Pluralismus – Konkurenz – Freund-Feind Denken: ein Orientierungsersuch
Das Klima hat sich irgendwie verändert- aber keine Sorge, es wird hier nicht über das Wetter geschrieben, sondern über die klimatischen Verhältnissen in den öffentlichen Diskursen. Augenfällig ist der inflationäre Gebrauch des Begriffes des Pluralismus. Darunter könnte nun eine Vielzahl von Meinungen zu Themen verstanden werden,wobei man nicht (mehr) eine Unterscheidung von wahr und falsch treffen kann oder will und stattdessen diese Pluralität als etwas Positives wertet.
Der Begriff der Konkurenz wird dagegen kaum noch verwendet, so zumindest nach meinem Eindruck. Denn dieser Begriff besagt ja, daß statt einer friedlichen Koexistenz vielfältigster Meinungen ein Dialog geführt wird, in dem nach der Wahrheit gesucht wird, die Pluralität also ein Übergangsstadium ist, da sich der besser begründete Meinung als Wahrheit noch nicht den anderen Meinungen gegenüber durchgesetzt hat.
Was bedeutet denn dann das Freud/Feinddenken? Der Feind, das ist der, mit dem man nicht redet und den man dann stattdessen bekämpft: „Du darfst Deine Meinung hier und jetzt nicht (mehr)sagen!“Die extremste Gestalt ist die des Tötens des Feindes, damit er nie mehr reden kann, die gemäßigtere die des Ausschlusses vom Diskurs. Anthropologisch gesehen gehört die Freund/Feind Erkennung neben dem Beuteschema: eßbar/uneßbar und dem Fortpflanzungsschema: fortpflanzngsfähig/unfähig zu der Grundausstattung des Menschen, denn diese drei sind nun mal für die Überlebensfähigkeit des Menschen notendig. Kontrovers wird dabei nun diskutiert, in wie weit diese Vermögen vererbt werden, sozusagen als eine Art Festplattenprogramme und inwieweit sie erlernt werden.
Als eine Art der kulturellen Domestikation kann die Kultur der Konkurenz rekonstruiert werden: Nicht mehr gewaltsam sondern allein kraft der besseren Argumente soll sich die eine der vielen Meinungen gegen die anderen durchsetzen, die dann als die wahre Position verstanden wird. In den Wissenschaften ist das das übliche Verfahren. Das Ja zum Pluralismus bedeutete dann das Eingesändnis, daß man nicht mehr glaubt, daß eine Meinung sich als die wahre durchsetzen kann bzw daß es gar nicht als erstrebenswert angesehen wird, die wahre Meinung zu erkennen. So heißt dann die liberale Position, daß jeder gemäß seiner Willkür leben dürfe, solange er die Willkürfreiheit des Anderen dabei nicht beeintächtige. Jeder besäße sein eigenes Kleingartenland, in dem er tuen könne, was er wolle, wenn er nur dabei den anderen Kleingartenlandbesitzer nicht störe.Diese Selbtbegrenzung verlangt nun selbst eine gewisse asketische Praxis, es zu dulden, daß der Andere all das liebt, was man selbst für inakzeptabel hält.
Damit tritt diese Haltung aber in einen Widerstreit zum moralischen Denken, das in seiner Unterscheidung von gut und böse darauf insistiert, daß Niemand das Böse tuen dürfe.
Wer den jetzigen öffentlichen Diskurs beobachtet, wird aber ein Phänomen nicht mehr übersehen können: Der Feind ist wieder da! Jetzt avanciert die Frage: „Mit wem darf ich nicht reden?“ zur wichtigsten. Die Kontaktschuld besteht darin, mit Peronen oder Gruppen einen Kontakt zu haben oder gehabt zu haben, mit denen man nicht reden darf. Aber die Feindschaft geht noch weiter: Man müsse auch verhindern, daß der Feind reden darf. Die einfachste Methode ist die des Niederbrüllens: Man kann so nicht mehr hören, was der Feind sagt indem man verhindert, daß der Feind sich Gehör verschafft.
Der Feind tritt nun unter verschiedenen Masken auf, soll aber immer nur einer sein. Die Reduzierung auf einen Feind ist propagandistisch effektiver als eine Verzettelung auf viele zu bekämpfende. So korreliert der außenpolitische Feind, Rußland. China, die USA unter Trump und neuerdings Israel mit dem innenpolitischen, der AfD und allem. Was irgendwie rechts ist: Es ist der Feind des Pluralismus. Das Feindbild im theologischen Diskurs, der Fundamentalist, der Traditionalist etc paßt dazu.
Wer mit solchen redet, mit dem darf kein Anständiger mehr reden. Wenn man den Feind verbieten und zum Verschwinden bringen könnte, wäre die Welt wieder in Ordnung.
Erklärungsbedürftig ist nun die Frage, warum jetzt der Feind eine solche Revitalisierung erfährt. Meine These dazu ist: Die postmodernen Gesellschaften sind so verpluralisiert, daß die einzige Gemeinsamkeit nur noch eine politische sein kann, die der Proklamation des einen Feindes, den alle zu bekämpfen haben.
Die Feindschaft ist nun aber gerade etwas Emotionales: Endlich darf der Bürger wieder hassen, seine Kultiviertheit sich entledigend. Die Bürgerlichkeit verlangt von jedem ein beachtliches Maß an Affektbeherrschung, ist also eine Selbstbeherrschungskultur. Dank des Feindes darf der Bürger nun diese als eine Zwangsjacke empfundende Kultur punktuell abwerfen, um wieder ganz archaisch hassen zu dürfen. Dazu wird der Feind daimonisiert, ja sogar zum Ermorden des Feindes aufgerufen, Tötet AfDler, tötet Nazis, ganz X haßt euch!, gehört inzwischen zu den gängigen Antirechtskampfparolen.
Hauptsache, wir reden darüber und jeder soll dabei gehört werden, und keiner dürfe ausgegrenzt werden, so wurde eine zeitlang Habermas Kommunikationstheorie rezipiert und gefeiert, Jetzt heißt es: Rede nicht mit dem Feind!So gab es einst die Ökumene, jetzt redet kein Mann der Kirche mehr mit einem Vertreter der Russisch-Orthodoxen Kirche, einst gab es die Entspannunspolitik. jetzt gilt jeder Aufenthalt in Rußland schon als ein Verrat an die westliche Freiheit. Aber auch israelische Künstler und Wissenschaftler werden ausgeladen, weil sie als Juden diskriminiert werden: Die brächten ja die Palästinenser um!
1.Zusatz
Die Ideologie des Pluralismus lebt einerseits von einem erkenntnistheoretischen Skeptizismus und dem Willen, die Wahrheit nicht erkennen zu wollen, weil so der Mensch willkürlich leben kann.
2.Zusatz
Zum Feindbild Rußland
Otto von Bismarck: " Wenn Preußen und Rußland in einem Bündnis zusamenstanden, ging es beiden Ländern gut und Europa.Wenn irgendwelche Kräfte aus dieser Welt es geschafft haben,daß beide Länder in Konfrontation gegeneinander gestanden haben, war es eine Katastrophe für beide Länder und Europa."
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