Verwirrungen in der aktuellen katholischen Soziallehre oder der Personalismus
In dem Beitrag: „Raymund Fobes: Gerechtigkeit,Barmherzigkeit und Gottesliebe.Die Katholische Soziallehre von der Zeit seit 1989“1 lautet das Credo der personalistischen Philosophie: „Der Mensch wird auf diese Weise zu einem Bündel gesellchaftlicher Beziehungen verkürzt,es verschwindet der Begriff der Person als autonomes Subjkt moralischer Entscheidung,das gerade dadurch die gesellschaftliche Ordnung aufbaut.“2 Daß der Mensch hier als ein „autonomes Subjekt“ gedacht wird, das durch seine moralischen Entscheidungen die „gesellschaftliche Ordnung aufbaut“ ist nun aber eine völlig aburde Vorstellung. Erstens geht die „gesellschaftliche Ordnung“ den Entscheidungen der Personen voraus. Ein einfaches Beispiel kann das veranschaulichen: Das Regelsystem des Schaches ist die notwendige Bedingung dafür, daß ein Schachspieler dann überhaupt einen Spielzug machen kann und er muß ein regelkonformer sein, sonst ist er kein Spielzug. Das gilt fundamentaler noch für das Sprechen: Nur weil es eine bestimmte Sprache gibt, das Regelsystem der deutschen Sprache etwa kann ich in ihr einen einzelnen Satz formulieren. So ist jedes Subjekt immer auch ein einem System Untergeordnetes, das ist die Bedeutung des subjectum als ein Unterlegtes, das so dann aber auch nur das Subjekt gedachter, gsprochener und geschriebener Sätze sein kann.
Zweitens: Eine moralische Entscheidung setzt genauso eine moralische Ordnung voraus, in der dann eine moralische Entscheidung erst getroffen werden kann. Wenn es nun in einer pluralistisch strukturierten Gesellschaft mehrer divergierende Morallehren gibt, entscheidet ein Subjekt eben zuerst sich für eine Morallehre und dann fällt er gemäß ihr eine Entscheidung. Aber nie bringt eine „Person“ selbst die gesellschaftliche noch die moralische Ordnung hervor!
Papst Johannes Paul II, der in diesem Artikel als der Überwinder des Kommunismus gefeiert wird, als einer der wichtigsten, habe nun so die kommunistische Ideologie kritisiert: „Johannes Paul ii schreibt,dass der Kommunismus >den einzelnen Menschen lediglich als ein Instrument und Molekül des gesellschaftlichen Organismus (sieht),so dass das Wohl des einzelnen dem Ablauf des wirtschaftlich-gesellschaftlichen Mechanismus vällig untergeordnet wird;gleichzeitig ist man der Meinung,dass eben dieses Wohl unabhängig von freier Entscheidung und ohne eine ganz persönliche und unübertragbare Verantwortung gegenüber dem Guten verwirklicht werden könnte.“3
Aber diese Argumentation wirkt nun in sich konfus. Die Ideologie des Organismus, antipersonalistisch ausgerichtet, denkt die Gesellschaft in einer Analogie zum menschlichen Körper, daß jedes Glied in ihm eine Aufgabe habe, die es zu erfüllen habe und daß nur so der Körper als Ganzes leben könne. Paulus denkt so die Kirche und von daher wurde dies organologische Denken dann auch auf den Gesellschaftskörper übertragen. Die Wohlgeordnetheit des Kosmos korreliert im Mikrokosmos mit der des Menschen und dann auch mit der der Gesellschaft als Makrokosmos. Der antiplatonische und antihegelianische Philosoph Popper ist das das Denken der Feinde der offenen liberalen Gesellschaft.
Aber dies organologische Denken paßt nun gar nicht zur kommunistischen Ideologie, für die der Klassenkampf, der antagonistische Charakter der Gesellschaft das Bestimmende ist und wird so von dieser Ideologie als eine reaktionäre Täuschung über den antagonistischen Charakter der Gesellschaft kritisiert auf das Allerheftigste. Mechanisch ist das organologische Denken nun überhaupt nicht, denn für dies Denken sind die Beziehungen der Teile zum Ganzen natürlich-biologistisch gedacht.Das soll die Alternative sein zu allen Vertragskonstruktionen des personlistischen Denkens, daß zuerst Einzelmenschen existieren, die sich dann sekundär durch Vertragsbeziehungen vergesellschaften. Die elementarste ist dabei das Geschäft des Kaufens und Verkaufens. Gegen diese Künstlichkeit der zwischenmenschlichen Beziehungen setzt das organologische Denken die Natürlichkeit der Beziehungen der Glieder zum Gesamtkörper.
Aber das soll nun eine Kritik der kommunistischen Ideologie sein, ist aber faktisch nur ein Credo des Liberalismus. Der Mensch solle nun aber kein „Rad im Getriebe“ sein.4 Der Text suggeriert nun, daß nach dem Urteil dieses Papstes nur die Marktwirtschaftsordnung die Alternative sei, in der allein der Personalität des Menschen, daß er frei, autonom, selbstverantwortlich Entscheidungen zu treffen habe, gerecht würde.5 Aber so ist nun zu fragen, nicht diese Ordnung die der völligen Subordination des Menschen unter den Primat der Ökonomie? In dieser Ordnung fungiert der Mensch nur noch als ein Warenproduzent und als ein Warenkonsument und er muß sich selbst als eine auf dem Arbeitsmarkt sich anzubieten habende Ware zu begreifen.Was er wie konsumieren will, wie er auf dem Arbeitsmarkt eine ihm genehme Anstellung findet.das sind dann seine freien autonomen Entscheidungen. Ob er dann noch heiraten will, eine Familie gar gründen will, hängt dann eben von seinem Erfolg im Berufsleben ab. In erster Linie ist er eben eine Funktion der Ökonomie. Seine Freiheit ist dann die des Konsumierens, die aber von der Fülle seines Geldbeutels als seine Hndlungsfreiheit limitiert wird.
Was
bedeutet das für die Ordnung der Geschlechter?
Das
Urgestein des Feminismus, Simone de Beauvoir bringt diese Erkenntnis
auf den Punkt: „Keine Frau sollte berechtigt sein, zu Hause zu
bleiben und ihre Kinder zu erziehen. Die Gesellschaft sollte anders
sein. Frauen sollten diese Wahl nicht haben, gerade weil, wenn es
eine solche Wahl gibt, zu viele Frauen diese Wahl treffen werden.“6
Also aus der Sicht dieser Feministin würden zu viele
Frauen, wenn sie
ihr Leben selbst frei bestimmen könnten, das Falsche wählen: Sie
würden nämlich das Leben als einer Familienmutter einem Berufsleben
gegenüber bevorzugen.
Also muß dafür gesorgt werden, daß die Gehälter der Familienväter so niedrig sind, daß die Frau „mitarbeiten“ muß, möglichst schon 40 Stunden pro Woche, wenn die Kinder noch unter 3 Jahren sind.
Was bedeutet das für die Ordnung der Völker und ihren Nationalstaaten? Sie sollen aufgelöst werden für den globalisierten Weltmarkt. Es soll eben nur noch atomisíerte Individuen geben, die ihre Sozialbeziehungen nur noch frei vertraglich regeln.Die Migrationsbewegungen stellen faktisch eine Nomadisierung einst seßhafter Menschen dar.
Aber dieser Text hat auch die Zeichen der Zeit erkannt, daß es dem gemeinen Volk zu gut gehe: Man müsse schon mal zum Verzichten bereit sein7 und auch mal unbezahlte Überstunden leisten.8
Somit
endet dieser Personalismus einfach in der Ökonomisierung des
Menschen,daß er nur noch eine Funktion für die Ökonomie sein soll. Und das soll seine Würde sein!
1„Der Fels“ 12/2025, S.344f.
2A,a.O. S.344. Dies Zitat konnte ich aber weder in der Schrift: „Lborem excercens“ noch in „Sollicitudo rei socialis“ verifizieren, aber beide Texte liegen mir nur verkürzt vor.
3A.a,O. S.344. Auch dieses Zitat konnte ich nicht verifizieren.
4A,s.O- S.344.
5Es ist bezeichnend, daß alle kapitalismuskritisvhen Aussagen der zwei Texte: Laborem exerrcens“ und „Sollicitudo rei socialis“ nicht erwähnt werden.
6Tagesspiegel, 8.3.2025: Männer sind anders.
7Fobes, S.344.
8AaO. S.345.
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