Der Priester- unser Feind
„Die Kirche ist exakt
das, wogegen Jesus gepredigt hat- und wogegen er seine Jünger
kämpfen lehrte“,1
proklamiert Nietzsche in seinem posthumen Werk: „Der Wille zur
Macht“. Man könnte ihnen als den Schöpfer der Parole :Jesus ja-
Kirche- Nein Danke! bezeichnen. Jesus Angriff auf Kirche, Priester
und Theologie „mündete, Dank dem Paulus, in eine neue
Priesterschaft und Theologie- einen herrschenden Stand , auch eine
Kirche.“2
Die Figur des historisch kritisch von Nietzsche rekonstruierten
unverfälschten Jesu dient dabei als reine tabula rasa, in der dann
ein zeitgenössisches Jesusbild eingezeichnet werden kann: das Leben
Jesu in Wort und Tat sei „ein naiver Ansatz zu einer buddhistischen
Friedensbewegung, mitten aus dem eigentlichen Herde des
Ressentimennts heraus“. Dem wird dann der Kirchentheologe Paulus
als der Verfälscher Jesu gegenübergestellt, der wider Jesu neu ein
kirchliches Priestertum und somit eine Kirche etablierte: „Paulus
geht von dem Mysterium-Bedürfnis der großen religiös erregten
Menge aus: er sucht ein Opfer, eine blutige Phantasmagorie, die den
Kampf aushält mit den Bildern der Geheimkulte: Gott am Kreuze, das
Bluttrinken, die unio mystica mit dem Opfer.“ Typisch
protestantische antirömische Ressentiments fließen dann noch aus
seiner Feder: nichts läge Jesus ferner „als der plumpe Unsinn
eines verewigten Petrus, einer ewigen Personal-Fortdauer.“ „Er
bekämpft insgleichen die Hierachie innerhalb der Gemeinde.“
Eine der unzähligen
Priesterbetrugsverschwörungstheorien und damit könnten wir dieses
Kapitel abschließen, wenn sich nicht der Verdacht aufdrängte, daß
diese Gattung der Priester/Kirchenbetrugsverschwörungstheorien heuer
zum Allgemeinplatz gerade auch in sogenannten liberal -progressiven
Kreisen der Kirche geworden ist. Das katholische Priestertum- der
Irrtum der Kirche und man fügt dann gern hinzu, Jesus habe das Reich
Gottes gepredigt, und heraus kam die Institution Kirche mit ihren
Amtspriestern.
Den folgenschwersten
Angriff auf das Priestertum startete Martin Luther mit seiner
eigentümlichen These, daß das Opfer Christi am Kreuze nicht nur
alle weiteren Opfer überflüssig mache ob seiner Alleingenügsamkeit,
sondern vielmehr jedes weitere Opfer ins Unrecht setze als eine
Mißachtung des Werkes Christi. Wer Gott nach dem Kreuzopfer noch
Opfer darbringt, sündigt, weil er im Akt des Opferns die
Alleingenügsamkeit seines Opfers ablehnt. Und auch wenn das
Tridentinum diese urchristliche Lehre vom kirchlichen Opfer gegen
Luther verteidigte und das 2.Vaticanum diese Grundlehre der Kirche
nicht außer Kraft gesetzt hat- heuer pfeifen es uns die liberalen
Modernisten von den Dächern, Luther noch überbietend: Jesus
Christus ist nicht für unsere Sünden am Kreuze gestorben- es war
kein Sühnopfer- und deshalb dürfte es in der Kirche auch kein
Priestertum geben.
Als typisches Beispiel
zeitgenössischen Modernismus sei hier B. Snela angeführt: im
Urchristentum
obliegt es der Gemeinde,
„von sich aus ohne leitende Amtsperson Taufe, Eucharistie und
Salbung zu feiern“.3
Wie konnte aber nur in
der Kirche Jesu Christi die Mär vom Priesterbetrug, daß es kein
Priestertum geben dürfte, Fuß fassen, so daß diese Mär selbst
einer der Gründe der aktuellen die Existenz der Kirche in Frage
stellenden Krise des Mangels an Priesterberufungen werden konnte?
Sollte Freud mit seiner Todestrieblehre doch recht haben: daß hier
sich einfach die Lust am eigenen Untergang austobt oder besser
gesagt, sich mit dem Reformwillen für eine zeitgemäße Kirche
maskiert. Ist „Wir sind Kirche“ nicht einfach der Wille,
auszulöschen, was man ist: Kirche? Lust am eigenen Untergang? Statt
Kirche dann- ganz im Geiste Nietzsches eine hierachiefreie Gemeinde
zu ersehnen?
Was macht den Priester so
suspekt, daß von seiner Vernichtung geträumt wird und das nicht
etwa nur von gestandenen Atheisten. Luther, wahrlich kein Atheist,
war der erfolgreichste Bekämpfer des Priestertumes! Unzeitgemäß
ist er nur, weil er um des wahren Priesters Jesu Christi willen das
kirchliche Priestertum vernichten will, während die zeitgenössische
Kritik, wie schon Nietzsche das Priestertum in seinem Amt des Opferns
prinzipiell perhorreszieren.
Die Hl. Schrift bezeugt
uns selbst den Archetypus des Ressentiments wider das
Amtspriestertum. „Sie rotteten sich gegen Mose und Aaron zusammen
und sagten zu ihnen: Ihr nehmt euch zu viel heraus. Alle sind heilig,
die ganze Gemeinde, und der Herr ist mitten unter ihnen. Warum erhebt
ihr euch über die Gemeinde des Herrn?“ Dieser in Numeri 16
erzählte Aufruhr der Rotte Korach wider das von Gott eingesetzte
Priestertum ist nicht nur eine Erzählung eines singulären
kontingenten geschichtlichen Ereignisses, sondern in dieser
Geschichte manifestiert sich die Schattenseite des Priestertumes, die
ihm geradezu notwendig zukommt im Licht seiner Konstituierung durch
Gott selbst. Was im Licht steht, wirft Schatten. Dort, wo Menschen
ihr Amt des Priesters als von Gott gesetzte Ordnung begreifen und
bejahen, dort erhebt sich auch immer das Ressentiment, der
Widerspruch gegen diese Ordnung. Geradezu klassisch bringt hier diese
Rotte Korach das Nein zur Ordnung Gottes zum Ausdruck: Wir sind alle
gleich- gleich heilig, gleich nah Gott und deshalb darf es in der
Kirche keine Hierachie geben. Weil Gott uns allen gleich nahe ist,
kann und darf es kein Vermittlungsamt zwischen Gott und den Menschen
geben. Das Amt des Pontifex, des Brückenbauers zwischen Gott und dem
Menschen, ist per se ein malum in se, weil es das Dasein Gottes schon
bei allen Menschen vor den priesterlichen Vermittlungsdiensten
verleugnet.(Nebenbei : die französische Revolution mit ihrer
Gleichheitsideologie ist so gesehen auch nur eine säkularisierte
Variante dieser Rottenphilosophie.)
Gleich heilig, gleich
nahe Gott, das sind die zwei Argumente wider das Amtspriestertum.
Entweder sollen dann alle Priester sein (so Luther) oder keiner, der
moderne Protestantismus. Gleichheit versus Hierachie.
Nach dem Apostelfürsten
Paulus ist schon der Kosmos in sich hierachisch aufgebaut. Gegen das
nicht unplausible Argument der Bestreiter der leiblichen Auferstehung
Jesu von den Toten, es gäbe nur einerlei Art von Leib, den zum
Sterbenmüssen bestimmten, so daß eine leibliche Auferstehung nur
eine zu einem weiteren dem Sterbenmüssen unterworfenem Leben sein
könnte, setzt Paulus : es gibt nicht verschiedenen Leiber mit
verschiedener Herrlichkeit und der verklärte Leib ist nicht mehr der
Sterblichkeit unterworfen. Paulus entfaltet so eine kosmische
Hierachie vom niederen Sein bis zum höchsten, das nicht mehr wie das
niedere der Vergänglichkeit unterworfen ist. Wie die Natur so in
sich hierachisch aufgebaut ist, so ist auch die Kirche
seinshierachisch aufgebaut. Paulus Kirchenverständnis ist ja nicht
das eines religiösen Vereines gleichberechtigter Mitglieder, sondern
das eines organisch gegliederten Gemeinwesens, das als solches
hierachisch ist.
Aber, und das ist so wahr
wie die Einsicht des Predigers Salomon, es gibt nichts Neues unter
der Sonne: gerade die von Gott gewollte und eingesetzte Hierarchie
evoziert Ressentiments, kuluminierend in der
Gleichmachereiideologie. Diesen Schatten wird die Kirche nie auflösen
können, sie muß aber stets wider diesen Ungeist der Rotte Korach
kämpfen.
Auf der Höhe des
Zeitgeistes befinden wir uns, wenn wir, um die Grundlagen des
Priestertumes zu nichten, etwa mit dem niederländischen Jesuiten
Piet van Breemen meinen: „Das bedeutet nicht-wie etliche Christen
leider denken- ,dass der Vater durch den Kreuzestod seines Sohnes
versöhnt werden musste, sondern umgekehrt, dass wir dadurch versöhnt
wurden.“4Daß
die etlichen Christen, die leider so denken, die verbindliche Lehre
der Katholische Kirche meint, tangiert diesen modernistischen
Jesuiten mitnichten. Selbstverständlich ist ihm, daß der
vollkommene Liebesgott keine Sühnopfer will, und somit ist jedes
Priestertum überflüssig, weil der Liebesgott nur unsere Liebe als
Antwort ersehnt; die Liebesreligion ist dann idealerweise vollkommen
kultfrei.
Warum sollten Männer
noch den Beruf des Priesters ergreifen, Priesterleben ist Opferleben,
wenn das Priestertum völlig überflüssig ist und die Gemeinden so
nur Gemeindevorsteher und Eucharistieleiter brauchen, aber keine
Priester!
Der Verfasser möchte
hierzu eine gewagte These aufstellen: In Folge eines übertriebenen
Christozentrismus hat sich unser Blick auf das Kreuz Christi getrübt:
wir übersehen das Mitwirken des Hohepriesters Kaiphas wie auch das
des Pontius Pilatus an der Kreuzigung Christi zum Schaden des
Begreifens des Wesens des Priesertumes wie auch des Staates. Wer das
Kreuz Christi begreifen will, muß auch die Rolle des Hohepriesters
Kaiphas bedenken und von daher erschließt sich dann auch eine
Antwort auf die Frage, warum es (gegen Luther) neben dem wahren
Priester Jesus Christus noch andere legitime Priester gibt!
Woran ist erkennbar für
uns, daß der Kreuzestod Christi ein Opfer ist? Auch und gerade auch
daran, daß Kaiphas hier nicht als Privatperson sondern Amtsperson
wirkt. Er will einen Unschuldigen opfern, um dem ganzen Volk das
Leben zu retten. Das ist seine Intention, die eines
Verantwortungsethikers, dem das drohende Unheil vor Augen urteilt,
daß es besser ist, daß ein Unschuldiger stirbt, als daß vielleicht
das ganze Volk zugrunde geht. Dies sagt er aber nicht von sich aus,
sondern es ist ihm von Gott eingegeben. Er als von Berufswegen zum
Entsühnungsopfer Darbringen von Gott Erwählter erfaßt hier den
Willen des göttlichen Vaters. Gottes Wille ist der Tod Jesu Christi,
damit so die Menschen gerettet werden. Als Hohepriester übergibt er
den unschuldigen Jesus dem Römischen Staat zur Kreuzigung. In diesem
Übergeben wirkt er selbst als Priester, als der Hohepriester. Durch
sein Mitwirken erhält das Kreuzesgeschehen, das ohne sein Dazutun
eine rein staatliche Handlung wäre, einen kultischen Charakter. Ja,
man kann und muß sagen, daß die Institution des Amtes des
Hohepriesters und darin das ganze Priestertum des Alten Bundes seine
Erfüllung findet, indem nun der Priester Kaiphas das einzig wahre
Versöhungsopfer darbringt, indem er Jesus in der Intention dem
Staate übergibt, daß der Unschuldige zu töten sei um des Heiles
des Volkes willen. Diese Intention des Amtsträgers, die eins ist mit
dem Willen Gottes, charakterisiert das Kreuz als das Sühnopfer, das
gemäß Gottes Willen dagebracht wird. Und dieser Priester eröffnet
somit einen Freiraum dafür, daß im kirchlichen Kultus, in der Feier
der Eucharistie neben Jesus Christus als dem Dabringer des wahren
Opfers,nämlich sich selbst, der Amtspriester tritt in den Intention,
das Meßopfer dazubringen, wie einst Kaiphas.
Selbstverständlich wird
jedes kultische Opfer Gott dagebracht und nur Gott. Und darum ist
der Adressat der Versöhnung auch Gott und nur sekundär der Mensch,
dem Gott sich als durch das Opfer Versöhnter wieder gnädig zuwendet
und so er Versöhnung erfährt.
Erst das Wegschauen und
Übersehen des Mitwirkens des Priesters Kaiphas erzeugt in uns die
Illusion eines kultfreien Christentumes, weil im Kreuze dann nur noch
ein politischer Gewaltakt des römischen Staates gesehen wird, dem
keine kultische Qualität zuschreibbar ist.
Stünde im Zentrum des
Christentumes wirklich nur die Verkündigung Gottes als alle Menschen
unbedingt liebende Liebe, dann gäbe es wahrlich keinen Platz mehr
für ein Amtspriestertum und einen kirchlichen Kultus. Und so ist es
nur konsequent, daß Piet van Breemen dann die Kirche so definiert:
„Gott hat uns zusammengeführt, damit wir die Wahrheit seiner an
jeden von uns gerichteten Liebe leben und verkünden. Das ist
Kirche.“5
Die Katholische Kirche lehrt dagegen: „Das Wesen und die Natur der
Religion selbst enthüllt die Notwendigkeit des Opfers. ...Und wenn
man die Opfer entfernt, kann eine Religion weder sein noch gedacht
werden. Das Gesetz des Evangeliums ist nicht geringer als das alte
Gesetz; im Gegenteil, sogar noch viel hervorragender, weil es das
überreich vollendete, was jenes begonnen hatte. Die im Alten
Testament gebräuchlichen Opfer wiesen schon aif das am Kreuz
vollzogene Opfer voraus,“. Leo XIII in seiner Enzyklika: „Caritatis
studium“.6
Wer den Opfercharakter
des Kreuzes leugnet,muß auch den Opferkult des Alten Bundes als von
Gott gewollte Ordnung reprobieren und somit das Kreuz Christi im
Geiste Marcions gegen das Gottesbild des Alten Testaments, des
Gottes, der Opfer will und darum das Priestertum einsetzte,
ausspielen- die alte Mär vom Liebesgott Jesu versus dem Zornesgott
des AT! Das Priestertum der Kirche ist nicht nur das wahre Abbild des
priesterlichen Amtes Christi sondern auch die Prolongierung und
Erfüllung des Priestertumes des Alten Bundes. Der Hohepriester
Kaiphas steht so an der Grenze zwischen dem alttestanentlichen
Opferkult und dem zu Gründonnerstag von Christus neu eingesetztem-
ganz dem Alten Bund angehörend überschreitet er das Alte schon in
seinem Mitwirken an der Dabringung des einen wahren Sühnopfers, des
Kreuzaltaropfers.
Was bleibt vom
Christentum übrig, wenn man ihm seines Opfers am Kreuz und seines
kultischen Meßopfers beraubt? A. Gehlen: „die Theologie wird zu
einer simplen Ethik in erhabener Verkleidung“7,
und die christliche Religion mutiert zu einem religiösem
Humanitarismus, dem Glauben, daß jeder Mensch das Recht auf ein
gutes Leben auf Erden hat.Und ein so mißverstandenes Christentum
kann im Priester, in Opfer und in dem Gott, der Opfer will, nur
unzeitgemäße Atavismen sehen. Die Priester- und opferlose Kirche
wäre so die Krönung der Modernisierung und Humanisierung der
Kirche. Das Amtspriestertum gerade in seiner zölibatären Formung
ist so der Feind wider ein zeitgenössisches religionsloses
Christentum, das sich ganz auf einen gelebten Humanitarismus, einer
Weltbeglückungsideologie umformen will. Gehlen errfaßt dies als
einen Selbstsäkulariesierungesprozeß der Kirche: „Die Religion
wurde, vor allen in den letzten Jahrzehnten, immer ausschließlicher
bloß humanitär,“8.
Dem korrespondiert dann ein zur bloßen Menschenfreundlichkeit
verzeichneten Gottesbildes, mit dem die Vorstellung von Opfer und
Priestertum unvereinbar ist. Und so schaffte die zeitgenössische
Theologie das Priestertum schon ab, lange bevor es infolge des
Nachwuchsmangels auszusterben droht.
1Nietzsche,
F., Wille zur Macht 168.
2Nietzsche,
F. Wille zur Macht, 167.
3Snela,
B., Priester/Bischof, in: Neues Handbuch theologischer Grundbegriffe
Bd.3 Hrsgb: Eicher,P., 1985 S.428f.
4Piet
van Breemen, Im Geheimnis daheim, Ignatianische Impulse 26, 2008,
S.55.
5Piet
van Breemen, Im Geheimnis daheim, 2008, S.31.
6DH,
40.Auflage 3339.
7Gehlen,
A. Moral und Hypermoral, 4.Auflage 1981 S.131.
8Gehlen,
A. a.a.O. S. 129.
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