Montag, 27. Oktober 2014

Gott, der Staat und die Todessstrafe

Der Staat und die Todesstrafe

Es gibt wohl kaum ein Thema, daß die Differenz zwischen der christlichen Religion und dem Humanismus so deutlich macht, wie die Gretchenfrage: „Wie stehst Du zur Todesstrafe?“. Für das humanistische Denken ist der Straftäter primär jemand, der gebessert werden muß. Er ist so das Vorzugsobjekt der Pädagogik, insofern sein verbrecherische Tat die eines nicht angemessen Gebildeten ist oder er ist das Vorzugsobjekt therapeutischer Maßnahmen, sofern als Grundursache seiner verbrecherischen Tat eine psychische Erkrankung oder Fehlentwicklung irgendeiner Art gesehen wird. Bildung und Therapie sind so gefordert. Da, bevor die Therapie und die Bildung Erfolge zeitigen können, eine Wiederholung der Untat nicht auszuschließen ist, ist eine zeitlich befristete Absonderung des Täters von der Gesellschaft vonnöten, um sie vor der Gefährlichkeit des potentiellen Wiederholungstäters zu schützen, bis die Therapie und die Bildung den Täter zum Guten hin gebessert hat. Denn prinzipiell jetzt jeder Mensch besserbar, vorausgesetzt er wird nur richtig therapiert und erzogen.
Das humanistische Denken sieht dann noch seine Grenzen ein, wenn es die gesellschaftliche Bedingtheit der Untat wahrnimmt und damit den Zusammenhang zwischen einer „inhumanen“ Gesellschaft und der Neigung von Menschen, die in dieser so gearteten Gesellschaft leben und so eine gesellschaftlich bedingte Neigung zum „Verbrechen“ mit sich bringen. Vulgärsoziologisch: Arme Menschen neigen eher zum Diebstahl als reiche, weil die Reichen alles sich kaufen können, was dem Armen verwehrt ist, so daß sie dazu neigen, das zu stehlen, was sie sich nicht erkaufen können. Also, jedes geschehene Verbrechen ist so ein Appell an die Sozialingenieure, die Gesellschaft humaner zu gestalten, denn dann würde das Verbrechen schon aufhören, kommt das Böse doch allein aus einem erlittenen Mangel.
Der Gedanke der „Strafe“ ist in das humanistische Denken nicht integrierbar. Wie ein Fremdkörper soll er ausgeschieden werden und durch den einer therapeutischen Bildungsarbeit ersetzt werden. Und nur, um die Gesellschaft vor den noch nicht Therapierten zu schützen, schließt man sie eine kleine Zeit lang ein, abgesondert in „Gefängnisse“, um sie schnellst möglich gebessert und geheilt wieder in die Gesellschaft zu reintegrieren!
Die Todessstrafe ist so gesehen die Perversion staatlichen Handelns schlechthin. Denn zum Schutze der Gesellschaft vor den Tätern reiche deren Einsperrung in ein Gefängnis, bis sie therapiert wieder freigelassen werden können. Viel gravierender ist aber, daß durch den Vollzug der Todesstrafe der Versuch einer Therapie verunmöglicht wird-Tote kann man nicht mehr therapieren-und darum verfehlt diese „Strafe“ die Aufgabe des Staates an Verbrechern, sie wieder zu guten Staatsbürgern und human lebenden Menschen zu erziehen oder zu therapieren.
Grundsätzlicher: der Humanismus glaubt an das Gute in jedem Menschen, das nur durch widrige Umstände zurückgedrängt und gar verdunkelt werden könne, aber das doch das Wesen jedes Menschen ausmache, daß jeder liebenswürdig sei und so es schon ein Verstoß gegen das Menschsein, seine Würde wäre , ihn zu strafen, statt ihn heilen zu wollen.

Ganz anders der Katholische Glaube! Nicht in irgendeinem Nebenartikel einer Katholischen Dogmatik, sondern als die „Grundwahrheiten unseres Glaubens“ bekundet etwa das noch 1950 im Erzbistum München und Freising gültige Gottesdienstbuch:
Gott belohnt das Gute und bestraft das Böse. Ewige Seligkeit oder ewige Verdamnis wird das endgültige Geschick der unsterblichen Seele sein.“1 Im Gotteslob 1988 ist ein Gebet des hl. Thomas von Aquin enthalten, in dem es heißt: „ Laß mich, o Herr, deine Strafen hienieden tragen im Geist der Buße und deine Wohltaten recht gebrauchen durch deine Gnade.“2 Es gehört zu den Grundwahrheiten der christlichen Religion, daß der Mensch für sein Tun und Lassen verantwortlich ist und daß Gott ihn gemäß seinem Tun und Lassen belohnen und bestrafen wird, entweder „hienieden“, also in unserem Erdenleben oder nach dem Tode, entweder mit dem ewigen Leben oder mit der ewigen Verdamnis. In diese Grundordnung ist nun der Staat als eine von Gott gewollte Institution, die wichtigste neben der Institution der Ehe und der der Kirche eingezeichnet. Der Apostelfürst Paulus schreibt es unmißverständlich: „Denn es gibt keine staatliche Gewalt, die nicht von Gott stammt; jede ist von Gott eingesetzt.“ (Röm 13, 1) „Denn nicht ohne Grund trägt sie das Schwert. Sie steht im Dienst Gottes und vollstreckt das Urteil an dem, der Böses tut.“ (Röm 13,4). Uns wird hier einiges zugemutet. Der Staat, gerade als Gewaltstaat (nicht in erster Linie als Erbauer von Schulen und Spitälern) steht im Dienste Gottes. Durch ihn richtet und straft Gott „hienieden“, um es mit dem hl. Thomas zu sagen. Denn es steht schon in den Weisheitssprüchen (Sprüche 8,15): „Durch mich [Gott]regieren die Könige und entscheiden die Machthaber, wie es Recht ist;“. Wenn wir den Staat theologisch bedenken, dürfen und können wir von der Staatslehre der hl. Schrift nicht abstrahieren und ersatzweise uns mit irgendwelchen soziologischen oder populärwisenschaftlichen Meinungen über den Staat abgeben.
Theologisch muß man dies also sagen: Gott regiert vermittels zweier Gewalten, der der Kirche und der des Staates. Das Ringen um eine sachgemäße Zuordnung dieser beiden Gewalten oder auch Schwerter, wie die Kirche zu sagen pflegt, gehört so zu den zentralsten Aufgaben der Theologie. Aber nicht bestritten werden darf, daß nicht nur die Kirche, sondern auch der Staat im Dienste Gottes steht. Für diese Dienstaufgabe gab Gott dem Staate das Schwert. Wozu genau? Wir meinen, immer schon zu wissen, wozu der Staat ist, indem wir einfach den empirische Staaten vor Augen habend, daraus „abstrahierend“ Erkenntnisse für das Wesen des Staates gewinnen. Wie nun aber, wenn der Staat sich von seinem Wesen entfremden könnte, und so sein Wesen sich unseren Augen verdunkelte. Oder wollte ein Christ ernsthaft behaupten, daß es zum Wesen des Staates gehört, werdenden Mütter die Tötung ihrer Kinder zu erlauben? Dieser Fall macht eines klar: der Staat kann Dinge tuen (hier konkret die Abtreibung legalisieren), die seinem Wesen widersprechen. Der Staat widerspricht dabei seinem Wesen, so wie jeder Mensch seinem Wesen widerspricht, wenn er sündigt. Denn das Wesen des Menschen, wie das des Menschen ist das, wozu Gott es geschaffen hat. Das nennt die Tradition die ontologische Wahrheit von einem Etwas, im Gegensatz zur empirischen Erscheinung, in der sich das Erscheinende von seinem Wesen entfremden kann. Die ontologische Wahrheit ist die, daß der Staat eine Ordnung Gottes ist, mit und durch die er die Welt regieren will. Und das Ziel dieses staatlichen Regierens ist die Gerechtigkeit.
Wir müssen uns, um der Klarheit willen hier auf das Zentrum der christlichen Religion kaprizieren: auf den Kreuzestod Christi und jetzt unter der Frage: „Warum ist der Römische Staat in der Gestalt des Pontius Pilatus an dem Kreuzestod beteiligt?“ Jesus hätte ja auch, wie kurz darauf der hl. Stephanus von den Juden allein hingerichtet werden ohne eine Mitbeteiligung des Römischen Staates! Hätte Jesus nicht auch so-gesteinigt-für unsere Sünden sterben können als Sühnopfer? Historisch Urteilende können nun vielleicht Plausibiltäten aufweisen, daß es wohl wahrscheinlicher war unter den gegebenden Umständen, daß Jesus von römischen Soldaten gekreuzigt als von Juden gesteinigt zu werde.
Nur, das ist keine theologische Aussage und Erkenntnis. Nein, wir müssen da tiefer fragen und denken. Wenn Pontius Pilatus an der Kreuzigung beteiligt gewesen war, dann war das auch Gottes Wille-denn im Kreuz Christi geschah Gottes Wille! „Dein Wille geschehe!“ bat Jesus, seinen Kreuzestod vor Augen. Heute soll diese Erörterung hier abbreviaturhaft durchgeführt werden, um schneller und damit wohl auch leserfreundlicher zum Kern des Problemes vorzustoßen. Ich setze also Anselm von Canterburys Konzeption als bekannt voraus und urteile, daß um der göttlichen Gerechtigkeit willen sein göttlicher Sohn die notwendige Satisfaction Gott darbrachte. Anders gesagt: die Sünden der Menschen verlangte nach einer adäquaten Strafe, wobei unter Gerechtigkeit zu verstehen ist, daß das Maß des Leides, das durch die Sünden, die Ungerechtigkeiten entstanden ist, durch das Maß der Leiden, durch die Strafe hervorgerufen, ausgeglichen werden.Da Gott der durch die Sünden „Geschädigte“ ist, er wird durch unser Sünden beleidigt, richtet sich das Maß der Strafe nach der göttlichen Würde. (Wenn dagegen etwa eingewandt würde, daß Gott unberührbar sei als absoluter Gott, dann verkennt dies, daß Gott,indem er zum Gott von Menschen und für Menschen wurde, er durch diese Relation auf andere zu einem von Menschen berührbaren Gott sich selbst bestimmte.) Um der göttlichen Gerechtigkeit willen ereignete sich also der Tod Jesu. Daß er aber am Kreuze starb und nicht gesteinigt wurde wie der erste Märtyrer Stephanus, das ist die Folge davon, daß der Römische Staat diese Causa in die Hand nahm. Pilatus kreuzigte Jesus. Der Römische Staat kreuzigte den Heiland der Welt. Oberflächlich Urteilende sehen darin nur einen Justizirrtum oder das erste Opfer von: „Mehr Demokratie wagen!“-weil Pilatus ja das Leben Jesu einer basisdemokratischen Entscheidung unterwarf: die vox populi bestimmte: Kreuzige ihn, den Jesus Christus!
Aber was war nun der Wille des göttlichen Vaters? Genau dies, daß der Sohn um der göttlichen Gerechtigkeit willen den Tod erleiden sollte. Und wozu hat Gott den Staat eingesetzt? Daß er durch sein Schwert der göttlichen Gerechtigkeit dienen solle, indem er die Sünder um der Gerechtigkeit willen straft. Nun wird es paradox. Der,der ohne Sünde ist, nimmt die ganze Sünde der Welt auf sich, um am Kreuze, auf das er die ganze Sünde der Welt trug, den Straftod für diese Sünde zu erleiden. Dies ist eine der komplexesten Paradoxien der christlichen Religion: daß Pilatus, indem er den einzig Schuldlosen tötet, den tötet, der alle Schuld auf sich nahm und so die Strafe erlitt, die alle Menschen sonst zu erleiden hätten. Indem Pilatus in einem skandalösen Justizirrtum den Schuldlosen kreuzigt (weil er der vox populi nachgab) ,kreuzigt er den Sünder Jesus, weil er alle Schuld auf sich genommen hatte und so das tat, wozu der Staat bestimmt ist von Gott, indem er der vox populi nachgab, die jetzt die vox Dei war. Aber das ist nur für im Glauben Fortgeschrittene.
Der Staat tötete also um der göttlichen Gerechtigkeit willen. Das ist seine Aufgabe, das tut er, wenn er rechtmäßig die Todesstrafe ausübt. (Nebenbei: der staatliche Mißbrauch des Rechtes zur ´Todesstrafe diskreditiert nicht den rechtmäßigen Gebrauch dieser Strafmöglichkeit durch den Staat. Daß die staatliche Todesstrafe im Einklang mit dem Willen Gottes steht, das genau offenbart uns das Kreuz Christi ob der Beteiligung des Römischen Staates an diesem Heilswerk. Wir brauchen nur die einfache Gegenprobe zu machen. Was wäre geschehen, wenn Pilatus Jesus Christus freigesprochen und ihn vorsichtshalber in Schutzhaft genommen hätte? Jesus Christus wäre nicht gekreuzigt worden- wir lebten immer noch unter dem Zorn Gottes als Nichterlöste.

Wir Christen sehen den Menschen als strafwürdigen Menschen an. Er ist für sein Tun und Unterlsassen verantwortlich. Darum gehört es zu den Grundwahrheiten des Glaubens, daß Gott straft und belohnt. Und ein Mittel der göttlichen Gerechtigkeit ist das Schwert des Staates, das dazu da ist, daß schon auf Erden im Sinne der göttlichen Gerechtigkeit gerecht gestraft wird. Diese Einsicht wird nun verunklart dadurch, daß man die Idee der Gerechtigkeit, die die Strafe des Bösen notwendig inkludiert, konfundiert mit den humanistischen Vorstellungen vom von Natur aus guten Menschen, Roussseau läßt grüßen, der nur als „Kranker“ Böses tue und so statt zu bestrafen, zu therapieren sei. Dort, wo ein solcher Humanismus die christliche Religion durchsäuert hat, dort versteht man dann weder das Kreuz Christi noch die Todesstrafe durch den Staat-dort wird dann alles modernisiert. Die christliche Religion dagegen kennt den strafwürdigen Sünder, dem Gott aber auch seine Sünde vergeben will, beichtet er und der ewige Strafe in endliche wandelt und selbst von dieser nachläßt, erbittet die Kirche Ablässe für die Armen Seelen im Fegefeuer. Der gerechte Gott straft, weil er gerecht ist, er ist aber auch ein gnädiger Gott. Von all dem weiß die humanistisch gewordene Religion nichts mehr, die sich durch den Humanismus konfundieren lassen habende Religion und die kann dann im Widerspruch zur Tradition der Kirche, verfangen im Geist des Humanismus die Abschaffung der Todesstrafe fordern, um somit Gottes Willen, der den Sühnetod seines Sohnes wollte, nachträglich als Irrtum zu bezeichnen. Sie folgt damit dem Petrus, der schon bei der ersten Leidensankündigung Jesu ausrief: Das sei ferne! Gott will das Kreuz nicht-und Jesus Christus Petrus einen Verweis erteilen mußte: Du denkst menschlich,nicht wie es Gott will.
1Gottesdienst, Gebet-und Gesangbuch für das Erzbistum München und Freising, 1950, S.15.

2Gotteslob, Katholisches Gebet- und Gesangbuch, 1988, S.33.   

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen