorbringung der guten Werke angesehen werden.

Aber nun wird es noch komplizierter: Ein guter Baum bringt natürlich gute Früchte hervor, aber wenn ein guter Mensch genauo seine guten Werke hervorbrächte, wären diese Werke keine als moralisch gut zu qualifizierende Werke zu beurteilen. Eine Tat als moralisch gut zu beurteilen, präsumiert nämlich denknotwendig, daß der Hervorbringer der Tat auch böse hätte handeln können. Ehelich treu sein kann nur der, der auch eine Möglichkeit zur ehelichen Untreue hatte. Könnte ein Mensch nur gute Werke vollbringen, dann funktionierte er zwar gut, aber dies Funktionieren ist kein moralisch qualifizierbares. Ein Computer, der gut funktioniert, ist ja auch nicht ein moralisch gut agierender Computer.

Das bedeutet aber, daß nach diesem Verständnis der Mensch in einer Distanz zum Guten und Bösen sich befinden muß, sein Charakter also nicht moralisch festgelegt ist als entweder ein guter oder als ein böser, sodaß er so frei zwischen dem guten und dem bösen Wollen und Handeln sich entscheiden kann. Der Mörder sagt eben rechtens: „Nicht mußte ich diese Mordtat vollbringen, da ich ein schlechter Mensch bin, sondern ich hätte diese Untat auch nicht vollbringen müssen!“

Ist also diese Unbestimmtheit des Seins, des Charakters des Menschen die Voraussetzung dafür, daß er moralisch qualifizierbar wollen und handeln kann, so widerspricht das der Aussage, daß an den Früchten erkennbar ist, was für einen Charakter der Täter hat, ob einen guten oder einen schlechten. Denn dann würde der Mensch ja erst zu einem schlechten oder guten Menschen durch seine Werke. Aber auch das könnte in Frage gestellt werden, indem geurteilt würde, daß es nur gute oder böse Werke gäbe, daß aber der Mensch nicht durch seine Werke determiniert werden würde. Er bliebe stets unbestimmt und deswegen könnten Menschen mal böse und mal gute Werke hervorbringen. Man könne dann vielleicht eine Tendenz zu dem einen oder dem anderen wahrnehmen, daß ein Mensch eher zum Bösen, ein anderer zum Guten neige, aber nie würde er durch eine solche Tendenz dann determiniert, bleibt er immer doch ein freier und das heißt ein unbestimmter Mensch.Daß hieße, daß ein Mensch gar nicht an seinen Früchten erkennbar ist, denn seine Unbestimmtheit, daß er weder gut noch böse ist, verunmöglicht sein Erkennen, denn jedes Erkennen setzt ein Bestimmtsein des Zuerkennenden voraus.

Jetzt könnte man sich zu sehr paradoxen Thesen versteigen, daß nämlich der Mensch aus seinem natürlichen Gutsein, daß er aus sich heraus immer nur das Gute will und tut, herausfallen mußte, abgesondert vom Guten existiert, damit er dann erst in seiner Unbestimmtheit, daß er weder gut noch böse ist, sich frei für das gute Wollen und Tuen entscheiden kann, damit dann dies Wollen und Tuen als ein moralisch qualifizierbares zu stehen kommen kann. Diese Absonderung vom Guten, daß er selbst nun beiden Optionen frei gegenübersteht, wäre aber aus der traditionellen Sicht selbst schon das Bösesein des Menschen: Er habe sich so von Gott, dem Guten getrennt.Aber genau dies Bösesein erscheint nun als die Voraussetzung für ein Gutwollen- und Guttunkönnen des Menschen.

Lieber mitdenkender Leser: Wenn man diese einfach daherkommende Aussage Jesu Christi verstehen will, und sich nicht darauf beschränkt, sie als Kritikinstrumentarium wider andere Menschen zu gebrauchen, verwickelt man sich ganz von selbst in so viele Aporien, daß am Ende man vor der Frage steht: Wie ist diese Aussage wirklich verstehbar? Aber nur so treibt man Theologie.

Zusatz:

Der Primat des Seins vor dem Tuen erlebt in dem politischen Diskurs eine absonderliche Renaissance: Nichtdeutsche gälten als Nichtdeutsche a priori als bessere Menschen, Deutsche zählen nie als Opfer weil sie immer nur die Täter sind, Homosexuelle sind immer gute Menschen und Deutsche mit einem Migrationshintergund gelten immer als Opfer rassistischer Diskriminerungen. 







































































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