Ein
neues Feindbild
oder
sind Traditionalisten Feinde der Demokratie?
Ein neues Schreckgespenst
geht um im theologischen Blätterwald,just wurde es in:
Theologischesgesichtet als Häresievorwurf wieder die
Traditionalisten im Allgemeinen und M. Lefebvre und die
Piusbruderschaft im Besonderen: Integralismus, das sind die Feinde
der offenen Gesellschaft, der Demokratie, so schleudert Otterbeck es
uns entgegen: „Es gibt eine Ablehnung der offenen Gesellschaft, die
man „Integralismus“ bezeichnet.“1
Und die Piusbruderschaft und isb. Marcel Lefebvre ist damit gemeint.
„Wenn Hoeres (Theologisches Sp.153) die „Piusbruderschaft“
nebenbei vom Integralismusvorwirf entlastet, so spielt ihm da seine
Vorliebe für die „alte Messe“ einen Streich. Denn die Lefebvre-
Lehre ist im Kern nicht nur Meuterei gegen Papst und Konzil, sondern
eine Mutation, Neuerungssucht.“2
Und polemisch wird uns dann das Zerrbild politischen Kleikalismus vor
Augen gemalt: „Wann agiert z.B. der Chef der Piusbrüder als
Sultan, wann als Kalif? Es sind nur virtuelle Ansprüche, die dort
erhoben werden, aber eben doch totale. Das war nie katholisch. Das
hat das Konzil klargestellt.“3
Noch polemischer fällt
der Artikel: Integralismus bei Kathpedia aus: „Vor diesem
Hintergrund wollen heutige Vertreter des Integralismus, die fast
immer politischen Ideen der extremen Rechten nahestehen, dem Papsttum
eine (nur nominelle, da an ideologischen Vorgaben namens
„Tradition“gebundene) Allzuständlichkeit für Kirche,
Gesellschaft und Politik aufdrängen, welche dieses in der Geschichte
aber so nie in Anspruch genommen hat.“4
Ein kurzer Blick in die Bulle: Unam Sanctam Papst Bonifatius
VIII hätte hier genügt, um das „nie“ zu widerlegen.Der
Untertitel dieses an Invektiven so reichen Aufsatzes von Otterbeck
bringt etwas Licht in das Dunkel dieser Polemik: „Unbedingte
Überzeugungen gefährden die Demokratie“ insofern hier Demokratie
als offene Gesellschaft, wohl in Anlehnung an Poppers Opus über die
Feinde der offenen Gesellschaft als liberale Demokratie. Lefebvre
unterscheidet ja zwischen der liberalen Demokratie als einer für den
katholischen inakzeptable politische Gesellschaftsorganisationsform
von der Idee einer mit dem Glauben kompatiblen Demokratiegestalt, in
der Jesus Christus selbst der König ist. „Die Demokratie muß-
nicht weniger als jede andere Staatsform – die Herrschaft Unseres
Herrn Jesus Christus über die Gesellschaft verwirklichen. Die
Demokratie muß trotz allem einen König haben: Jesus Christus.“5
Davon unterscheidet Lefebvre die liberale Demokratie als das Ideal
des Laizismus, der Gesellschaft ohne Gott.6
Der Kerngedanke: je mehr sich die Gesellschaft von religiösen
Vorstellungen emanzipiert und alles rein menschlich- vernünftig
gestaltet, desto besser und humaner wird das soziale Leben sich
gestalten und dieser Kerngedanke ist stets von allen vorkonziliaren
Päpsten eindeutig reprobiert worden. Die Gegenthese lautet, daß nur
dann, wenn das öffentliche Leben in Einklang mit der Wahrheit der
Religion, es ein gutes Leben ist. Die Begrün-dung dieser These ist
in der Verhältnisbestimmung von natürlicher und übernatürlicher
Wahrheit zu finden, daß die übernatürlich-offenbarten Wahrheiten
der christkatholischen Religion nicht die Destruktion sondern die
Vollendung der der natürlichen Vernunft zugänglichen Erkenntnisse
ist und daß diese erst durch die Offenbarungswahrheiten zu ihrer
eigenen Vollendung finden.
Dem Liebhaber der offenen
pluralistischen Gesellschaft hingegen sind übernatürliche
Offenbar-ungswahrheiten nichts anderes als die Offenheit und
Pluralität störende, weil infrage stellendetotale
Wahrheitsansprüche. Otterbeck drückt das so aus: „Der Verdacht
gegen den Neoklerikalismus in kleinen Zirkeln ist ja immer nicht ganz
unberechtigt. Es gibt noch zu viele virtuelle Potentaten, die gern
per Leserbrief aus dem Pfarrhaus die Kommunalpolitik oder per
Hirtenwort die Nationalpolitik regulieren würden.“7
Ein Hauch von Talibanfundamentalismus umweht uns hier und wer würde
da nicht miteinstimmen in ein: So nicht! Aber der aufmerksamere Leser
wird nicht umhin können, hier besorgt nachzufragen: Soll das, was
allen anderen gesellschaftlich relevanten und irrelevanten
Vereinigungen erlaubt ist, per Meinungsanzeige Einfluß auf den
öffentlich politischen Diskurs zu nehmen, der Institution Kirche
verwehrt werden? Schon ein bischöfliches Hirtenwort gefährde so
die liberale Demokratie, nicht aber eine Wahlempfehlung einer
Gewerk-schaftsorganisation?
Wo also die traditionelle Theologie mit
ihrer Verhältnisbestimmung von Vernunft und Offenbarung
ein zweistöckiges Haus
vor Augen hat, in dem die Vernunft erst durch die offenbarten
Wahrheiten zu ihrer Vollendung findet, da sieht Otterbeck nur einen
Widerspruch, an die protestantische Verhältnisbestimmung von Gesetz
und Evangelium erinnernd, insofern das Gesetz allein für die
öffentliche bürgerliche Ordnung zuständig ist und die
Evangeliumspredigt nicht in die bürgerliche Ordnung hineingezogen
werden darf, damit sie als reine Gnadenverkündigung nicht die
weltliche Ordnung destruiere. Das ist der Kerngedanke der
lutherischen Zwei- Reiche Lehre, das der Welt als das durch das
Naturgesetz und Gottesgesetz bestimmte Reich in Differenz zum Reich
der Gnade, das nur in der privaten frommen Innerlichkeit zu leben
ist, sieht.
Otterbeck markiert nun
die unaufhebbare Grunddifferenz von demokratischer und kirchlicher
Ordnung, die der politischen Diskursordnung von der kirchlichen in
der Differenz von dem demokratischen Mehrheitsprinzip und dem
kirchlich hierachischen. Beide Ordnungen oder Reiche konstituieren
sich so durch unvereinbare innere Ordnungsmodelle, die, wie im
Protestantismus nicht das Gesetz mit dem Evangelium vermischt werden
darf, nicht vermengelt werden dürfen:
Die „Würzburger
Synode“ ist ihm so das Musteranschauungsbeispiel der Auflösung der
kirchlichen Hierachie durch eine Demokratisierung, der bischöfliche
Hirtenbrief das Anschauungsbeispiel des Übergriffes der Hierachie in
den demokratischen Meinungsbildungsprozeß. Für Otterbeck gilt so,
daß die politische Vernunft des pluralistischen
Meinungsbildungsprozesses durch autoritäre kirchliche Stellungnahmen
gefährdet wird. Hier wird eine absolute Wahrheit, nämlich eine
kirchliche Offenbarungswahrheit als eine Gefährdung der natürlichen
Wahrheiten vorgestellt.Völlig verzeichnet Otterbeck dann das
Anliegen der Kritik an der Vorstellung eines Rechtes auf
Religionsfreiheit, wenn er den Eindruck erweckt, eine christliche
Mehrheit wolle dann der Minderheit ihren Lebensstil per staatlicher
Gewalt aufzwingen.8
Das liegt Lefebvre und allen Kritikern völlig fern und das
Vorbereitungsschema des Konziles zum Thema Kirche und Staatdrückt es
auch deutlich aus, daß um des Gemeinwohles und des Friedens willen
die Ausübung
nichtkatholischer
Religionen geduldet werden soll; es kann aber kein positives Recht
für die Unwahrheit und den Irrtum geben.9
Aber damit nicht genug
der Konfusion. Der Integralismus würde, nähme er sein Ziel der
Ordnung des öffentlichen Lebens gemäß der offenbarten Wahrheit
ernst, selbst zu einem politischen Naturalismus sich umformen!10
Im Hintergrund dieser etwas abwegig klingenden These steht derVorwurf
an die damals in konservativ-katholischen Kreisen nicht unbeliebte
Action Francaise unter Leitung ihres Vordenkers Maures, der als der
Prototyp eines integralistischen Politikansatzes verstanden wurde und
dem kirchlicherseits der Vorwurf des Naturalismus gemacht wurde.
Lefebvre
äußert sich zu Maurres
so: „Als von Charles Maurres geleitete Tageszeitung und politische
Bewegung kämpfte die Action Francaise auf gesunden natürlichen
Grundlagen gegen den liberalen Demokratismus. Man klagte ihn
fälschlich des Naturalismus an.“11
In der Lefebvre Biographie liest man: „Ja, noch mehr! Maurras
zutreffende Kritik am Liberalismus und der Revolution fand die
Zustimmung des Kardinal Billot und wurde zu einem Rettungswerk der
Seelen. In Maurass`Schule gab eine ganze Elite Frankreichs ihre
falschen liberalen Dogmen auf und machte eine intellektuelle- und
daraus folgend- moralische Bekehrung. Ungläubige fanden hier sogar
den Weg zum Glauben.“12
Eine Politik auf gesunder
natürlicher Grundlage, wie Lefebvre es hier so treffend ausdrückt,
ist per Definition kein Naturalismus, so wie die natürliche
Gotteserkenntnis auch kein Naturalismus ist.Naturalismus ist die
Verabsolutierung der natürlichen Vernunft, die Verweigerung, daß
die Vernunft erst in ihrer Aufhebung in der Offenbarung zu ihrer
Vollendung findet, nicht aber der Wille, das politische Gemeinwesen
vernünftig zu gestalten. Der Gegensatz zur Offenbarung ist nicht das
Vernünftige sondern das Unvernünftige! Daß aber die Vernunft
selbst zu eindeutigen Einsichten kommt, die von außen betrachtet als
„unbedingte Überzeugungen“ erscheinen können, das steht auf
einem ganz anderen Blatt Papier. Es darf gemutmaßt werden, daß das
Fundament einer Demokratievorstellung, die sich durch unbedingte
Überzeugungen und Vernunfteinsichten gefährdet sieht, ein
erkenntnistheoretischer Skeptizismus bildet, der dem Menschen klare
und eindeutige Vernunfteinsichten nicht zutraut und so in der offenen
Gesellschaft das legitime Resultat
eines solchen
Skeptizismus sieht. Daß die Vernunft oder Offenbarungswahrheiten
„absurde Ansprüche an die Gesellschaft stellen würde“,13
ist nur vorstellbar, wenn jeder Wahrheitsanspruch in einer vom
Skeptizismus angefressenden und zermürbten Diskussionskultur schon
als illegitimer Geltungsanspruch perhorresziert wird. Es darf gefragt
werden, ob nicht Poppers Verteufelung der platonischen Philosophie
als Quelle einer totalitären Staatstheorie, die weil auf Wahrheit
aufbauend,
besser auf erkannte
Wahrheit aufbaut, intolerant sei,von dem ja der Begriff der offenen
Gesellschaft stammt, mit ihrem Pluralismusideal einen solchen
erkenntnistheoretischen Skeptizismusvoraussetzt, dem letzte
zutreffende Erkenntnisse als menschliche Unmöglichkeit erscheinen.
Aber ein solcher Relativismus ist unvereinbar mit dem katholischen
Glauben, der gerade auch der natürlichen Vernunft die klare
Unterscheidung von wahr und falsch zuspricht. Generell wird ja
übersehen, daß dem Menschenrecht auf Religionsfreiheit als
notwendige Denkvoraussetzung die These vorausliegt, daß es der
Vernunft nicht möglich ist, zu erkennen, ob eine Religion wahr ist
oder nicht, so daß deshalb alle Religionen als gleich-gültig zu
affirmieren oder zu dulden sind. Pontius Pilatus: Was ist schon
Wahrheit? und nicht Jesus Christus: Ich bin die Wahrheit! ist da der
geistige Vater.Also: Katholische Traditionalisten sind keine Gegner
der Demokratie, wie es Lefebvre deutlich in seinem Buch: Sie haben
ihn entthront! ausspricht,14
wohl aber entschiedene Gegner jedes Laizimus,der die wahre Religion
in die bloße Privatexistenz zurückdrängt.
1Theologisches
7/8 2008 Sp.270
2Theologisches
7/8 2008 Sp.270.
3Theologisches
7/8 2008Sp. 271.
4Integralismus
http://www.kathpedia.com/index.php?title=Integralismus
5Lefebvre,
Sie haben ihn entthront, 2.Auflage 1988, S.56.
6Lefebvre,
Sie haben ihn entthront,2.Auflage 1988,Vgl:8.Kapitel: Der
Liberalismus oder die Gesellschaft ohne Gott.
7Theologisches
7/8 2008 Sp. 272.
8Vgl:
Theologisches 7/8 2008 Sp. 272.
9Vgl:
Lefebvre, Die Biographie von Bernhard Tissier de Mallerais 2008
S.326-329 und S.347-350.
10Theologisches
7/8 2008 Sp. 270.
11Lefebvre,
Sie haben ihn entthront 2.Auflage 1988, S. 50, Fußnote 2.Vgl: Die
Verurteilung der Action Francaise, in: Marcel Lefebvre, Die
Biographie von Bernhard Tissier de Mallerais 2008 S.58-60.
12Lefebvre,
DieBiographie S.58f.
13Theologisches
7/8 2008 Sp. 270.
14Lefebvre,
Sie haben ihn entthront 2.Auflage 1988 S.54-56.
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