Der „Relativismus als Voraussetzung der Demokratie“1
„Die relativistische Theorie“ wird hier so charkterisiert: Für sie könne das Verhältnis zwischen der Religion und der Demokratie nur ein negatives sein: „Das Christentum im Besonderen lehrt absolute Wahrheiten und Werte und steht damit in strikten Gegensatz zur notwendigen Skepsis der relativistischen Demokratie.“ 2Die Demokratie stünde für die Autonomie des Menschen, die Religion für die Fremdbestimmung des Menschen durch Gott. „Das bedeutet auch,dass der Kernpunkt der Demokratie die Freiheit ist und nicht das Gute,das schon wieder als freiheitsgefährdend erscheint.“3
Was das Gute sei, weiß die Demokratie nicht substantialiter sondern in ihr gilt das als wahr, was durch Mehrheitsentscheide dazu bestimmt wird. Wenn das Verfahren demokratisch ist, dann gilt, egal was dann als wahr bestimmt worden ist, als wahr, aber immer nur unter dem Vorbehalt, daß jede demokratisch gefaßte Entscheidung wider revozierbar sei. Würde stattdessen a priori erkannt sein, was das Gute substantialiter wäre, könnte die Wahrheit nicht mehr demokratisch hervorgebracht werden. Der pure Formalismus der Demokrartie verbietet so jede materiale Bestimmung des Guten.Als der enzigste Maßstab des Rechtes könne so nur das gelten, „was als Mehrheitsünerzeugung unter den Bürgern verbreitet ist. Eine andere Philosophie, eine andere Quelle des Rechts stehe der Demokratie nicht zur Verfügung.“4 .
Das darin enthaltende Problem ist offenkundig: Wenn zwei Wölfe und ein Lamm darüber entscheiden, was es zum Sonntag zu essen geben wird, dann ist die Entscheidung: „ein Lammbraten“ legitim, wenn die Entscheidung formal richtig demokrtisch beschlossen worden ist.
Der Kardinal verweist nun aber zuvörderst auf die scheinbare Evidenz der Demokratie: „Der Gedanke, in der Demokratie könne nur die Mehrheit entscheiden und Rechtsquelle könnten nur die mehrheitsfähigen Überzeugungen der Bürger sein, hat zweifellos etwas Bestechendes an sich. Denn wann immer man etwas nicht von der Mehrheit Gewolltes und Entschiedenes für die Mehrheit verbindlich macht,scheint eben die Mehrheit ihre Freiheit agesprochen und damit das Wesen der Demokratie verneint zu sein.Jede andere Theorie scheint einen Dogmatismus zu unterstellen, der die Selbstbestimmung unterläuft und damit Entmündigung der Bürger,Herrschaft von Unfreiheit wird.“5.
Die Freiheit wird hier als das Vermögen und das Recht verstanden, selbst betimmen zu können, was als wahr zu gelten habe mit der Einschränkung, daß jede einmal gefaßte Dezision wieder revoziert werden kann: Was heute als wahr gilt, kann so morgen schon nicht mehr als wahr gelten werden.Der Relativismus gehörte so zur Conditio sine non der Demokratie.
Theologisch ist dieses Verständnis das der Freiheit Gottes, daß er souverän entscheidet, was wahr, gut und schön ist als eine reine Dezision, denn erst die Setzung dieser drei metaphysischen Ordnungen ermöglicht Begründungen für etwas, ob es dem Wahren.dem Guten, und dem Schönen entspricht oder nicht.Die theoretische, praktische und ästhetsche Vernunft korreliert dabei diesen drei von Gott geetzten Ordnungen. Seinen Geschöpfen, den Engeln und den Menschen liegt diese Ordnung vor, sie ist eben nicht ein Hervorbringungsprodukt seiner Geschöpfe. Genau dieser Gedankengang wird nun als der Demokratie unzuträglich verurteilt. Der Mensch tritt nun an Gottes Stelle, indem er nun souverän selbst entscheidet, was das Wahre,Gute und Schöne sei.
Ideengeschichtlich blühte das Konzept des Naturrechtes nach 1945 wieder auf, um im Namen eines überpositiven Rechtes die Verbrechen des Nationalsozialismus verurteilen zu können, obgleich die Täter, nicht nur Eichmann versicherten, doch nichts anders getan zu haben, als das damals geltende Recht zu befolgen. Was damals Recht war könne doch nicht rückwirkend zum Unrecht erklärt werden, daß also gegen Geetze verstoßen worden sei, deren Geltung erst nachträglich ihre Geltung verschaffen wurde.Es wurde so ein überzeitlich immer geltendes Recht in Anspruch genommen zu der Abwickelung der Kriegsverbrecherprozesse, das danach aber wieder ad acta gelegt wurde und zu einer Renaissance des Rechtspositiusmus führte: Recht ist nur das geltende Recht, das in Kraft geetzte und sonst nichts.
Kardinal Ratzinger frägt nun an, ob ein so rein formalistisches Verständnis des Rechtes für die Demokratie selbst zuträglich sei. Sein Argumentationsziel ist nun dies: „Das Ziel des Staates kann aber nicht in einer bloßen inhaltslosen Freiheit liegen: um eine sinnvolle und lebbare Ordnung des Miteinander zu begründen,braucht es ein Mindestmaß an Wahrheit,an Erkenntnis des Guten, die nicht manipulierbar ist.“ 6 „nicht manipulierbar“ heißt hier, nicht selbst wieder revidierbar. Nach dem liberalen Staatsverständnis hat jeder Bürger das Recht, und darin soll dann auch seine Freiheit bestehen, seinen persönlichen Leben selbst wie es ihm gefällt einen Sinn zu geben, eine für ihn lebbare Ordnung zu setzen. Das Mindestmaß der Ordnung ist dann nichts anderes, als daß jedem der individuelle Freiraum dazu gewährt wird, der nur die eine Grenze kennt, den Freiraum des Anderen zu respektieren und den eigenen respektiert zu bekommen. Gerade diese Inhaltslosigkeit mache so die Freiheit in einer bürgerlichen Gesellschaft aus, daß sie auf die Vorstellung eines sinnvollen Lebens für das Volk als Ganzes völlig verzichtet und nur egozentrische Bürger kennt, die nur den Egozentrismus aller anderen Bürger anerkent, um seinen eigenen anrtkannt zu bekommen.
Kardinal Ratzinger erweist sich in dieser Problemexponuerung als sehr hellsichtig: Was, wenn ganz demokratisch die Menschenrechte als das Fundament des heutigen Rechtsstaatsverständnisses teilweise oder gänzlich demokratisch außer Kraft gesetzt werden? Faktisch hat sich das schon in allen demokratisch regierten Ländern ereignet, indem die Tötung von Kindern im Mutterleibe unter bestimmten Einschränkungen erlaubt worden ist. Auch die Wiederbelebung der Frage der Erlaubbarkeit der Euthanisierung von unheilbar Kranken werden wir jetzt angesichts der steigenden Kosten des Gesundheitswesens in Deutschland erleben. Die Demokratie ist ob ihres puren Formalismus kein Garant für eine humane Gesellschaft, da die Humanität, vom Glauben an Gott sich emanzipiert habend, selbst dieses Fundament ihrer Humamität aufgelöst hat. Wo der Mensch nur noch als ein höher entwickeltes Tier gilt, drängt sich die Frage eben auf, ob man den wirklich die Menschen anders als die Tiere z
1Kardinal Joseph Ratzinger; Was ist Wahrheit? Die Bedeutung religiöser und sittlicher Werte in der pluralistischen Gesellschaft“, in: Werte in Zeiten des Umbrchs, 2005, S.49 -66-
2A.a,O. S.56.
3A.a.O- S-56.
4A,a,O.S.56.
5A.a.O.S.57.
6A,a,O. S.63.
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