Unzeitgemäßes aus der Angebotspalette der Kirche streichen?
Für ein Kleidergeschäft ist es eine selbstverständliche Praxis, die Wintermäntel, wenn der Frühling droht, abverkaufen zu lassen, die Lager zu räumen für die neue Frühjahrskollektionen. Der evangelische Theologe Paul Tillich kam auf eine ähnliche Idee: Da der Mensch nicht zu allen Zeiten die gleichen existentiellen Fragen stelle, sei stets auf das Neue die aktuelle Frage zu eruieren, um daraufhin das kirchlich-theologische Angebot auszurichten. So hätte der Mensch einst gefragt, wie er aus seinem Todesschicksal errettet werden könne, dann, als diese Frage obsolet geworden war danach, wie er einen gnädigen Gott bekommen könne und der moderne Mensch früge stattdessen nach dem Sinn seines Lebens.
So könnte es sich ereignen, daß gelehrte und verkündigte Wahrheiten das Schicksal eines Wintermantels erleiden, den wer im Hochsommer zu verkaufen versucht. Nur läßt sich die aktuelle Nachfrage der potentiellen Kunden nicht so leicht analysieren wie das in den Bekleidungsgeschäften üblich ist, wo eben die Wintermode dem Frühling weichen muß.
Eine scheinbar beliebte Version der Nachfrageanalyse ist nun die Konstuktion des Bewußtseins des modernen Menschen: „So denke der!“, um dann alles diesem modernen Bewußtsein Unpassende aus der Angebotspalette der Kirche zu streichen. Man darf wohl den Exegeten Rudolf Bultmann mit seiner Parole der Entmythologisierung als einen der wirkmächtigsten Vertreter dieser Streichungskonzeption ansehen: Dem modernen Menschen sei eben das mythologische Weltbild der Zeit Jesu, dem auch er selbst verhaftet war, nicht zumutbar. Ein neues Wahrheitsverständnis,das marktwirtschaftliche setzt sich damit durch: Die Wahrheit einer Ware ist ihre Verkaufbarkeit, wie gut sie bei der Kundschaft ankommt.
Engel und Daimonen seien so nicht mehr zumutbar und sind so aus dem kirchlichen Vokabular zu streichen. Josephs Gewissen sagte so ihm, seine ihm untreu gewesene Verlobte nicht zu verlassen und Engel seien sowieso nur von Gott beauftragte Menschen. Die Daimonen sind auch leicht entmythologisierbar, sind sie doch nur die bösen Neigungen in uns Menschen. Nicht verführe uns der Teufel, sondern nur unsere widermoralischen Gelüste. So erschuf sich der Modernismus eine Engel und Daimonen lose freie Kirche. Für solche Phantasie- und Horrorgestalten bestünde eben beim modernen Menschen kein Bedarf.
Aber wenn man nun auf einen beliebigen Friedhof Deutschlands schaut und das nicht nur im katholischeren Süddeutschland sieht man überall Legionen von Engeln, die Gräber zierend. Würden Archälogen in ein paar Jahrhunderten die praktizierte religiöse Frömmigkeit unserer Zeit rekonstruieren, stießen sie auf ein befremdliches Phänomen: Der theologische Diskurs hat nicht nur vom Teufel sondern ebenso von den Engeln Abschied genommen, während der Engelglaube im Volke sehr lebendig gewesen sein müßte. Wie ist es nun erkärbar, daß eine Kirche, die so sehr sich bemüht, kundenorientierte Angebote anzubieten, hier so arg am Kunden vorbei agiert?
Und die Welt der Daimonen ist in der trivialen Unterhaltungsliteratur so lebendig. Da revitalisiert sich alles, was aus der Kirche um der Zeitgeistgemäßheit willen exkommuniziert worden ist.1
Ein geradezu daimonisches Schreckgespenst spukt nun in den linksliberalen Kirchenkreisen und den ihr angeschlossenen Medien: Antiaufklärerische, conservative, traditionalistische, evangelikale Konzepte sind erfolgreich, ziehen auch noch junge Menschen an, während die linksliberalen Konzepte nur leere Kirchen als Erfolge aufweisen können. Getreu der Maxime, daß der Angriff die beste Verteidigung sei, wird nun alles Nichtlinksliberale so arg verteufelt, daß sich dem Beobachter die Frage stellt: Wirken denn nun doch daimonische Kräfte, um isb junge Menschen von dem Tugendpfad der Kirchenkritik und Religionskritik wegzuverführen.Da soll es Verführte geben, die so verirrt sind, daß sie eucharistische Anbetungen dem Kampf um die Rechte der LGBTQ- Klientel gegenüber bevorzugen!
Auf den Punkt gebracht: Der postmoderne Mensch entspricht nicht dem normativen Bild des modernen religions- und kirchenkritischen aufgeklärtem Menschen. Darum muß er bekämpft werden. Es erweist sich dabei die Vorstellung, daß dem modernen Menschen nur eine moderne Religiösität zumutbar sei, als ein Mythos. Aber an den glaubt der linksliberale Katholizismus und bekämpft so alles ihm Widersprechende.Das, was unzeitgmäß sein soll, ist so nur dann unzeitgemäß, wenn dem Mythos vom modern aufgeklärtem Bewußtsein geglaubt wird, dem nichts Übernatürliches zumutbar sei.
Ein sehr liebliches Beispiel möge dies veranschaulichen. Was ist für das Gelingen einer Ehe wichtig? Darauf gibt es viele kluge Antworten, aber wie erklärt sich diese, daß der Braut etwas Blaues, etwas Altes, erwas Neues und etwas Geliehenes zu schenken sei? Selbst seriöse Eventfirmen raten in ihrem Hochzeitsservice dazu. Das dürfte es in aufgeklärten Zeiten einfach nicht geben,aber daa das gibt es doch, denn die Erde dreht sich wider alle Dogmatik!
1Man schaue mal auf die bekannte Horrorliteratur, von Edgar Allen Poe bis H.P. Lovecraft, aber auch auf die romantische Literatur, etwa E,T, A. Hoffmanns „Elixiere des Teufels“ bis zu den Erfolgsserien: Professot Zamora und Sinclair. Die Romantik ähnelt den Anliegen der Postmoderne in uhren aufklärungskritischen Intentionen.
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