Zu den Anfängen der Religionskritik und ihrer Apologetik: etwa heute noch bedeutsam?
„Quod licet Iovi, non licet bovi : „Was dem Jupiter erlaubt ist, ist dem Ochsen nicht erlaubt“. In diesem römischen Ausspruch ist eine erste Religionskritik enthalten,sie kann aus ihr rekonstruiert werden und der Versuch einer Widerlegung dieser Religionskritik. Die Kritik kann so erfaßt werden: In den Erzählungen über die Götter werden so viel unmoralische Handlungen von ihnen erzählt, daß dadurch die Menschen geradezu angespornt werden, es ihnen gleich zu tuen. Denn wenn selbst die Götter so agieren, dann dürfen wir Menschen das doch auch wohl so tuen. Denn die Götter fungierten doch uns Menschen als für uns verbindliche Vorbilder, wird dabei als nicht ausdrücklich formulierte Prämisse mitgedacht. Gerade deswegen bedarf es der Religionskritik, das ist der Kritik der religiösen Göttererzählungen: Die Götter dürften darin nur so vorkommen, daß sie uns Menschen dabei zu einem moralischen Vorbild dienen können. Die Moralphilosophie müsse so als eine Religionskritik die religiösen Göttererzählungen zensieren, sie moralisch korrekt umformen. In dieser Tradition steht auch Platons Identifikation Gottes mit der Idee des Guten: Gott muß als das Gute gedacht werden, Göttererzählungen, die damit nicht in einen Einklang zu bringen sind, können somit nicht zugelassen werden.
Nun will die Apologetik der Göttererzählungen diese gegen diese Kritik rechtfertigen mit einer feinsinnigen Unterscheidung: Was den Göttern erlaubt ist, ist noch lange nicht uns Menschen erlaubt! Damit wird eingeräumt, daß eben von den Göttern manches erzählt wird, was täten es Menschen als unmoralisch verurteilt würde, aber die Götter sind eben nicht der Moral, die für uns Menschen gälte, selbst unterworfen. Sie stünden über ihr, wie die Tiere, so wird es später etwa der reformierte Theologe Zwingli ergänzen, auch nicht unter dem Gesetz stünden. Das Moralgesetz gälte eben nur für uns Menschen und wohl auch für die Engel.
Die anstößigen Göttergeschichten seien also weiterhin zu erzählen, denn als moralgefährdend könnten sie nur mißverstanden werden, bedächte man nicht, daß die Götter der Moral nicht selbst unterworfen sind. Wer dies bestreitet, verkennt die Differenz zwischen den Göttern, dem Gott und uns Menschen.
Wenden wir uns nun der Bibel zu mit seinen vielen Aussagen über das Wirken Gottes, reproduziert sich dies Problem. Denn was soll man von dem Gott halten, der die ganze Menschheit ausrottet, nur 8 Menschen überleben läßt in seinem Strafgericht über die Menschheit, der Sintflut? Daß Gott die Liebe ist, (1.Joh 4,16) begeistert jeden Moraltheologen,ließt er diese Aussage doch gleich als den Appell zu einer universalistischen Menschheitsliebe, aber die Aussage Gottes: „Mein ist die Rache,ich werde vergelten“, (Röm 12,19), treibt ihn in die ärgsten Schwierigkeiten, ist doch jedes Sichrächenwollen schon eine unmoralische Gesinnung! Und was sollen wir erst zu Gott sagen, der die Erstgeburt der Ägypter tötete, um so durch diesen seinen Machterweis den Pharao dazu zu nötigen, das jüdische Volk freizulassen? Ein an der Gotteskritik Platons Geschulter wird hier nach einer Zensur rufen: „So etwas darf nicht von Gott ausgesagt werden!“ Die moderne Theologie hat nun für dies so geartete Problem eine wunderbare Lösung gefunden: Mittels der historisch kritischen Methode können nun alle unliebsamen störenden Aussagen der hl.Schrift wegexegetisiert werden.Dabei wird dann Gott ganz einfach unserer heutigen Moral unterworfen und all das damit nicht Kompatible wegmoralisiert.
Aber es bleibt ein gewichtiges Problem: Wer sagt uns, daß Gott sich selbst unseren Moralvorstellungen unterwirft, nur weil es unsere sind und wir von ihm fordern, gemäß unseren Vorstellungen sein zu haben? Die Römer waren da viel klüger und auch gottesfürchtiger: Quod licet Iovi, non licet bovi!
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