Den Staat denken-
eine theologische Nachbetrachtung zu
der exegetischen Kontroverse zwischen Prosinger und Amselgruber
Theologisches 5/6 2011
Worum geht es? Um eine
Frage: ist es theologisch legitim, daß die Kirche mit dem Staate so
kooperiert, daß die Kirche christliche Anliegen durch diese
Kooperation versucht zu realisieren. Prosinger resümiert seine
exegetische Studie: „Behauptet Röm 13, 1-7 eine besondere
göttliche Vollnacht staatlicher Autirität?“ mit dem Urteil:
„Insofern wäre des destruktiv und diabolisch, wenn sich die Kirche
eines weltlichen Armes bediente.“1
Die Kirche dürfe auf keinem Fall um ihrer Anliegen willen sich des
Staates bedienen,mit ihm kooperieren!2
Ideengeschichtlich betrachtet, kann die Konstantinische Epoche,
von Kaiser Konstantin bis Kaiser Wilhelm II , auch als Thron- und
Altarbündnis bezeichnet, als das Experiment der Indienstnahme des
Staates durch Kirche betrachtet werden mit dem Ziel der
Verchristlichung der Welt. Ist die Welt verchristlicht oder die
Kirche verstaatlicht worden?, diese kritische Anfrage, reduziert die
Kritik dieses Experimentes auf die seines Erfolges aus Sicht der
Kirche. Fundamental dagegen ist die Kritik, die Prosinger exegetisch
fundiert anmeldet, daß dies Experiment a priori – unabhängig vom
Erfolg- theologisch geurteilt, illegitim gewesen sei. Es drängt sich
dann die Zusatzfrage auf, ob die heutige nachkonstantinische
Kooperation von Kirche und Staat zu legitimieren ist: von den
Kruzifixen in den Schulen bis zu den theologischen Fakultäten an
staatlichem Universitäten.
Um diese Frage zu
beantworten, müssen wir wissen, was der Staat ist. Das meint nicht,
die Mannigfaltigkeit der Erscheinungsformen des Staates zu betrachten
und zu systematisieren, etwa nach dem Schema: Monarchie, Herrschaft
des Einen, Aristokratie, Herrschaft der Wenigen, Demokratie,
Herrschaft der Vielen , sondern zu fragen nach der Substanz, dem
Wesen des Staatsseins, das in all den Erscheinungsformen des
Staatsseins dem Staat als Staat konstituiert. Es geht um die
ontologische Wahrheit des Staates- es wird nach der Idee des Staates
gefragt: wahr ist der Staat, wenn er übereinstimmt mit seiner Idee
in Gott. Eine theologische Staatslehre und so auch Paulus fragt nach
dieser Idee des Staates, die er auch als Substanz des römischen
Staates präsumiert. In ontologischer Hinsicht kann gesagt werden,
daß alles, was ist, eine individuierte Realisierung einer
präexistenten Idee in Gott ist.
Eine der ersten, aber
nicht die einzige Quelle zur Beantwortung dieser Frage ist für uns
Katholiken die Heilige Schrift. Die Kontroverse fokussiert sich dabei
auf Paulus Staatslehre im Römerbrief und den Aussagen des
Johannesevangeliums. Der fundiert geführten exegetisch geführten
Debatte soll nun nicht eine weitere historisch kritische Exegese
hinzugefügt werden, sondern es soll der Versuch einer systematisch
theologischen Erwägung zur Erbringung einer theologischen
Staatslehre gewagt werden.
Das Kreuz Christi bildet
das Zentrum des christlichen Glaubens. Die Akteure dieses
Heilsgeschehens sind Gott, sein Sohn, und als Institutionen die
Synagoge (die Kirche) in der Gestalt des Hohen Priesters Kaiphas und
des Staates in der Gestalt von Pontius Pilatus. Kaiphas und Pilatus
agieren hier nicht als Privatpersonen, sondern als Amtsinhaber
agieren sie amtlich. So liegt es nahe, das Wesen des Staates, wie
auch das Wesen des Priestertumes aus dem amtlichen Agieren dieser
beiden Amtsleute zu ergründen, gerade weil beide Institutionen hier
aufs innigste in das Heilsgeschehen involviert sind. Der Hohepriester
Kaiphas erweist sich als Verantwortungsethiker per excellance, indem
er, um Unheil vom ganzen Volk abzuwenden, die Tötung Jesu in Kauf
nimmt, ja billigt:Einen töten, damit viele das Leben behalten werden
(Joh 11,45-53). Darin manifestiert sich ein Wesenszug des
Priesterlichen: etwas zu opfern, um des Heiles von Menschen willen.
Aber hier soll Theologie
getrieben werden und nicht ein verantwortungsethisches Tun diskutiert
und kritisiert werden. Theologisch denken heißt, dieses Ereignis,
daß Kaiphas Jesus auslieferte zur Kreuzigung durch den Staat in
Hinsicht auf Gott zu diskutieren. Wo war Gott, als der Priesterrat
die Auslieferung Jesu zwecks seiner Hinrichtung beschloß auf das
Votum des Hohenpriesters hin. Die Antwort, die uns die Hl. Schrift
gibt, ist eindeutig: Gott war mit dem Hohenpriester. Gottes eigener
Wille war es, daß der Eine sterbe, damit die Vielen das Leben haben.
In seiner Amtshandlung der Auslieferung Jesu an den römischen Staat
erfüllte dieser Priester Gottes ureigensten Willen. Man kann
urteilen, daß in dieser Tat das Priestertum des Alten Bundes seine
Erfüllung fand, weil in dem Kreuzaltaropfer Christi alle Opfer des
Alten Bundes ihre Erfüllung finden.
Aber warum wirkt der
Staat in der Gestalt des Pontius Pilatus mit? Oberflächlich
historizistisch Denkende mögen hierin nur eine geschichtlich
bedingte Zufälligkeit sehen, vielleicht einfach der Tatsache
verschuldet, daß den Juden, beherrscht von den Römern die
staatliche Souveränität und damit auch das Recht zur Durchführung
von Todesurteilen entzogen war. Aber, hätte Jesus dann nicht auch
wie der erste christliche Märtyrer, der hl. Stephanus gesteinigt
werden können auf Initiative der jüdischen Gegner Jesu?
Fragen wir präziser: Wer
wird da am Kreuz um unseres Heiles willen gemäß Gottes Willen
getötet?
Der Sohn Gottes selbst!
Pilatus weiß nicht, was er tut. Er glaubt, als Repräsentant des
Staates die Macht, die Entscheidungsgewalt über diesen Deliquenten
zu haben, wie der Staat sie über jeden Menschen hat, der im
Römischem Imperium lebt. Jesus klärt ihn und damit den Staat auf.
Der Staat hätte keine Macht über ihn, wenn ihm diese Macht nicht
von Gott gegeben worden wäre. Diese jesuanische Aussage ist nun
offenkundig vielschichtig, wie die Aussage Jesu zu seinem
Lieblingsjünger: siehe deine Mutter! es auch ist. (Joh. 19, 25-27)
Maria wird so zu der Mutter dieses Jüngers, aber auch zur Mutter
aller Jünger. „Deine Mutter“ ist keine exklusive, sondern eine
inklusive Aussage.
Zuerst belehrt Jesus
Pilatus darüber, daß er in diesem konkreten Falle die Macht über
Jesus, ihn zu töten oder auch freizusprechen nur hat, weil sie ihm
jetzt von Gott gegeben ist. (Joh 19,1-16a). Darüberhinaus macht
Jesus aber damit auch eine prinzipielle Aussage über die
Staatsgewalt: das Recht, ein Todesurteil auszusprechen, kann der
Staat nur von Gott haben. Denn Gott ist der Herr über alles Leben
und ein anderes Herrsein über Leben und Tod, dem Recht, ein
Todesurteil zu sprechen, kann es als legitimes Recht nur geben, wenn
dieses Recht ein von Gott gegebenes Recht ist.
Aber es darf nun nicht
der eigentliche Skandalon dieser Stelle überlesen werden. Der Staat
erhält von Gott selbst hier die Vollmacht, Gottes eigenen Sohn zu
töten. Im konkreten Fall der Kreuzigung Jesu meint dies, daß Gott
selbst aktual die Kreuzigung Christi vollzieht, den Menschen könnten
auf sich allein gestellt den Gottessohn nicht töten. So erhält
hier diese von Gott gegebene Vollmacht auch diese außerordentliche
Bedeutung.
Die Tötung und
Kreuzigung Jesu war Gottes Heilswille. Darum wurde diese Kreuzigung
von der Institution vollzogen, die von Gott her mit dem Recht zur
Todesstrafe ausgezeichnet worden ist. Dieses Recht besaß nicht der
Hohepriester und schon gar nicht eine aufgebrachte Volksmasse, wie
sie Stephanus steinigten. Jesus selbst bejaht diese staatliche
Vollmacht. Werfen wir einen kurzen Blick auf die dramatische Szene
der Kreuzigung. Der reuige Sünder bekennt, daß er rechtens zu Tode
verurteilt worden ist. Um dieses Sündenbekenntnisses willen verheißt
Jesus ihm dann den Eintritt in das ewige Leben. Aber diese Verheißung
impliziert, daß der Sünder nun wirklich den Kreuzigungstod als
gerechte Strafe durch den Staat erleidet und so nach der Abbüßung
der Strafe zum ewigen Leben berufen wird. In dieser Verheißung
bejaht Jesus also selbst den Staat als die Institution, durch die
göttliche Gerechtigkeit sich realisiert: der Sünder wird bestraft.
Ist hier der römische
Staat in der Person des Pilatus oder das jüdische Priestertum im der
Gestalt des Hohenpriesters schuldig geworden? Spricht Jesus nicht von
einer größeren Schuld bei dem, der Jesus übergeben hat? (Joh,
19,11)? Diese Frage ist schwer auslotbar: Kann ein Mensch, wenn er
gemäß Gottes Willen handelt, schuldig handeln? Spontan wird man
dies verneinen, um so den Hohepriester und den Staatsmann frei
sprechen von der Schuld. Sie taten ja das, was Gott wollte: daß der
Sohn sterbe zugunsten der Sünder. Anders verhielte es sich, würde
distinguiert werden zwischen heiligem und moralischem Tun. Wenn
Abraham seinen einzigen Sohn als Opfer auf den Altar legte (Jakobus
2,21), dann war dies ein heiliges aber kein moralisches Werk.Ja
seinen eigenen zu opfern bereit zu sein, ist eine unbestreitbar
unmoralische Handlung. Damit stoßen wir vor in die tiefsten Abgründe
des Staats- und Priesterseins. Was für Privatpersonen unmoralisch
ist, ist für diese Amtspersonen heilige Pflicht: zu töten um des
Lebens willen. Der Priester bringt blutige Opfer dar,der Staat
regiert mit dem Schwert, das so oft blutgetränkt nach dem Dienst
erst in die Schwertscheide zurückgestellt wird. Was für das rein
moralische Empfinden die Institution des Staates und des Priesters
zutiefst problematisch werden läßt, ihre Nähe zum Tode, zum Dienst
am Leben durch das Töten, das macht gerade ihren heiligen Charakter
aus. Aber die Moral urteilt nicht völlig verkehrt, wenn sie hier von
Schuld spricht. Der Soldat, auch wenn er in einem gerechten Krieg
tötet, tötet Menschen und jedes Töten von Menschen ist etwas
Unmoralisches, auch wenn es die Amtspflicht verlangt.In diesem Sinne
sind rein moralisch gesehen der Hohepriester und der Staatsmann
schuldig geworden, indem sie taten, was zu tun war. Preußisch derb
ausgedrückt: unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit! Darin drückt
sich der tragische Charakter des staatlichen wie auch des
priesterlichen Amtes aus, sofern es blutige Opfer darbringt, ja gar
Menschenopfer: sie müssen etwas tun, was der Moral widerspricht und
müssen es doch um des Lebens willen tun. Das gibt dem Staate seinen
eigentümlich problematischen Charakter- es ist so auch kein Zufall,
daß solange es den Staat gibt, dieser immer wieder auch die
Sehnsucht nach einer staatslosen Gesellschaft evoziert als Sehnsucht
nach einem gewaltfreien Leben. Die Institutionen des Staates und des
Priestertumes widersprechen aber dieser Utopie der Gewaltfreiheit,
indem sie die Lebensnotwendigkeit der Gewaltausübung anzeigen im
Schwertgebrauch und im kultischen Opfer, das auch und gerade als
unblutiges das Blutopfer Christi vergegenwärtigt.
Im Kreuze Christi
offenbart sich so das Wesen des Staates, aber auch das Wesen des
Priestertumes. Beide Institutionen sind in Hinsicht auf das Heil der
Menschen von Gott gesetzt: daß Priestertum und Staat sein sollen.
Und das meint erstmal in nüchternster Prosaik: Vollmacht zum Opfer
und Vollmacht der Staatsgewalt zur Todesstrafe. Diese Vollmacht ist
aber keine selbstzweckliche sondern eine im Dienste des Lebens. Somit
erhellt sich uns nun auch Paulus metaphysische Staatslehre, entfaltet
im Römerbrief: Der Staat ist von Gott gesetzte Ordnung zur
Bestrafung und zur Belohnung als Schwertgewalt. So dient der Staat
der Gerechtigkeit. Das bezeugt auch die Weisheit Salomos, wenn sie zu
den Regierenden sagt: „ Der Herr hat euch die Gewalt gegeben, der
Höchste die Herrschaft.“ 6,3 und 6,4: „Ihr seid Diener seines
Reiches.“ Sie sollen Gott dienen durch gerechte Urteile.
Paulus Staatslehre und
die Kreuzigung Jesu im Lichte des Johannesevangeliums legen sich
wechselseitig aus: Um der Gerechtigkeit Gottes willen straft Gott
durch den Staat den, der alle Sünde auf sich genommen hat. Darin
offenbart sich die Zuordnung des Staates zur göttlichen
Gerechtigkeit. Um der Gerechtigkeit willen, um zu strafen und zu
belohnen, führt der Staat das Schwert und ist so eine göttliche
Institution: sie ist von Gott gewollt und von ihm mit der
Schwertvollmacht ausgestattet. Erst im Lichte des Kreuzes, wie hier
der Staat in der Gestalt Pontius Pilatus der Gerechtigkeit Gottes
dient, wird offenbar, daß der Staat wirklich eine Institution
göttlichen Willens ist. Gott regiert nicht unmittelbar sondern er
regiert die Welt durch eine Indienstnahme der Zweitursachen, die
gemäß ihrer besonderen Natur mitwirken: sie wirken freiwillig mit.
Der Hohepriester hätte Jesus nicht dem Staate ausliefern müssen,
Pilatus hätte Jesus gegen den jüdischen Volkswillen freilassen
können. Gott beraubt den Kooperatoren nicht ihres freien Willens.
Gerade um dieser Indienstnahme des römischen Staates für die
göttliche Gerechtigkeit darf in keinem Falle der Staat bloß ein
weltlich mehr oder weniger geschichtlich kontingent bedingtes Etwas
angesehen werden: Gott will, daß er ist. Sprüche 8,15f: „Durch
mich regieren die Könige und entscheiden die Machthaber, wie es
Recht ist; durch mich versehen die Herrscher ihr Amt, die Vornehmen
und alle Verwalter des Rechtes.“ Die paulinische Aussage, „Denn
es gibt keine staatliche Gewalt, die nicht von Gott stammt; jede ist
von Gott eingesetzt.“ Röm 13,1, steht so in dieser weisheitlichen
Tradition der Staaatslehre, aber sie erhält ihre tiefste
Verifikation im Kreuzesgeschehen, indem Gott den Staat für sein
Heilswerk einsetzt.
Die Erscheinungsformen
des Priestertumes wie die des Staates sind im Laufe der Geschichte
mannigfaltig. Aus theologischer Sicht darf aber geurteilt werden, daß
sich das Wesen des Priestertumes wie das des Staates in dem
Heilsereignis des Kreuzes offenbart hat. Von daher fällt dann das
Licht auf die besondere Geschichte des Volkes Israel mit seinem
Staats- und Priestertum. Das Werturteil über die Könige Israels
gründet sich in der Beurteilung ihrer Haltung zu Gottes Gesetz.
Mißerfolge und politische Niederlagen werden als Folge religiösem
Ungehorsames des Königes, des Staates angesehen. Der Anfang des
Niederganges Israels ist Folge der multikulturellen Religionspolitik
Salomos: er baute für jede seiner Frauen einen Tempel gemäß ihrer
Religion. Diesen Abfall von der Monolatrie., daß Israel nur Jahwe zu
verehren habe, bestrafte dann Gott mit der Zweiteilung des jüdischen
Staates. Daß ein König unter Absehnung der Religion gut und
erfolgreich regieren könne, ist für die jüdische Geschichte
unvorstellbar. Ein Staat, der sich nicht mehr als im Dienste Gottes
versteht, ist so ein pervertierter Staat. Und somit ist der
Zentralaussage der Bulle: „Unam sanctam“ nur zuzustimmen. Aber
auch der römische Staat, indem er einfach nur die Schwertgewalt zur
Strafe ausübt, bleibt ein Diener Gottes, so sehr auch Pilatus das
Wesen des Staates, den er selbst repräsentiert, nicht begreift. Wo
Pilatus eine autonome Staatsmacht wähnt,ist sie realiter eine
Dienstordnung Gottes, durch die Gott regiert.
Wenn die Kirche in der
konstantinischen Epoche also eine Kooperation mit dem Staate einging,
damit durch den Staat kirchliche Anliegen realisiert werden, dann
entspricht das genau der Weise, wie auch Gott selbst die Institution
des Staates für seine Gerechtigkeit einsetzt. Diese Kooperation ist
nun nach dem Ende des 1.Weltkrieges revolutionär gegen den Willen
der Monarchien und der Kirche beendet worden. Erst jetzt siegten die
Ideale der Französischen Revolution wider das christliche Abendland.
Die Kirche mußte sich in der nachkonstantinischen Epoche neu
situieren. Das ist das Verdienst des 2. Vaticanumes: wo steht die
Kirche nach dem Ende der Konstantinischen Epoche. Sie ist jetzt nicht
mehr der Partner des Staates, der in Kooperation mit ihm die
Gesellschaft und das öffentliche Leben gestaltet, sondern sie wurde
zu einer Organisation in der Gesellschaft, die durch eine
Partizipation am öffentlichen Diskurs auch Einfluß auf das
öffentliche und staatliche Leben nimmt. In Folge dieses
Rollenwechsels änderte sich dann auch die Stellung der Kirche zur
Frage der Religionsfreiheit: jetzt wird ihr dieses Recht etwas
Positives als Schutzbestimmung gegen die Möglichkeit des Staates,
durch positives Recht Religionsgemeinschaften in seinem
Geltungsbereich die Ausübung ihrer Religion zu verbieten oder zu
behindern. Damit verzichtet die Kirche aber nicht auf das Ideal einer
engen Kooperation mit dem Staate sondern reagiert damit nur auf die
veränderte politische Lage, daß heuer eine solche Kooperation
nicht mehr möglich ist.
Wenn die Katholische
Kirche eine so lange Zeit hindurch, von Kaiser Konstantin bis Kaiser
Wilhelm II etwas praktiziert hat, das Thron-und Altarbündnis, dann
kann eine solch Praxis nicht illegitim sein, weil die Kirche immer
nur punktuell irren kann, nie aber in einer allgemeinen, sprich
katholischen Praxis, nicht weil die Kirche eine Gemeinschaft von
Gottgehorsamen wäre, sondern weil Jesus Christus das lebendige Haupt
seiner Kirche ist und sie so lenkt und steuert. Deshalb bestätigt
auch die Langwährigkeit und Verbreitetheit dieser konstantinischen
Praxis ihre theologische Legitimität. Und das wird auch nicht
dadurch in Frage gestellt, daß die Kirche ob der veränderten
politischen Lage heuer sich anders in der Gesellschaft situieren muß.
In Hinsicht auf die Frage der Verhältnisbestimmung von Kirche und
Staat muß unterschieden werden die ewigen Wahrheiten als die Lehre
vom Wesen von Kirche und Staat, daß beides von Gott gewollte
Institutionen sind, die in unterschiedlicher Weise auf das Heil der
Menschen und die Gerechtigkeit ausgerichtet sind und der
zeitgeschichtlich bedingten Frage, wie das Verhältnis der Kirche
sich zu einer bestimmten individuierten Erscheinung des Staates sich
zu gestalten hat. Die Konstantinische Epoche setzte den auf die
Kirche hören wollenden Staat voraus, einen Staat, der sich gemäß
seinem Wesen als göttliche Institution versteht. Die
postkonstantinbische Epoche kennt dagegen nur noch Staaten, die sich
legitimieren von der Idee der Volkssouveränität her und diesen sich
so mißverstehenden Staaten- ihr Selbstbewußtsein tangiert nicht ihr
metaphysisches Sein- gegenüber praktiziert die Kirche eine andere
Kirchenpolitik, die der Kooperation einer gesellschaftlich
gewichtigen Organisation mit dem Staate in einer pluralistisch
verfaßten Gesellschaft.
Uwe Lay
1Prosinger,
Behauptet Röm 13,1-7 eine besondere göttliche Vollmacht staatliche
Autorität?“, Theologisches 11/12 2009 Sp. 388.
2Prosinger,
Behauptet Röm 13,1-7 eine besondere göttliche Vollmacht
staatlicher Autorität?“, Theologisches 11/12 2009, Sp.379
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