Ein vergessener Begriff: das Buch des Lebens
Der Apostelfürst Paulus erwähnt dies Buch fast beiläufig und doch ist es für seine Theologie höchst relevant: Er schreibt im Philipperbrief von seinen Mitarbeitern: „Ihre Namen stehen im Buch des Lebens.“ (4,3)Der Autor dieses Buches ist Gott, der die Namen derer dahinein geschrieben hat, die zum ewigen Leben bestimmt sind. Der Genitiv „des Lebens“ bedeutet hier: für das (ewige) Leben.
In der Betrachtung: „Von den Geboten Gottes“ in dem Gebetsbuch: „Maria, meine Zuflucht und mein Trost“1heißt es nun dazu: „Alle auch,die diese (die Gebote Gottes) beobachten,schrieb er (das ist Gott) in das Buch seiner Auserwählten.“Diese Aussage könnte nun einen aufmerksamen Leser irritieren, assoziiert man doch mit dem Begriff des Auserwählens Gottes und dem der Auserählten die Vorstellung eines Dekretes Gottes, daß er von Ewigkeit her Menschen zum ewigen Leben bestimmt hat und daß er die dann auch zu ihrem Endziel führt. Das Buch steht dabei in seinem Geschriebensein für etwas Festes und Beständiges, nicht wie das ausgesprochene Wort für etwas Vergängliches. Dessen Namen in diesem Buche stehen, deren Name steht da festgeschrieben.
Diese Vorstellung nötigt jeden Mitdenkenden zu einem ganzen Komplex von Fragen: Hat also Gott von Ewigkeit her entschieden, wer in das ewige Leben eingehen werden wird und wer somit nicht? Hieße das dann nicht, daß die Weise, wie wir Menschen nun auf Erden unser Leben führen würden, gleichgültig ist, da der hinreichende Grund unseres Heiles unser Eingeschriebensein in das Buch des Lebens sei? Oder sollen wir uns das so denken, daß Gott selbst dafür sorgt, daß die von ihm Erwählten dann auch so leben, daß sie mit dem ewigen Leben belohnt werden? Auch wenn man dieses in der heutigen Kirche nicht mehr zu hören bekommt: Jesu Lehre vom richtigen Leben ist eine reine Lohnlehre: Gott belohnt und er bestraft.
Diese Betrachtung von den Geboten Gottes besagt nun etwas anderes: Gott sieht,ob wer die Gebote Gottes hält und schreibt dann den in das Buch des Lebens, der sie hält. Der Apostel Paulus denkt ebenso dualistisch: Es gibt für ihn Christen, die als „Feinde des Kreuzes Christi“ leben, deren Ende das des Verderbens ist, (Philipper, 3,17) Diese dächten nur Irrdisches, die anderen Christen aber richteten sich auf das Himmlische aus. Der Antithese von denen, die dem Gesetz Gottes gehorchen und denen,die denen nicht gehorchen korreliert bei Paulus die Antithese von den irrdisch und den himmlich ausgerichteten Menschen. Die himmlisch Ausgerichteten, die schreibt Gott in das Buch des Lebens oder sind die im Buch des Lebens Eingeschriebenen auf das Himmlische ausgerichtet Lebende, weil sie dazu mvon Ewigkeit her von Gott her erwählt worden sind?
Wer diese Frage wirklich sich zu beantworten traut, müßte aber sich eine Rechenschaft darüber abgeben, was denn dann unter der Ewigkeit verstanden wird und das ist eine der schwersten Fragen der Philosophie wie auch der Theologie. Auf die sehr gediegene Problemexponierung dieser Frage in dem Buch: „Das wahre Antlitz Gottes“ von Armin Kreiner möchte ich hier verweisen, Es wird zwischen dem eternalistischen und dem temporalistischen Ewigkeitsverständnis unterschieden, ob die Ewigkeit die Zeitlosigkeit bedeutet oder eine ewig währende, verlaufende Zeit.
Statt nun diese sehr gediegene Problemexponierung nachzuzeichnen, wähle ich einen kleinen Umweg, um einer Antwort näher zu kommen. Der beliebteste Einwand gegen die Lehre von Gottes Allmacht ist diese Frage: Wenn Gott als allmächtig zu denken sei, dann müsse er einen Stein erschaffen können, der so schwer sei, daß er ihn dann nicht mehr heben könne. Das Dilemma ist offensichtlich: Wenn Gott einen solchen Stein nicht erschaffen kann, dann ist er nicht allmächtig, wenn er ihn aber erschaffen hat, dann ist er nicht allmächtig, weil er ihn nicht heben kann.
Man kann nun dies Problem abstrakter so formulieren: Wenn der allmächtige Gott sich eine Grenze setzen kann, wird er dann seiner Allmacht verlustig,weil er dann diese von ihm gesetzte Grenze nicht mehr aufheben kann? Die Antwortet lautet: Gott ist nur dann als allmächtig gedacht, wenn a) von ihm ausgesagt wird, daß er sich eine Grenze setzen kann und daß er b) dann diese Grenze aufheben kann, denn sonst geriete seine Allmacht in einen Selbstwiderspruch.
Nun soll dieser Gedankengang auf das Buch des Lebens übertragen werden. Wenn Gott Menschen erwählt zum Heile, er sie in das Buch des Lebens einschreibt, dann setzt er sich damit eine Grenze,weil es Menschen gibt, deren Namen nicht in diesem Buche geschrieben stehen. Gott begrenzt seine Heilsintention. Wenn Gott aber als allmächtig zu denken ist, muß es Gott auch möglich sein, seine von ihm selbst gesetzte Grenzen aufzuheben und Namen in das Buch des Lebens einzuschreiben, die vorher nicht darin standen und Namen aus diesem Buche zu streichen. Der allmächige Gott darf eben nicht als ein Gefangener seiner eigenen Entscheidungen gedacht werden, als könnte er nun den Stein, den er so schwer geschaffen hat, daß er ihn nicht heben kann, nicht mehr heben,Gottes Allmacht ist eine, die sich Grenzen setzen kann, sich damit negiert und der dann diese Negation wieder negiert, sie also aufhebt.
Gott hat Saul zum König seines Volkes erwählt, aber er hat ihn dann auch verworfen ob Sauls Sünden. Gott hat Israel erwählt und dann ob dessen Unglauben verworfen, um sich ein neues Volk zu erwählen, das der Kirche bestehend aus Juden- und Heidenchristen.
Das zeitigt aber nun auch Folgen für das Ewigkeitsverständnis Gottes, Denkbar ist eine lebendige Beziehung Gottes nur, wenn Gott nicht nur in Hinsicht auf die Menschen agierend gedacht werden kann sondern auch reagierend. Das schließt aber ein eternalistisches Ewigkeitsverständnis aus,
In dem Gesangbuchlied: „Ihr Freunde Gottes allzugleich“ heißt es: „ Helft uns in diesem Erdental,daß wir durch Gottes Gnad und Wahl zum Himmel kommen allzumal.“ Wenn Gottes Gnadenwahl von vor aller Zeit her ewig entchieden und beschlossen worden wäre, wie könnten dann die von uns angeflehten Heiligen uns helfen, von Gott Erwählte zu werden? „Durch Gottes Gnad und Wahl“ ist hier ja instrumentel gemeint, daß wir durch Gottes Gnadenwahl zum Himmel gelangen.
Gott zu einem toten Gott zu machen, ist so eine der Versuchungen der Theologie. Gott konsequent als Allmacht zu denken stoppt diese Gefahr.
1Michael Sintzel, Maria, meine Zufluht und mein Trost, 1919,S.167.
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