Donnerstag, 21. März 2024

Ist der christliche Glaube mit dem Pazifismus vereinbar?

 

Ist der christliche Glaube mit dem Pazifismus vereinbar?


Spontan könnte gemeint werden: Natürlich, es gäbe doch Christen, die Pazifisten seien und verlange Jesu Bergpredigt nicht auch einen praktizierten Pazifismus,also den Verzicht auf jegliche Gewaltanwendung gegen Menschen so als ob eine Gewaltanwendung gegen Menschen immer ein Übel sei, das durch keinen noch so guten Zweck rechtfertigbar sei.

Als in Deutschland noch die Wehrpflicht galt,gewährte der Staat, Wehrpflichtigen die Möglichkeit der Kriegsdienstverweigerung. Dazu war ein schriftlicher Antrag zu stellen mit einer Begründung und dann hatte sich der Antragsteller einer Prüfung zu unterziehen, in der eine Kommission die Wahrhaftigkeit der Ablehnung des Kriegsdienstes zu überprüfen hatte. Dazu wurden dem Zuprüfenden eine Konfliktsituation geschildert und er gefragt,wie er sich in dieser Situation verhalten würde. Eine Beispielsituationsangabe möge dies Verfahren verdeutlichen: Gesetz den Fall, sie gehen in einem Wald spazieren, sehen eine entkleidete Frau am Boden liegend,ein Mann über sie, der sie nun nach der vollzogenen Vergewaltigung mit dem zum tödlichen Stich erhobenen Dolch ermorden will. Daneben liegt in ihrer Reichweite ein Spaten. Was tuen sie?

Unerlaubt ist nun eine Verweigerung einer Antwort, etwa: Ich gehe nie im Wald spazieren oder: Im Wald liegen keine Spaten herum. Der Zentralfrage dieser Gewissensprüfung liegt immer das selbe Schemata zugrunde: Eine oder mehrere Personen sollen von jemandem ermordet werden und der Mord kann nur durch eine Gewaltanwendung gegen den Täter verhindert werden und ein dazu befähigtes Instrument ist vorhanden zur Verhinderung des Mordes. Erklärt der Zuprüfende, auf eine Gewaltanwendung dem Täter gegenüber zu verzichten, nimmt er so billigend die Ermordung des Opfers in Kauf.

Das verstößt nun aber gegen das Gebot der Nächstenliebe, einem, der ermordet werden soll, die für ihn notwendige und erbringbare Hilfe zur Abwehr des Mordes zu verweigern. Es sei denn,es würde gesagt,daß die Nächstenliebe nur gewaltfrei praktiziert werden dürfte, sodaß die Rettung eines Unschuldigen zu unterlassen wäre, wenn dessen Lebensrettung nur durch eine Gewalthandlung wider den Täter möglich wäre. Dies Argument erinnert fatal an das Argument der Pharisäer, daß ein Arzt den Beruf des Heilens auch an einem Sabbat auszuüben habe, aber nur insoweit als es die Sabbatordnung zulasse. So dürfe ein Arzt einen chronisch Kranken am Sabbat nicht heilen, wohl aber die erste Hilfe leisten bei einem Unfall. Darf also die Nächstenliebe limitiert werden durch ein Verbot jeglicher Gewaltanwendung gegen Menschen, auch wenn dadurch die Ermordung von Unschuldigen ermöglicht wird?

Es muß hier die Unterscheidung von Unschuldigen und Schuldigen berücksichtigt werden. Wenn ein Mensch nur durch eine Gewaltmaßnahme von der Ermordung eines anderen Menschen abgehalten werden kann, dann gilt der potentielle Täter als schuldig und das potentielle Opfer als unschuldig, sodaß eine Gewalthandlung gegen den Schuldigen zur Lebensrettung des Unschuldigen erlaubt ist. Denn eine Gewaltanwendung gegen Schuldige, Personen, die andere töten wollen, ist legitim,zumal eine Güterabwägung hier zu vollziehen ist: Wenn keine Gewalt gegen den Täter ausgeübt wird,kommt ein Mensch zu Tode, wohingegen die Möglichkeit ja besteht, den Täter durch eine Gewaltanwendung unfähig zum Töten zu machen,ohne ihn zu töten.

Der Pazifismus kann also in solchen Extremsituationen,daß eine Ermordung eines Unschuldigen nur durch eine Gewaltanwendung verhinderbar ist,dem Gebot der Nächstenliebe nicht gerecht werden. Der Glaube, daß jeder Konflikt ohne eine Anwendung von Gewalt lösbar sei,ist leider durch die Realität des Lebens nicht gedeckt.

Ja, ein konsequenter Gewaltverzicht würde darüber hinaus die Gewaltbereiten nur zur Gewaltanwendung ermutigen, könnten sie darauf vertrauen, daß pazifistisch Gesonnene ihrer Gewalt nichts Effektives entgegensetzen werden.Bestünde ein Gemeinwesen nur aus Pazifisten, könnte jeder Gewalttäter unbegrenzt in ihr morden, so viel er will, weil niemand ihm effektiv entgegentreten könnte, wenn er nur selbst durch Gewalt am Morden gehindert werden könnte.

Für den Glauben, daß die demonstrierte Gewaltfreiheit Gewalttäter an einem Morden abhalten würden,gibt es auch keinerlei Berechtigung,es ist ein phantastischer Irrglaube, der ein pures Wunschdenken mit der Realität des Lebens unheilvoll verwechselt.

Auch ist es sehr fragwürdig, ob der Pazifismus mit dem Gebot der Selbstliebe kompatibel ist: Müßte sich ein Christ ermorden lassen, wenn er seine Ermordung nur durch eine Gewaltanwendung verhindern könnte? Das ist mit dem Gebot der Selbstliebe nicht vereinbar.

Wer nun aber daran festhalten möchte, daß der Pazifismus mit dem christlichen Glauben vereinbar sei, der muß genau darlegen, wie der Pazifismus mit dem Gebot der Nächstenliebe und der Selbstliebe vereinbar sei. Ich gehe davon aus, daß eine Vereinbarkeit nicht beweisbar ist! Der Beweis muß scheitern an der Realität des Bösen,daß es immer Menschen gibt, die bereit sind,unmoralische Ziele per Gewalt zu realisieren. An diesem realen Bösen in der Welt muß der Pazifismus scheitern, weil durch ihn die Welt immer nur noch noch böser und gewaltvoller würde.

Nun können selbstredend so komplexe Kriege wie der Deutschlands gegen die Sowjetunion 1941 oder der jetzige in der Ukraine nicht mit dem simplen Deutungsmuster eines kriegslüsternden Aggressors und eines friedfertigen Opfers  begriffen werden, denn so solche Komplexitätsreduktionismen sind nur Elemente einer Kriegspropaganda und haben sehr wenig mit der Realität gemein, die allein durch sorgfältigste Analysen der Kriege eruierbar ist.



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