Freitag, 21. März 2025

Ist Jesus Christus reduzierbar auf die Begegnung mit dem „Du“, das mich trägt?

 

Ist Jesus Christus reduzierbar auf die Begegnung mit dem „Du“, das mich trägt?


So ist der Glaube das Finden eines Du, das mich trägt und in aller Unerfülltheit menschlichen Begegnens die Verheißung unzerstörbarer Liebe schenkt, die Ewigkeit nicht nur begehrt, sondern gewährt.“ So beschreibt Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI die Entstehung und das Wesen des Glaubens in seinem Buch: „Einführung in das Christentum“ in dem Kapitel: „Ich glaub an dich.“1

Der geneigte Leser möge nun bitte diese Äußerung mit dem folgenden Liedtext von Deeby Boone 2vergleichen:

You Light Up My Life Lyrics Übersetzung

So viele Nächte, sitze ich an meinem Fenster
Wartend auf jemanden, der mir sein Lied singt.
So viele Träume, behielt ich tief in mir
Einsam in der Dunkelheit, aber nun bist du gekommen.

Und du erleuchtest mein Leben
Du gibst mir Hoffnung, weiter zu machen.
Du erleuchtest meine Tage
Und füllst meine Nächte mit Gesang


Schwankend auf dem Meer, treibend auf dem Wasser
Könnte es endlich sein, dass ich nach Hause komme
Endlich eine Chance zu sagen: „Hey, ich liebe dich“
Nie wieder ganz allein zu sein.

Und du erleuchtest mein Leben
Du gibst mir Hoffnung, weiter zu machen.
Du erleuchtest meine Tage
Und füllst meine Nächte mit Gesang.

Du, du erleuchtest mein Leben
Du gibst mir Hoffnung, weiter zu machen.
Du erleuchtest meine Tage
Und füllst meine Nächte mit Gesang.
Es kann nicht falsch sein, wenn es sich richtig anfühlt
Denn du, du erleuchtest mein Leben.“

Die Ähnlichkeit ist so verblüffend, daß sie fast schon irritiert, aber das ist kein Zufall. Der Sitz des Lebens dieser euphorischen Begegnungsrhetorik, der sich hier auch diese „Einführung in das Christentum“ bedient, ist das Phänomen des Sichverliebens auf den ersten Blick, daß hier sich zwei füreinander Bestimmte als sich Liebende erleben und der Glaube an das Ewigwähren dieser Liebe aus dieser Begegnung entspringt.Nur daß hier der Theologe Ratzinger die Genese des Glaubens an Jesus Christus rekonstruieren will.

Ratzinger schreibt dann, daß der christliche Glaube nicht darin bestünde zu sagen: Ich glaube etwas“,sondern: „Ich glaube an dich“. Denn er ist „Begegnung mit dem Menschen Jesus“. Jesus lehrt also nicht, er heilt nicht, wirkt keine ihm als Sohn Gottes ausweisende Wunder, schon gar nicht verkündet er das Ankommen des Reich Gottes und daß wir Menschen umzukehren hätten, sondern er begegnet uns einfach nur. In der Begegnung mit ihm erführen wir „den Sinn der Welt als Person“. Diese mirakulöse Formulierung wird dann wie folgt expliziert: „In Jesu Leben aus dem Vater, in der Unmittelbarkeit und Dichte seines betenden,ja sehenden Umgangs mit ihm ist er der Zeuge Gottes,durch den hindurch der Unberührbare berührbar,der Ferne nahe geworden ist.“

Wird diese Aussage ihres überschwenglichen Pathos entkleidet, bleibt davon nur übrig: In Jesu vorbildlichem Glaubensleben können wir Gott, an den er glaubt, auch erfahren. Dieser Glaube hat nun keinen anderen Gehalt als daß in dem Glauben Gott erfahrbar wird für den Glaubenden. In Jesu Glauben, als Genetivus subjectivus zu lesen, sei die „Anwesenheit des Ewigen selbst in dieser Welt“ erfahrbar. So habe der Glaube, der dann als ein Suchen nach dem Du interpretiert wird, von dem gilt: „Und du erleuchtest mein Leben
Du gibst mir Hoffnung, weiter zu machen.Du erleuchtest meine Tage“,
in Jesus gefunden. Warum dieses Du nun nur in Jesus und nicht in jedem Menschen findbar ist, der mich und den ich liebe, bleibt dabei völlig ungeklärt und ebenso die Frage, ob dann nicht in jedem Gläubigen so Gottes Nahsein erfahrbar sei, wenn er nur einen lebendigen Glauben hat.

So ist Glaube,Vertrauen und Lieben letztlich eins,und alle Inhalte,um die der Glaube kreist,sind nur Konkretisierungen der alles tragenden Wende, des „Ich glaube an dich“- der Entdeckung Gottes im Antlitz des Menschen Jesus von Nazareth.“ Das evoziert aber die Anfrage, ob hier Jesus nur als ein Mensch gedacht wird, in dessen Angesicht dann aber wie auch immer der eine Gott erfahrbar sein soll, also daß Jesus nicht selbst Gott ist. Eine zeitlang, ich vermute, daß diese Redeweise wegen der feministischen Kritik, hier würden Frauen auf die Rolle der Mutter fixiert, hörte man in Predigten, daß ein Kind in der mütterlichen Liebe zu ihm Gottes Liebe zu ihm erführe, wobei dann selbstverständlich die Mutter nicht als eine göttliche Person vorgestellt wird. Am simpelsten wäre wohl die Erklärung, daß im Glauben Jesu an Gott für andere diese in Jesu Glauben präsente Gott auch erfahrbar würde.

Aus einer soziologischen Perspektive gesehen, könnte diese personalistische Vorstellung so rekonstruiert werden:Der Massenmensch ist für sich selbst keine Person (mehr), er kann es aber durch eine Begegnung mit einem anderen werden, der für ihn zu dem Du wird, das ihm es ermöglicht, sich als Ich und damit als eine Person zu erfahren.

Man könnte nun einwenden, daß in diesem Buch doch sehr viel gute Theologie stecke, und das kann nicht bestritten werden, aber es muß angefragt werden, ob all das Gute dann nicht durch diese personalistische Jesulogie aufgelöst wird. Unüberlesbar ist aber, daß so die Person Jesus von Nazareth ganz aus der Geschichte Gottes mit seinem Volke Israel und dann aus der Menschheitsgeschichte herausabstrahiert wird, um ihn auf das Du zu reduzieren, das mich zum Ich werden läßt als einem in diesem Du getragenen.

Vergleiche dazu auch meinen Artikel wider die Engführung des Personalismus vom 20.3.2025! Unverkennbar ist mit diesem personalistischen Ansatz die Möglichkeit eröffnet, Jesus von Nazareth auf den vorbildlich Glaubenden zu reduzieren, der uns so nur noch als das Vorbild des Glaubens dienen kann.

1Auf eine Angabe der Seitenzahl verzichte ich, da dieses Werk in so vielen verschiedenen Auflagen publiziert worden ist, daß es sehr unwahrscheinlich ist,daß ein Leser gerade die meinige Ausgabe zu Händen hat.

2Das Lied sei zum Anhören, leicht im Internet zu finden, wärmstens empfohlen. Dies Lied fungiert auch sehr passend für das Paar Julia Wegener und Niclas Stahl in der Erfolgsserie: „Sturm der Liebe“ Folge 2052 bis 2265.

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