Freitag, 10. Oktober 2014

Traditionalisten-Feinde der Demokratie?

Ein neues Feindbild
oder sind Traditionalisten Feinde der Demokratie?


Ein neues Schreckgespenst geht um im theologischen Blätterwald,just wurde es in: Theologischesgesichtet als Häresievorwurf wieder die Traditionalisten im Allgemeinen und M. Lefebvre und die Piusbruderschaft im Besonderen: Integralismus, das sind die Feinde der offenen Gesellschaft, der Demokratie, so schleudert Otterbeck es uns entgegen: „Es gibt eine Ablehnung der offenen Gesellschaft, die man „Integralismus“ bezeichnet.“1 Und die Piusbruderschaft und isb. Marcel Lefebvre ist damit gemeint. „Wenn Hoeres (Theologisches Sp.153) die „Piusbruderschaft“ nebenbei vom Integralismusvorwirf entlastet, so spielt ihm da seine Vorliebe für die „alte Messe“ einen Streich. Denn die Lefebvre- Lehre ist im Kern nicht nur Meuterei gegen Papst und Konzil, sondern eine Mutation, Neuerungssucht.“2 Und polemisch wird uns dann das Zerrbild politischen Kleikalismus vor Augen gemalt: „Wann agiert z.B. der Chef der Piusbrüder als Sultan, wann als Kalif? Es sind nur virtuelle Ansprüche, die dort erhoben werden, aber eben doch totale. Das war nie katholisch. Das hat das Konzil klargestellt.“3

Noch polemischer fällt der Artikel: Integralismus bei Kathpedia aus: „Vor diesem Hintergrund wollen heutige Vertreter des Integralismus, die fast immer politischen Ideen der extremen Rechten nahestehen, dem Papsttum eine (nur nominelle, da an ideologischen Vorgaben namens „Tradition“gebundene) Allzuständlichkeit für Kirche, Gesellschaft und Politik aufdrängen, welche dieses in der Geschichte aber so nie in Anspruch genommen hat.“4 Ein kurzer Blick in die Bulle: Unam Sanctam Papst Bonifatius VIII hätte hier genügt, um das „nie“ zu widerlegen.Der Untertitel dieses an Invektiven so reichen Aufsatzes von Otterbeck bringt etwas Licht in das Dunkel dieser Polemik: „Unbedingte Überzeugungen gefährden die Demokratie“ insofern hier Demokratie als offene Gesellschaft, wohl in Anlehnung an Poppers Opus über die Feinde der offenen Gesellschaft als liberale Demokratie. Lefebvre unterscheidet ja zwischen der liberalen Demokratie als einer für den katholischen inakzeptable politische Gesellschaftsorganisationsform von der Idee einer mit dem Glauben kompatiblen Demokratiegestalt, in der Jesus Christus selbst der König ist. „Die Demokratie muß- nicht weniger als jede andere Staatsform – die Herrschaft Unseres Herrn Jesus Christus über die Gesellschaft verwirklichen. Die Demokratie muß trotz allem einen König haben: Jesus Christus.“5 Davon unterscheidet Lefebvre die liberale Demokratie als das Ideal des Laizismus, der Gesellschaft ohne Gott.6 Der Kerngedanke: je mehr sich die Gesellschaft von religiösen Vorstellungen emanzipiert und alles rein menschlich- vernünftig gestaltet, desto besser und humaner wird das soziale Leben sich gestalten und dieser Kerngedanke ist stets von allen vorkonziliaren Päpsten eindeutig reprobiert worden. Die Gegenthese lautet, daß nur dann, wenn das öffentliche Leben in Einklang mit der Wahrheit der Religion, es ein gutes Leben ist. Die Begrün-dung dieser These ist in der Verhältnisbestimmung von natürlicher und übernatürlicher Wahrheit zu finden, daß die übernatürlich-offenbarten Wahrheiten der christkatholischen Religion nicht die Destruktion sondern die Vollendung der der natürlichen Vernunft zugänglichen Erkenntnisse ist und daß diese erst durch die Offenbarungswahrheiten zu ihrer eigenen Vollendung finden.

Dem Liebhaber der offenen pluralistischen Gesellschaft hingegen sind übernatürliche Offenbar-ungswahrheiten nichts anderes als die Offenheit und Pluralität störende, weil infrage stellendetotale Wahrheitsansprüche. Otterbeck drückt das so aus: „Der Verdacht gegen den Neoklerikalismus in kleinen Zirkeln ist ja immer nicht ganz unberechtigt. Es gibt noch zu viele virtuelle Potentaten, die gern per Leserbrief aus dem Pfarrhaus die Kommunalpolitik oder per Hirtenwort die Nationalpolitik regulieren würden.“7 Ein Hauch von Talibanfundamentalismus umweht uns hier und wer würde da nicht miteinstimmen in ein: So nicht! Aber der aufmerksamere Leser wird nicht umhin können, hier besorgt nachzufragen: Soll das, was allen anderen gesellschaftlich relevanten und irrelevanten Vereinigungen erlaubt ist, per Meinungsanzeige Einfluß auf den öffentlich politischen Diskurs zu nehmen, der Institution Kirche verwehrt werden? Schon ein bischöfliches Hirtenwort gefährde so die liberale Demokratie, nicht aber eine Wahlempfehlung einer Gewerk-schaftsorganisation?

Wo also die traditionelle Theologie mit ihrer Verhältnisbestimmung von Vernunft und Offenbarung
ein zweistöckiges Haus vor Augen hat, in dem die Vernunft erst durch die offenbarten Wahrheiten zu ihrer Vollendung findet, da sieht Otterbeck nur einen Widerspruch, an die protestantische Verhältnisbestimmung von Gesetz und Evangelium erinnernd, insofern das Gesetz allein für die öffentliche bürgerliche Ordnung zuständig ist und die Evangeliumspredigt nicht in die bürgerliche Ordnung hineingezogen werden darf, damit sie als reine Gnadenverkündigung nicht die weltliche Ordnung destruiere. Das ist der Kerngedanke der lutherischen Zwei- Reiche Lehre, das der Welt als das durch das Naturgesetz und Gottesgesetz bestimmte Reich in Differenz zum Reich der Gnade, das nur in der privaten frommen Innerlichkeit zu leben ist, sieht.

Otterbeck markiert nun die unaufhebbare Grunddifferenz von demokratischer und kirchlicher Ordnung, die der politischen Diskursordnung von der kirchlichen in der Differenz von dem demokratischen Mehrheitsprinzip und dem kirchlich hierachischen. Beide Ordnungen oder Reiche konstituieren sich so durch unvereinbare innere Ordnungsmodelle, die, wie im Protestantismus nicht das Gesetz mit dem Evangelium vermischt werden darf, nicht vermengelt werden dürfen:
Die „Würzburger Synode“ ist ihm so das Musteranschauungsbeispiel der Auflösung der kirchlichen Hierachie durch eine Demokratisierung, der bischöfliche Hirtenbrief das Anschauungsbeispiel des Übergriffes der Hierachie in den demokratischen Meinungsbildungsprozeß. Für Otterbeck gilt so, daß die politische Vernunft des pluralistischen Meinungsbildungsprozesses durch autoritäre kirchliche Stellungnahmen gefährdet wird. Hier wird eine absolute Wahrheit, nämlich eine kirchliche Offenbarungswahrheit als eine Gefährdung der natürlichen Wahrheiten vorgestellt.Völlig verzeichnet Otterbeck dann das Anliegen der Kritik an der Vorstellung eines Rechtes auf Religionsfreiheit, wenn er den Eindruck erweckt, eine christliche Mehrheit wolle dann der Minderheit ihren Lebensstil per staatlicher Gewalt aufzwingen.8 Das liegt Lefebvre und allen Kritikern völlig fern und das Vorbereitungsschema des Konziles zum Thema Kirche und Staatdrückt es auch deutlich aus, daß um des Gemeinwohles und des Friedens willen die Ausübung
nichtkatholischer Religionen geduldet werden soll; es kann aber kein positives Recht für die Unwahrheit und den Irrtum geben.9

Aber damit nicht genug der Konfusion. Der Integralismus würde, nähme er sein Ziel der Ordnung des öffentlichen Lebens gemäß der offenbarten Wahrheit ernst, selbst zu einem politischen Naturalismus sich umformen!10 Im Hintergrund dieser etwas abwegig klingenden These steht derVorwurf an die damals in konservativ-katholischen Kreisen nicht unbeliebte Action Francaise unter Leitung ihres Vordenkers Maures, der als der Prototyp eines integralistischen Politikansatzes verstanden wurde und dem kirchlicherseits der Vorwurf des Naturalismus gemacht wurde. Lefebvre
äußert sich zu Maurres so: „Als von Charles Maurres geleitete Tageszeitung und politische Bewegung kämpfte die Action Francaise auf gesunden natürlichen Grundlagen gegen den liberalen Demokratismus. Man klagte ihn fälschlich des Naturalismus an.“11 In der Lefebvre Biographie liest man: „Ja, noch mehr! Maurras zutreffende Kritik am Liberalismus und der Revolution fand die Zustimmung des Kardinal Billot und wurde zu einem Rettungswerk der Seelen. In Maurass`Schule gab eine ganze Elite Frankreichs ihre falschen liberalen Dogmen auf und machte eine intellektuelle- und daraus folgend- moralische Bekehrung. Ungläubige fanden hier sogar den Weg zum Glauben.“12

Eine Politik auf gesunder natürlicher Grundlage, wie Lefebvre es hier so treffend ausdrückt, ist per Definition kein Naturalismus, so wie die natürliche Gotteserkenntnis auch kein Naturalismus ist.Naturalismus ist die Verabsolutierung der natürlichen Vernunft, die Verweigerung, daß die Vernunft erst in ihrer Aufhebung in der Offenbarung zu ihrer Vollendung findet, nicht aber der Wille, das politische Gemeinwesen vernünftig zu gestalten. Der Gegensatz zur Offenbarung ist nicht das Vernünftige sondern das Unvernünftige! Daß aber die Vernunft selbst zu eindeutigen Einsichten kommt, die von außen betrachtet als „unbedingte Überzeugungen“ erscheinen können, das steht auf einem ganz anderen Blatt Papier. Es darf gemutmaßt werden, daß das Fundament einer Demokratievorstellung, die sich durch unbedingte Überzeugungen und Vernunfteinsichten gefährdet sieht, ein erkenntnistheoretischer Skeptizismus bildet, der dem Menschen klare und eindeutige Vernunfteinsichten nicht zutraut und so in der offenen Gesellschaft das legitime Resultat
eines solchen Skeptizismus sieht. Daß die Vernunft oder Offenbarungswahrheiten „absurde Ansprüche an die Gesellschaft stellen würde“,13 ist nur vorstellbar, wenn jeder Wahrheitsanspruch in einer vom Skeptizismus angefressenden und zermürbten Diskussionskultur schon als illegitimer Geltungsanspruch perhorresziert wird. Es darf gefragt werden, ob nicht Poppers Verteufelung der platonischen Philosophie als Quelle einer totalitären Staatstheorie, die weil auf Wahrheit aufbauend,
besser auf erkannte Wahrheit aufbaut, intolerant sei,von dem ja der Begriff der offenen Gesellschaft stammt, mit ihrem Pluralismusideal einen solchen erkenntnistheoretischen Skeptizismusvoraussetzt, dem letzte zutreffende Erkenntnisse als menschliche Unmöglichkeit erscheinen. Aber ein solcher Relativismus ist unvereinbar mit dem katholischen Glauben, der gerade auch der natürlichen Vernunft die klare Unterscheidung von wahr und falsch zuspricht. Generell wird ja übersehen, daß dem Menschenrecht auf Religionsfreiheit als notwendige Denkvoraussetzung die These vorausliegt, daß es der Vernunft nicht möglich ist, zu erkennen, ob eine Religion wahr ist oder nicht, so daß deshalb alle Religionen als gleich-gültig zu affirmieren oder zu dulden sind. Pontius Pilatus: Was ist schon Wahrheit? und nicht Jesus Christus: Ich bin die Wahrheit! ist da der geistige Vater.Also: Katholische Traditionalisten sind keine Gegner der Demokratie, wie es Lefebvre deutlich in seinem Buch: Sie haben ihn entthront! ausspricht,14 wohl aber entschiedene Gegner jedes Laizimus,der die wahre Religion in die bloße Privatexistenz zurückdrängt.


1Theologisches 7/8 2008 Sp.270
2Theologisches 7/8 2008 Sp.270.
3Theologisches 7/8 2008Sp. 271.
4Integralismus http://www.kathpedia.com/index.php?title=Integralismus
5Lefebvre, Sie haben ihn entthront, 2.Auflage 1988, S.56.
6Lefebvre, Sie haben ihn entthront,2.Auflage 1988,Vgl:8.Kapitel: Der Liberalismus oder die Gesellschaft ohne Gott.
7Theologisches 7/8 2008 Sp. 272.
8Vgl: Theologisches 7/8 2008 Sp. 272.
9Vgl: Lefebvre, Die Biographie von Bernhard Tissier de Mallerais 2008 S.326-329 und S.347-350.
10Theologisches 7/8 2008 Sp. 270.
11Lefebvre, Sie haben ihn entthront 2.Auflage 1988, S. 50, Fußnote 2.Vgl: Die Verurteilung der Action Francaise, in: Marcel Lefebvre, Die Biographie von Bernhard Tissier de Mallerais 2008 S.58-60.
12Lefebvre, DieBiographie S.58f.
13Theologisches 7/8 2008 Sp. 270.

14Lefebvre, Sie haben ihn entthront 2.Auflage 1988 S.54-56.

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