Dienstag, 7. Oktober 2014

Ein kleiner Versuch über Geschichtsphilosophie

Geschichtsphilopsophisches Fragment

Geschichte ist Erzählung von Handlungen, die eine Handlungseinheit bilden. Jede Erzählung setzt aus sich heraus eine Differenz von dem Erzählten als Realgeschehen und der Erzählung des Geschehenen. Es ist eine der Aufgaben der Geschichtsphilosophie, das Verhältnis von Erzählung zur Realgeschichte zu klären. Die unmittelbar sich einstellende Vorstellung ist die, daß die Erzählung das wiederpiegelt, was realiter geschehen ist, daß also der Gegenstand der Geschichte die Realereignisse, Handlungen sind. Ist damit ein spontaner realistischer Materialismus präfiguriert im Gegensatz zu einer idealistischen Weltanschauung. G. Lukacs spricht hier von einem spontanen Materialismus des Alltagslebens mit seinen unmittelbaren Weltverständnis.

Ab ovo, zu Handlungen und zur Zeit.
Handlungen ereignen sich. Eine spezifische menschliche Handlung ist die des Arbeitens. Etwas herzustellen, präsumiert die Idee des Herzustellenden und Materialien zur Hervorbringung des Zuerstellenden. Die Idee des Zuerstellenden ist so vor der Realisierung1 und steht als kritische Norm dem Hergestellten gegenüber. Der Entschluß geht dem Herstellen voraus und wird zur Vergangenheit im Akt des Herstellens, die Idee begleitet den Prozeß des Herstellens und sie findet sich bei einer geglückten Herstellung in dem Hergestellten realisiert. Wird diese einfache Struktur des Handelns reflektiert, ergibt sich schon eine Präferenz für eine idealistische Philosophie gegen jeden wie auch immer gearteten Materialismus: die elementare Plausibilität, daß Alles, was ist, nach etwas Ideelem Gestaltetes ist, spricht gegen den Materialismus als Grundoption. Und jeder Erkenntnisakt, etwas Einzelnes einem Begriffe zu subsumieren, etwa in dem Urteil, dies Einzeletwas ist ein Baum, präsumiert, wenn das Urteil wahr sein soll, daß dem Einzeletwas das Wesen des Baumseins innewohnt, so daß dies Einzeletwas in diesem Urteil begriffen wird als Individuation der Idee des Baumseins, so daß die Vorstellung des Baumseins als Wesen des Einzeletwasses selbst wiederum das Wesen als ideeles Sein präsumiert- und damit denken wir im Vorstellungsraum idealistischen Denkens. Materialistisches Denken hat seinen Sitz im Leben im Vergessen des Praktisch-Tätigseins des Menschen zugunsten seiner Mußestunden der kontemplativen Betrachtung, in denen er Objekte wahrnimmt und vergißt, daß sie durch ihn als Subjekte sind- denn durch sein Wahrnehmen konstituiert er ein Etwas erst zum Objekt. Das ist das unbestreitbare Recht des Idealismus, daß die Welt, wie Schopenhauer es unübertrefflich klar sagt, meine Vorstellung ist. Zu diskutieren ist aber, woher das Urteil sich gründet, daß die Welt an sich ganz anders sein soll als sie sich uns Menschen im Denken offenbart!

Wenn G. Lukacs von idealistischen Tendenzen spricht, „die vom subjektiven Zielsetzen in der Arbeit ausgehen“2 muß er dem das Naturbetrachten gegenüberstellen, um in dieser Kontemplation den Emergenzpunkt für eine materialistische Geschichtsphilosophie zu setzen. Daß gerade der materialistische Blick wegsehen muß vom praktisch Tätigen, um sich auf die Kontemplation zu kaprizieren, ist nicht ohne Witz. Erster Ansatz zum Thema: Materialismus- Idealismus.

Handelnde Subjekte existieren so immer in einem Zeitverhältnis- nicht ist das Subjekt in einer punktuellen Gegenwart, der gegenüber die Vergangenheit nicht mehr und die Zukunft noch nicht ist, (dieser Eindruck entsteht nur in der Reflexion, wenn dabei vom Akt des Reflektierens, auch dies ist eine Art von Handeln, abgesehen wird- in der Ausrichtung auf das Futur als erwarteter Zeitpunkt des Realisiesrens, der Vergangenheit als dem Zeitpunkt des Entschlusses zum Realisieren von etwas und der Gegenwart als der Präsenz der Idee des Zieles der Handlung und des Standes der Realisierung des Zurealisierendem. Das ist die Grundstruktur geschichtlichen Handelns von Subjekten. So existiert der Mensch nie im Augenblick, sondern ist immer aus der Vergangenheit kommend ausgerichtet auf Zukunft.

Kann die Geschichte der Menschheit in Analogie dazu verstanden werden, daß ein Subjekt um einer Idee, eines Zieles willen die Geschichte der Menschheit setzte, damit durch die Geschichte das vorausgesetzte Ziel realisiert wird?

Dem historisch Betrachtenden ist die Menschheitsgeschichte zuerst ein unübersehbares Meer von Einzelhandlungen verschiedenster Subjekte, die in wie auch immer gearteten Beziehungen zueinander sich ereignen. Es kann nach dem Ziel der Handlung, dem Entschluß dazu, der Durchführung und dem Wie und Was der Realisierung geforscht werden. Es konstituiert sich so eine Sinneinheit von Ziel der Handlung zur Realisierung des Zieles. Das Ziel einer Handlung kann wiederum selbst zum Mittel zur Realisierung eines anderen Zieles werden: ich kaufte das Buch (dazu ging ich in ein Buchgeschäft), um es dann zu lesen. Gibt es so Ziele, die selbst wieder zu Mitteln zur Realisierung eines anderes Zieles werden, so evoziert dies die Frage nach einem letzten Ziel, dem alle anderen Handlungen subordiniert sind. Dem ärztlichen Handeln ist so jede Einzelhandlung dem selbstzwecklichen Ziel der Gesundheit untergeordnet, dem juristischen Handeln die Gerechtigkeit als Selbstzweck, der Politik als Staatsführungskunst das Gemeinwohl des im Staate organisierten Volkes als Selbstzweck. Jeder Handlung ruht so in einem ihr eigenem Selbstzweck, auch wenn dieser Selbstzweck dann in einer neu angesetzten Handlung wieder zum Mittel für ein anderes selbstzweckliches Ziel wird. Offenkundig gibt es aber für bestimmte Bereiche etwa dem der Medizin oder dem des Rechtes Endzwecke, die nicht wiederum in diesem Bereich durch ein weiteres Ziel zum bloßen Mitteldasein umgewertet werden können.

Die Geschichte der Medizin, die Geschichte des Rechtes wäre so die Summe aller medizinischen und juristischen Handlungen mit dem Endziel der Gesundheit oder dem der Gerechtigkeit.

Was konstituiert eine Reihe von Ereignissen zu einer Geschichte? Sind Ereignisse Prädikate, x,y, hat sich ereignet, so werden diese Ereignisse zu einer Geschichte von x, y, sofern x,y als Subjekt präsumiert wird, dem die Ereignisse als Tun (aktiv) oder Erleiden (passiv) zuschreibbar sind, wobei das so präsumierte Subjekt als Konstante, Invariante gesetzt ist, dem dann kontingente Prädikate zugeschrieben werden. Ein Ereignis löst sich so- nach Nietzsche- auf in die Struktur von Subjekt und Prädikat. Ob dieser dem sprachlichen Denken innewohnenden Struktur eine außersprachliche Realität entspricht, kann weder a priori bejaht noch verneint werden. Für jedes autobiographische Reden ist so konstitutiv die Struktur von Subjekt und Prädikat, wobei einem sich konstant invariant durchhaltenden Subjekt kontingente Prädikate aktiver oder passiver Art zugeschrieben werden. Es könnte keine Geschichtsschreibung von etwas geben, ausgehend von der Autobiographie und der Biographie, die unter die Präsumption eines zugrunde liegenden Subjektes auskäme. Geschichte kann es als Erzählbares nur geben, insofern es solch ein jede Art von Geschichtsschreibung konstituierendes Subjekt geben: ein transzendentales Subjekt. Ob dies nur in der Gestalt des transzendentalen Iches (nach Kant) gibt oder ob auch anderes die Funktion eines transzendentalen Subjektes einnehmen kann, soll hier offen bleiben. Alles Handeln in der Geschichte setzt so ein geschichtstranszendentes Subjekt voraus, dem das Handeln als Handeln zugeschrieben wird. Die Struktur unseres sprachlich verfaßten Denkens setzt so aus sich heraus eine Weltdeutung in der Struktur von: Subjekt und Prädikat, und von Objekten, auf die sich das Subjekt bezieht. Es gibt keinen zwingenden Grund, a priori zu urteilen, daß dieser sprachlichen Denkstruktur keine reale Struktur der Wirklichkeiten entspräche- ja mit Lukacs muß gegen ihn geurteilt werden, daß die Faktizität erfolgreichen menschlichen Handelns in der Welt, der Praxis, die sich in dieser Struktur des Denkens gründet, für einen realistischen Gehalt dieser Denkstruktur spricht.

Was wäre so gesehen das oder die Subjekte des Handelns in der Geschichte, so daß diesem Handeln geschichtsstiftenden Charakter zuzuschreiben ist?

Um der Unterscheidung von Natur und Geschichte gerecht zu werden, muß Geschichte konstituiert sein durch eine geschichtlich kontingente Tat, durch die Geschichte konstituiert worden ist. Sonst wäre nur Natur- sich ausdifferenzierende und sich gestaltende- ohne einem Subjekt zuschreibbare Geschichte. Ein monistischer Materialismus wie jedes pantheistische Denken läßt streng genommen den Gedanken der Geschichte nicht zu, weil so alle Geschichte auflöst wird in eine Selbstbewegung einer Urnatur, die so ohne Geschichte ist.
Geschichte setzt, damit es Geschichte ist, ein Prä der Geschichte voraus, einen Mythos, der erzählt, wie sich die Konstitution von Geschichte ereignet hat. Ohne Mythos als Erzählung der Konstituierung von Geschichte gäbe es keine Geschichte, sondern nur eine Naturentwicklung in der Zeit, die aber keine Geschichte sondern nur ein Naturprozeß wäre.

Die christliche Religion präsentiert dafür den Mythos vom Sündenfall des ersten Menschen. In angemessener mythologischer Form wird hier der Konstituierungsakt der Geschichte erzählt als Urtat vor aller Geschichte, in der der Mensch sich selbst bestimmte, sich setzte, und somit seine Geschichte eröffnete als Folge seiner kontingenten Urtat. Ohne die Vorstellungsgestalt des Mythos ist die menschliche Geschichte nicht als Geschichte vorstellbar- es gäbe nur Naturprozesse, und darunter wäre dann auch menschliches Handeln zu subsumieren.

Anders gesagt: so wie der Ermöglichungsgrund autobiographischer Rede die Absonderung des Iches von dem Urgrund individuellen Lebens, der Mutter ist, so ist die Absonderung des Menschen von der Natur der Ermöglichungsgrund einer Menschheitsgeschichte. Wäre nur das Eine, ob Natur oder nur Gott, dann könnte keine Geschichte sein. Erst die Absonderung aus dem Einen, ob als Natur oder als Gott vorgestellt, ermöglicht eine menschliche Geschichte. Wenn die Absonderung von dem Einen schon der Akt der Sünde wäre als Absonderung, dann wäre diese felix culpa der Konstituierungsakt menschlicher Geschichte. Ist nur das Eine, ist keine Geschichte. Wäre das Viele nur ein Ausfluß aus dem Einen, gäbe es auch keine Geschichte, sondern nur die Illusion eines Getrenntseins von dem Einen als Präsumption der Geschichte, die im Akt der Einsicht in das Eine als einziges Sein wieder aufgelöst würde- Geschichte wäre eine optische Täuschung sich getrennt vom Einem wähnender Pseudosubjekte. Nur ein dualistisches Weltbild ermöglicht so ein Denken von menschlicher Geschichte- jeder Monismus löst verwandelt Geschichte in eine rein menschliche Selbsttäuschung. (Wenn heutzutage vom Ende der Geschichte geschrieben wird unter dem Vorzeichen der Postmoderene, dann ist das nur die Konsequenz des Plausibilitätsverlustes jeder dualistischen Weltsicht, anhebend mit der Dualität vom transzendentalen Ich und der Objekterscheiningswelt.)

So liegt es nahe, unter Geschichte zu verstehen: die Folge der Absonderung des menschlichen Subjektes von dem Einen als dem Urgrund und als Bewegung hin zurück zur verlorenen Einheit mit dem Urgrund- diese Suchbewegung wäre so das Grundmovens allen menschlichen Sichbewegens, seiner Handlungen in der Geschichte als dem Endziel menschlichen Handelns, dem alles Einzeltuen subordiniert ist. Christlich-biblisch: Anfang und Ende der kontingenten Geschichte: der Ursündenfall und die Apokalypse- zwischen diesen beiden Polen ist die Menschheitsgeschichte ausgespannt als freier aber begrenzter Raum für menschlich-kontingentes Handeln.

Menschen handeln und schreiben sich ihr Tun als aktiver Akt oder passives Erleiden zu als transzndentales Ich. Das ist der Ermöglichungsgrund jeder moralischen Bewertung menschlicher Handlungen. Ohne diese Zuschreibbsarkeit löste sich alles in Naturereignisse auf, die kein verantwortliches Subjekt kennen. (Vgl dazu auch Nietzsches Interesse an der Auflösung des Iches um einer amoralistischen Lebenssicht willen.)

Daß Geschichte sein kann, präsumiert frei Akte setzen könnende Subjekte. Das Produkt aller frei gesetzten Akte wäre das Ganze der Geschichte. Damit ist als Voraussetzung und Thema menschlicher Geschichte die Freiheit gesetzt.

Daß Geschichte sich ereignen kann, präsumiert so, daß das Eine Vieles setzt/hervorbringt, in dem sich ein freies Verhalten zum Einen und zu den Vielen ereignen kann. Das Eine und das Viele. Eine geschichtsphilosophische Reflexion darf das Viele als seiend nicht einfach hinnehmen: so ist es, sondern muß die Konstitutionsbedingungen des Daß der Geschichte rekonstruieren, damit Geschichte als Geschichte und nicht als ein Naturprozeß gedacht werden kann. Der Mythos leistet das, was die Geschichtswissenschaft nicht leisten kann, diesen Urgrund zur Sprache zu bringen. Die philosophische Reflexion wird hier eine intelligible Urtat konstruieren müssen als dem Urakt der Setzung von Geschichte. Nur wenn die Ursprungseinheit sich auflöst in der Gestaltungsform eines Zwei- Welten- Schemas wird Geschichte denkbar, denn erst durch den Dualismus konstituiert sich der Raum möglicher Geschichte im Gegenüber zu dem Urgrund, dem Einen. Aufs beeindruckendste ist diesim Platonismus durchdacht worden und in dem darauf aufbauenden Christentum- Christentum ist Platonismus fürs Volk (Nietzsche) „Erkenntnis von etwas ist nur dadurch möglich, daß es auf sein Wesen hin identifiziert -und d.h. für Platon, in seiner Teilhabe am reinen Wesen, als dessen Nachahmung begriffen-wird.“3 Aber damit wird dem Weiteren weit vorausgegriffen. Der Erkenntnisordnung geht die Seinsordnung voraus, denn erkannt wird, was ist. Das Eine setzt den Himmel der Ideen, und diese realisieren sich in der Mannigfaltigkeit der Erscheinungswelt als Individuierungen der Idee- Begreifen heißt, das Einzeletwas als Individuierung seiner Idee als seines Wesens zu denken. Daß Geschichte möglich wird, setzt nun gerade voraus, daß dieses Einzelne als indivuierte Idee sich selbst noch einmal kontingent zu seinem Wesen verhalten kann und kontingent zu allem Anderem. Das ist das Thema der Lehre vom freien Willen als das Konstitutivum der Ermöglichung von sich ereignender Geschichte. Die Idee des Menschen ist nach der Offenbarung Gottes in Jesus Christus die Selbstbestimmung zur Gemeinschaft mit Gott. Als zur Selbstbestimmung befähigtes Subjekt setzte Gott Adam, der dazu bestimmt war, frei sich gemäß dieser Bestimmung zu bestimmen.Das Absolute ist dagegen zu denken als reine Selbstbestimmung- Gott als reine Unbestimmung bestimmt sich selbst und indem das Absolute sich bestimmt, setzt es damit das, was es nicht ist als den Freiraum für Bestimmungen für ein Anderssein, für Anderes als Gott, das kreatürliche Sein, als Ideen, die sich dann im geschaffenen Raume zeitlich individuieren.
Wenn geurteilt wird, daß ist ein Freund, das ist ein rechter Staat, wird der normative Begriff oder die normative Idee des Freundseins, des Staatseins auf ein reales Einzeletwas appliziert mit der Frage: entspricht dieses Einzeletwas der normativen Idee von ihm? Wahr ist das Einzeletwas, das seiner Idee entspricht. Das meint die ontologische Wahrheit von Etwassen im Gegensatz zur Satzwahrheit indikativischer Aussagen, wie, Deutschland ist eine Republik.

Unter geschichtlicher Entwickelung ist so zu verstehen die Selbstbewegung eines individuierten Etwas zu einer Existenz gemäß seiner Idee. Geschichtlich soll hier sagen: eine freie Selbstbewegung hin zur Realisierung der Idee. Wäre alles schon a priori eine gelungene Individuierung der Idee als dem Wesen des Einzeletwasses, es gäbe keine Geschichte, sondern nur ein statisches totes Abbild der wahren Ideenwelt. Das Abbild des Urbildes.,muß um geschichtsfähig gedacht zu werden mit der Fähigkeit zur freien Selbstbewegung ausgestattet, gedacht werden. Jeder wie auch immer gedachte Determinismus (auch der Luthers, Zwinglis und Calvins als theozentrischer Determinismus durchgeführt) verunmöglicht4 so jedes Denken von Geschichte.

Wenn Geschichte aus einem Meer von indikativischen Ausagen besteht, dann muß in der Reflexion über das Wesen jeder Handlung als freie (vorbehaltlich einer Lehre vom freien Willen),diese Geschichtsschreibung ergänzbar sein können durch konjunktivische Aussagen: es hätte auch anders gehandelt werden können. Um der Freiheit willen gehört der Konjunktiv in jede geschichtsphilosophische Reflexion. Erst die Möglichkeit der Bildung zu Konjunktivsätzen zeigt , daß Handeln in der Geschichte moralisch/ethisch verantwortbares Handeln sein kann. Zur Erhellung und zum Verstehen von Geschichte gehört so neben der Tatsachenfeststellung, daß so gehandelt worden ist, die Erhellung von alternativen Handlungsmöglichkeiten als Konjunktivsätze. Konjunktivsätze erheischen dabei ihre besonderen Regeln zur Ausscheidung von irrealen Konjunktivsätzen. Im Reich des konjunktivischen Denkens, Musil spricht hier vom Möglichkeitssinn, wird sich die menschliche Freiheit bewußt-eine Geschichtsschreibung, die nur indikativische Aussagen kennt, verwandelt Geschichte in Natur.

Wenn schon jede Herstellungshandlung ihre Idee als Zielvorstellung mitbeinhaltet, dann muß auch in der Geschichtsphiliosophie Platz für imperativische Sätze sein, normative, die sagen, was sein soll, was getan werden sollte im moralisch-ethischen Sinne.Positivismus ist es, wenn Geschichte reduziert würde auf indikativische Aussagen ohne eine Reflexion des Freiheitscharakters der Handlung und der moralisch-normativen Sätze der Normierung von Handlungen.

Daß in der Geschichte neben indikativischen auch imperativische Aussagen möglich sind, (der Imperativ ist die kleinste Einheit jeder Ethik/Moral und auch ihre Grundlage) präsumiert, damit das wahre Aussagen sein können eine dualistische Welt, damit es wahre Dinge als Einheit von ideelem und existentiellem Sein und wahre normative Aussagen als Geltungsansprüche des ideelen Seins an das wirkliche geben kann.


Was ist nun der Gegenstand geschichtsphilosophischer Reflexon? Nahe liegend wäre: die Erhellung der Ermöglichungsbedingungen dafür, daß Geschichte sein kann- daß sie ist, ist um der Geschichtlichkeit der Geschichte willen ein kontingentes Ereignis. So wäre die erste Aufgabe geschichtsphilosophischen Denkens die Bestimmung der Konstitutionsbedingung der Ermöglichung von dem kontingenten Ereignis des Daß der Geschichte.

Aber es wird auch der Ort der Geschichte als Raum-Zeit zu reflektieren sein und die Frage der Subjekte von Geschichtshandlungen. In Hinsicht auf die Raumzeit als Ort geschichtlichen Handelns soll gelten, daß hier das Verhältnis von Idee (überräumlich/überzeitlich) zur individuierten Einzelexistenz in Raum und Zeit zu reflektieren ist und das freie Verhältnis des Subjektes zu seinem Wesen/seiner Idee.

Was sind die Objekte möglicher geschichtsphilosophischer Reflexionen?
Alle Subjekte, denen freies Handeln,oder besser noch freier Wille zuschreibbar ist. Wem das zuschreibbar ist, ist selbst Gegenstand philosophischer Kontroverse.

Für die philosophische Weltanschauung des Liberalismus ist es klar, daß nur lebende Einzelmenschen in diesem Sinne Handlungssubjekte sein können. Kollektivsubjekten wie das Volk, die Kirche, der Staat wird ein reales Subjektsein angesprochen: es könnten nur Menschen im Namen solcher Kollektivsubjekte agieren oder ihre persönliche Verantwortlichkeit damit eskamotieren. Aber diese philosophische Sicht ist in sich selbst widersprüchlich, weil sie nichts gegen den Einwand erwidern könne, auch das Handlungssubjekt des Einzelmenschen sei ein Zusammemgesetztes aus Vielen und im Namen der vielen Teile könnte das Subjekt aufgelöst werden: etwa: hier agierte das Unterbewußtsein, hier das Nervensystem ..Der Mensch ist nur eins in Differenz zum anderen, für sich nur, wenn er sich als Einheit seinen Teilen gegenüber bestimmt als transzendentales Ich, das erst die Einheit der Person konstituiert.

Dann kann aber auch ein Volk aus Vielen bestehend in Opposition zu einem anderen eins sein und in der Selbstreflkexion nur eines sein, indem es sich als Einheit gegründet in einem transzendentalen Wesen begreift. Das wäre das Wesen des Volkes als seine Idee, seine göttliche Berufung.
Für die geschichtsphilosophische Reflexion soll so zuerst: Staat, Kirche, Nation, und der Einzelmensch als besonderer Handlungsträger als die Subjekte geschichtlich relevanten Handelns gelten. Ob aber nicht doch auch marxistisch gedacht: die Klassen, rassistisch gedacht, die Rassen Handlungssubjekte sein könnten, sollte nicht a priori ausgeschlossen werden, auch wenn ihnen wohl nicht die dominierende Stellung zugeschrieben werden darf, die marxistisches oder rassistisches Denken ihnen zuwürdigt. (Wie nichtpersonalen Wesen der Status eines Subjektes von kontingenten Handlungen zuzuschreibar sein könnte, dafür könnte evtl eine Systemtheorie im Geiste Luhmanns eine Hilfe anbieten.)

Eine geschichtsphiliosophische Reflexion, die sich nicht a priori dem Atheismus und einem materialistischen Weltbild verschreibt wird aber auch Gott, (oder Göttern) Engeln, Teufeln und Seelen Verstorbener nicht a priori jede Handlungsrelevanz ansprechen können: daß die Geschichte nicht auch ein raumzeitlicher Handlungsort über-und unterweltlicher Handlungssubjekte sein kann, ist nur ein Glaubensdogma eines materialistischen Atheismus, nicht aber ein Grunddogma geschichtsphilosophischen Denkens. Es ist durch kein geschichtsphiliosophisches Denken notwendig gesetzte Entscheidung, wenn etwa Burckhardt selbstverständlich in der Betrachtung von Kaiser Konstantins Religionspolitik Gott selbst als mögliches Handlungssubjekt ausschließt. Es ist kein Privileg des Materialismus, wissenschaftlich philosophisch zu sein.

Die Grundsubstanz der Geschichte ist, eingedenk der Einsicht: „der Krieg ist der Vater aller Dinge“
der Konflikt zwischen den Handlungssubjekten der Geschichte. Das Eine und das Viele und das Verhältnis des Vielen untereinander machen so den Stoff der Konfliktgeschichte aus und das ist das Wesen der Geschichte. Musil schreibt so treffend, daß Alles nur durch sein Gegenteil ist und daß damit schon eine Opposition, ein Widereinander mitgesetzt ist. „Schließlich besteht ja das Ding nur durch seine Grenzen und damit durch einen gewissermaßen feindseligen Akt gegen seine Umgebung; ohne den Papst hätte es keinen Luther gegeben und ohne die Heiden keinen Papst, darum ist es nicht von der Hand zu weisen, daß die tiefste Anlehnung des Menschen an seinen Mitmenschen in dessen Ablehnung besteht.“5 Alle Pantheismen reflektieren dies und setzen ihre Hoffnung in die Einsicht in das Einssein von Allem zur Nichtung des universalen Widerstreites und des Ausstieges aus der Geschichte durch die Erkenntnis des Einsseins von dem Vielen.

Über die Subjekte geschichtsphilosophischer Reflexion kann die Vernunft nur begrenzte Erkenntnisse gewinnen, weil von dem Wissen aus der übernatürlichen Offenbarung her, die Einsicht gewonnen wird, daß das Natürlich-Vernünftige seinen ersten Anfang und sein letztes Ziel im Übernatürlichen hat und das erst diese Erkenntnis des Anfanges und Endes das Wesen von etwas Endlichem erfaßt. Die Einsicht in die Defizitärität reiner Vernunfterkenntnis, daß schon um Geschichte denken zu können, das Vernunftdenken zum Mythos sich aufschwingen muß, um das Daß der Geschichte denken zu können, ist noch im Bereich des natürlichen Denkens- aber dieses bedarf zu seiner Vollendung der übernatürlichen Erkenntnis, der Offenbarung, die dies Denken nicht mehr selbst konstruieren kann.

So bedarf hier die Geschichtsphilosophie der Anleihen aus der Theologie, wie etwa die Physik Erkenntnisse der Mathematik appliziert, ohne daß sie in der Physik selbst noch mal begründet werden.

Ein Versuch: die erste Quelle für geschichtsphilosophisches Denken im Raume der Theologie ist das Alte Testament, weil gerade hier exemplarisch an der Geschichte des Volkes Israel (exemplarisch und als Sonderfall) Geschichte durchdacht wird. Damit soll gemeint sein, daß Geschichte hier von ihren Konstitutionsgrößen und sie konstituierenden Subjekten her rekonstruiert werden soll unter Absehung ihres kontigenten Geschehens- so wie ich etwa das Regelsystem des Schachspieles darlegen kann unter Absehung von jeder wie auch immer gespielten Schachpartie. Geschichtsphilosophie wäre so die Erfassung der Konstititionsbedingungen dafür, daß- wie jedes gespielte Schachspiel das Regelsytem Schach präsumiert, ohne daß das Regelsystem das zu spielende Spiel determiniert, Geschichte sich kontingent ereignen kann.

Die Urtat des Adam konstituiert den Menschen als von Gott Abgefallenen, der so erst zu einem endlichen, sterben müssenden Subjekt wird, der in einer gefallenen Welt exiliert lebt. Aber die gefallene Welt und der gefallene Mensch bleiben vom Wesen her (ihrem ideelen Sein) her Geschöpfe Gottes, die so als gefallene in der Spannung von Wesen und ihr Wesen verfehlender Existenz leben und sterben. Daraus resultiert eine objektive Erlösungsbedürftigkeit des Menschen, die er aber subjektiv negieren kann oder, wenn er sie wahrnimmt und anerkennt zur Suche nach Erlösungsmöglichkeiten motiviert. Eine geschichtsphilosophische Reflexion wird nun der Geschichtswissenschaft und der ihr benachbarten Wissenschaften (Geschichte der Religionen, der Weltanschauungen, der Ideen) die Aufgabe zuweisen, die konkrete Mannigfaltigkeit der versuchten Erlösungskonzeptionen zu erfassen, sie kann nur denkmögliche Typen der Erlösung konstruieren.

Im Zentrum des Alten Testamentes ist die Geschichte Gottes mit seinem Volke Israel vermittels der Institutionen des Königstumes, des Kultes und der besonderen Berufungen durch Propheten. Damit sind die Handlungssubjekte geschichtsrelevanten Handelns bezeichnet: Gott (plus Engel als Boten),
der Staat (der König fungiert hier nicht als Privatperson sondern als das personalisierte Handlungssubjekt des Staates, die Kirche (Priester und Kult) und die berufenen besonderen Personen, die Propheten6 , das meint man, wenn man sagt: Geschichte ist die Geschichte großer Männer (und Frauen) und es zeichnet sich am Rande die Gestalt des Widergottes, des Satans ein mit seinem Reich der Daimonen. Geschichte kann es nur geben, weil der allmächtige Gott einen Freiraum setzte, indem kontingente Ereignisse möglich sind. Das meint: Gott schuf etwas. Und Gott verhält sich selbst kontingent zum kontingent sich Ereignenden in diesem Freiraum. Das ist Gottes freies Geschichtshandeln. Gott ermöglicht so durch Offenbarungen, daß Menschen sich zu Gott verhalten können, primär im religiösen Kult, secundär in einem weltlichen Leben gemäß Gottes Offenbarung, und daß Gott sich selbst zu diesem menschlichen Verhalten verhält gemäß seinen Offenbarungen. Das ist die Treue Gottes. Darin hat jede Religion, als mögliche Organisationsform als Kirche ihre Substanz. Dieses Wesen der Religion ist nun immer gefährdet durch die Möglichkeit der Umformung des religiös geschichtlichen Verhältnisses zu einem magischen oder durch eine Naturalisierung des religiösen Verhältnisses. Magisch verunstaltet wird die Beziehung zu Gott dort, wo der Kult mißverstanden wird als eine Technik zur Beherrschung Gottes oder der göttlichen Kräfte. Der Magier beherrscht Gott, indem er Gott durch Geheimpraktiken seinen Willen unterwirft.
Als Alternative dazu ist die Naturalisierung Gottes anzusehen: hier wird Gott seines Herrseins und somit Gottseins beraubt, indem Gott vorgestellt wird als ein Gott, der nicht anders kann als gut, gnädig zu sein. Gott wird als durch seine Eigennatur determiniert gedeutet, so daß jedes religiöse Handeln hin zu Gott gleichgültig und unsinnig wird, weil Gott gar nicht sich kontingent zum menschlichen Verhalten verhalten kann.

Platon benennt in seinen „Gesetzen“ die Grundprämissen jeder lebbaren Religion, daß Gott ist, daß ihm das Wie des Lebens der Menschen nicht gleichgültig ist und daß es nicht leicht ist, Gottes gunst zu erwerben unter der Prämisse, daß Gott als das Gute auch der Geber alles Guten ist. Das magische wie das naturalistische Mißverständnis destruiert Gott als freien Herren der Menschen und entzieht somit der Religion ihr Fundament. In der wie auch immer organisierten Religion wird dieses Wissen um den gottgefälligen Kult bewahrt und praktiziert. So kann eine Religion ob seines lebendigen Zentrumes des Kultes nie ohne Organisation sein.

Die Menschheit ist durch Gottes Willen aufgegliedert in Völker. Gott ist zuerst der Gott des Volkes Israel und als solcher wird er sich erst im Laufe der Geschichte Israels als der Gott aller Völker erweisen: vom Polytheismus und der gelebten Monolatrie zum Monotheismus war für Israel ein langer Weg göttlicher Hinführung. Wie das Volk Israel ein von Gott zu etwas berufenes Volk ist, so ist auch jedes andere Volk ein zu etwas berufenes Volk. Das ist eine der Konsequenzen der Universalisierung des Gottes Israels zum Gott aller Völker. Und so sind die Völker Subjekte der Menschheitsgeschichte und damit sie Subjekte sein können, gestalten sie sich als Nationalstaat. Im Nationalstaat, im Volksstaat wird das Volk sich als Subjekt seiner selbst bewußt und gestaltet sein Leben zu einem kulturell-politischem Volkstum. Die Geschichte des Volkes Israels ist gerade das Ringen um ein kulturell-politische selbstständiges Volkstum bis hin zu dem zelotischen Befreiungskrieg wider die römische Fremdherrschaft zu Zeiten Jesu.
Sind Völker und ihre Oganisationsform des Staates so Setzungen Gottes als Gabe und Aufgabe, so ist auch jede Religion mit ihrer Berufung zur Selbstorganisation Setzung Gottes als Gabe und Aufgabe. In der Nationalreligion Israels ist der Archetypus jeder Nationalreligion lebendig, und wie die jüdische Nationalreligion ihre Aufhebung und Vollendung in der in Christus gestifteten Kirche findet, so findet auch jede andere Religion in dieser Kirche ihre Aufhebung und Vollendung, wenn sie in dem dreieinigen Gott den Gott erkennt, auf den sie ihre Nationalreligion hinführen sollte. Erst im Verharren gegen die Aufhebung ihrer Particularreligion in die wahre Religion der Kirche konstituieren sich alle nichtchristlichen Religionen als unwahre Religion.

Staaten (verstanden als Selbstorganisationsform der Völker) und Kirchen (jetzt verstanden als die jeweilge Organisationsform der Religion) sind so die Primärsubjekte der Menschheitsgeschichte.
Die Geschichte ist aber auch die Geschichte der großen Persönlichkeiten, wenn darunter unter Analogie zu den Propheten Israels das außergewöhnliche Wirken von von Gott Berufener verstanden wird. Gabe und Aufgabe, oder ideeles Wesen und Existenz in Raum und Zeit benennen dabei die Polaritäten, die Geschichte als Ort von Entwicklung, als einen möglichen Ort von Selbstwerdung qualifiziert.

Gibt es ein letztes Ziel aller intendierten Selbstwerdungen? Das übernatürliche Ziel des Reich Gottes muß hinsichtlich aller Selbstwerdungsbewungen als das Endziel betrachtet werden, das aber nur mit Hilfe göttlicher Gnade erreicht werden kann und nur mit ihr erkannt werden kann.

Nicht können Aussagen über den Verlauf, die Entwicklung etc. Bestandtteile der Geschichtsphilosophie sein, weil der Freiheitscharakter der Handlungen der Geschichte eine Aussage über ihren Verlauf wie ihren Ausgang verunmöglichen. Geschichte soll in der geschichtsphilosophischen Reflexion nur auf ihre Konstitutionsbedingungen und auf ihre Ermöglichung von Entwicklung erhellt werden im Wissen um die Differenz von ideelem zu existentiellem Sein, schon präfiguriert in jeder Handlung in der Differenz von Ziel und der dieses Ziel realisieren sollende Handlung.

Auch eine theologische Reflexion wird um des Freiheitscharakters der Handlungen in der Geschichte nicht eine objektive Entwicklung in der Geschichte konstruieren können- sie weiß nur von der Verheißung des Endes der Geschichte nicht als einem Endergebnis einer geschichtsimmanenten Entwicklung, sondern als dem Abbruch der Geschichte durch Gott selbst.

Gehört die Frage der Theodizee mit zu den Fragen einer Geschichtsphilosophie? Ich meine ja, insofern die Theodizee subsumiert wird unter die Lehre im Bereich der natürlichen Gotteserkenntnis- das entspricht ja auch dem faktischen Diskurs der Theodizee, der in der philosophischen Gotteslehre beheimatet ist, auch wenn es immer auch Versuche gab, eine spezifisch christliche Lösung zu suchen. Radicaler ist aber zu fragen, ob es eine Rechtfertigung des Lebens gibt- oder ob der Pessimismus recht hat, wenn er urteilt, daß beste wäre es, nicht geboren zu sein- ist Sein besser als Nichtsein?7

Der Begriff des freien Willens dürfte hier der erste Kandidat zur Lösung des Theodizeeproblemes sein: ohne die Prämisse eines freien Willens ist Geschichte überhaupt nicht denkbar und diese Präsumption jedes Geschichtsdenkens ist auch als der Grund des Seins des Bösen in der Welt zu begreifen. Wollte man um der Verunmöglichung jedes Bösen willen den freien Willen eskamotieren, eine Welt ohne Freiheit denken, so gäbe es keine Geschichte, nur Natur ohne Menschen. Auch könnte keine Religion sein, dessen Substanz die kontingente Beziehung zwischen Gott und Menschen ist, die die Freiheit Gottes wie die des Menschen präsumiert, damit im Kultus die Beziehung Gottes zum Menschen und des Menschen zu Gott verlebendigt werden kann. Ja, die Entzweiung zwischen Gott und dem Menschen, und das ist der Kern des Bösen, ist ja selbst die Voraussetzung für die Religion als das Medium der Aufhebung der Entfremdung zwischen Gott und dem Menschen..Dabei muß Gott auch als frei gedacht werden, damit er „beziehungsfähig“ zu Menschen denkbar wird.

Supplemente

Der Mensch als riskiertes Wesen

Insofern der Mensch Freiheit ist, kann er sich selbst noch einmal zu seinem ideelen Wesen frei verhalten. Darin ist auch inkludiert das Verhältnis des Individuumes zu seinem Gattungswesen und damit zu den anderen Menschen- im Anderen verhalte ich mich immer auch zu meinem Gattungswesen. Das Wesen bestimmt den Menschen nicht sondern dies Wesen ist gerade seine Bestimmung zur Selbstbestimmung gemäß seinem ideelen Wesen. Es wäre keine Freiheit, wenn die Freiheit zur Selbstbestimmung nicht die Möglichkeit beinhielte, sich gegen sein Wesen zu bestimmen. Das ist die notwendige negative Seite der Freiheit, ohne die es keine Freiheit gibt. Der wirkliche Verlauf der Geschichte ist gerade das Produkt dieser Zweiseitigkeit der Freiheit, ohne die es gar keine Freiheit gäbe. Den wahren Menschen gibt es so nicht als Voraussetzung der Geschichte sondern nur als Setzung des sich frei zum wahren Menschsein bestimmenden Menschen.

Weltfremdheit

Als Ich steht der Mensch der Welt gegenüber als das Subjekt und als sich betrachtend konstituiert das Ich sich als ein Objekt unter vielen. Das Subjektsein betont idealistische Philosophie, das Objektsein die materialistische. Wäre der Mensch nur das Welt gegenüberstehende Subjekt, wäre er nur weltfremd und wäre er nur Objekt in der Welt, wäre er nur Weltteil, würde er in ihr aufgehen. Der Emergenzpunkt aller Zivilisation und Kultur als Produkte geschichtlichen Handelns gaben ihren Ursprung einerseits in der Weltfremdheit des Menschen und des daraus resultierenden Willens zur Vermenschlichung der Welt und diese Vermenschlichung der Welt ist dem Menschen möglich, weil er als Teil der Welt auf sie gestaltend einwirken kann. Durch die Humanisierung der Welt beheimatet sich der Mensch in der Naturumwelt, indem er in ihr zivilisierte Kulturräume schafft, in denen er sich beheimatet. Oder in Anlehnung Fichte: die Welt als Nicht-Ich ist dem Subjekt zur Aufgabe gegeben, sie zu einer Heimat des Iches zu gestalten: die Überwindung der Weltfremdheit.

Die Aufgabe der Kunst: der weltfremde Mensch kreiert sich in der Kunst künstliche Welten, in denen er lebt- nicht in der natürlichen Welt lebt der Mensch sondern immer schon in einer von ihm künstlich gestalteten.

Geschichtstelelogie

Ist ein Telos erkennbar, auf dessen Realisierung die Geschichte als Ganzes hinausläuft? Gibt oder kann es so ein Telos der Geschichte geben? Um diese Frage respondieren zu können, müßte die Frage beantwortet werden, was denn das Subjekt dieser Geschichtsentwicklung sein könnte. Wenn Geschichte als Geschichte gedacht werden soll, so daß die Vorstellungsform des Mythos zur Ergänzung geschichtlichen Denkens herangezogen werden muß, dann wird wie der Uranfang der Geschichte, daß Geschichte sich ereignet, auch das Telos ein metageschichtliches Ziel sein. Es soll formal begriffen werden als die Aufhebung der Geschichte in eine neue Einheit mit dem Ursprung.
Entwicklung wäre so die Suchbewegung nach der verlorenen Beheimatung im Ursprung vor der Setzung der Differenz und des Vielerlei als Opposition zur Ureinheit. Ist das Subjekt so die zur Ureinheit zurückwollende Menschheit? Oder müßte das Subjekt nicht das Eine sein, daß das Andere setzt, als freies Gegenüber, um mit ihm eine Geschichte zu eröffnen, die ihr Telos in der aufgehobenen Differenz hätte? Jeder Handlung liegt ein Telos zugrunde, auf das hin die Gesamthandlung konzipiert ist. Ist Geschichte aber etwas Ganzes oder ist das Ganze nur das Resultat von mehr oder weniger widereinander streitender Einzelhandlungszielen?
Sinndeutung von Geschichte?
Ist Geschichtsphilosophie Deutung der Gesamtgeschichte auf ihren Sinn hin?Wäre sie dies, könnte es eine Sinndeutung der Geschichte erst von ihrem ergangenen Ende her geben, Geschichte müßte zu einem plusquamperfektischen Etwas geronnen sein. Solange Geschichte aber noch eine Zukunft vor sich hat, ist so eine Deutung nicht möglich. Niemand lobe den Tag vor dem Abend.

Etwas anderes wäre es, die bisherige Geschichte in Epochen aufzugliedern, in einzelne Sinnabschnitte, so daß gefragt würde: kann dieser konstruierten Geschichtseinheit, die als solche schon zu einem plusquamperfektischen Vergangenem geworden ist, ein Sinn an- oder zuerkannt werden, ohne daß dieser Abschnitt schon als Teil des Ganzen gewürdigt werden könnte, weil die Geschichte noch weiter geht. Möglich wäre dies, schlösse man sich O. Spenglers Verständnis von der Kultur an, die als in sich abgeschlossene Entwicklung in einem Dreiphasenmodell begriffen wird, und eine Prognose über die Entwicklung jeder Kultur erlaubt. Die Menscheitsgeschichte wäre dann der äußere Rahmen für die Geschichte der Entwickelung und des Unterganges spezifischer Kulturen, ohne daß dem Ganzen außer als Ermöglichungsgrund der Kulturen selbst ein Sinn zuzuschreiben wäre. Das bekanntere Modell von Antike-Mittelalter- Moderne-Postmoderne dürfte bei aller Sympathie des ihm innewohnenden Eurozentrismus immer noch eine große Plausibilität aufweisen, zumal nun die Nichteuropäer diese Entwicklung im Prozeß der Globalisierung nachholen. Aber diese material durchgeführten Aufgliederungen gehören nicht mehr in eine geschichtsphilosophische Reflexion. Hier wäre nur zu fragen: wie könnten sich in einer Geschichte rein kontingent vollbrachter Taten Epochen oder Sinnanschnitte herausbilden, in denen sich ein bestimmter Konsensus des Sichverstehens aller Handlungsubjekte herausbilden konnte, so daß es ein gemeinsames Paradigma des Sich-und Weltverstewhens gab, das die Präsumption alles Einzelhandeln war. Hier könnte M. Faucaults Ordnung der Dinge eine Hilfe sein.

Sprachsystem und Parole

In Folge strukturalistischer Sprachphilosophie wird unterschieden zwischen dem bestimmten Sprachsystem und den Sprachhandlungen, wie zu distinguieren ist zwischen dem Regelsystem Schach und den gespielten Schachpartien. Wenn diese Dinstinktion auf den Bereich der Geschichte appliziert würde, könnte dann die Geschichtsphilosophie das Regelsytem der Geschichte im Gegensatz zur sich real ereignenden Geschichte sein, als Rekonstruktion der Ermöglichungsbedingungen für das Daß der Geschichte, als Rekonstruktion der Subjekte möglichen Geschichtshandelns, als Erfassung der Ermöglichungsbedingung des Daß von Entwicklung, isb. selbstbestimmter Entwicklung als ein Spezificum geschichtlicher Handlungen und als Rekonstruktion der Möglichkeiten von geschichtlichen Handelns subjektbezogen- wie erwa das Schachregelsystem die möglichen Handlungen der Einzelfiguren bestimmt, nicht aber ihre realen Spielzüge determiniert sondern erst bestimmte Freiheit ermöglicht.

E.Niekisch schreibt in seiner geschichtsphilosophischen Betrachtung: „Die dritte imperiale Figur“1935: „Staat ist nicht in allen Zeiten und unter allen Umständen dasselbe; jede Zeitlage bringt den ihr angemessenen Typus eines Staates hervor.“ In der Vorstellung der kontextuellen Bedingtheit jeder bestimmten Staatsgestaltung spricht sich der moderne historische Relativismus aus, der hier aber konterkariert wird durch die optimistische These, daß der in einer bestimmten Zeit existierende bestimmte Staat der zeitgemäße sei, und daß die Zeit (welch ein eigentümliches Handlungssubjekt)jeweils die zeitgemäße Ausgestaltung des Staates hervorruft, bis daß dann in der Ägide der technischen Ratio zukünftig der Staat sich auflösen wird in einer Weltgesellschaft, die nur noch aus dem Bureau, dem Planungsbureau und der Fabrik bestehen wird. Damit reiht sich Niekischs Geshichtsphilosophie ein in die, die am Ende der Geschichte, in ihrer letzten und vollkommemdsten Phasen das Ende der Institution Staat sehen, geistesverwandt mit den Propheten des Unterganges der Institution der Kirche im Hoffen auf ein Reich des Geistes, in dem es die Kirche nicht mehr gibt, von Fiore bis Hegel.

Offenkundig kann der Staat mißverstanden werden wie alles in der Geschichte subjekthaft Erscheinende als ein bloß geschichtlich kontingent Entstandenes, das seine Zeit hat und auch wieder vergehen kann. Dies Mißverstehen ist möglich, weil die Substanz des Staates, sein ideeles Sein etwas ist, zu dem sich der Staat selbst noch einmal kontingent verhalten kann. Und er kann sich verfehlen. Niekisch führt zwar den historischen Relativismus begrenzend an: „Man kann sehr wohl sagen, Staat sei die Form, in der ein Volk sein geschichtliches Leben führe“, aber durch die Konstruktion der Figur des Archetypus des Arbeiters, dem eine eigene imperiale Ratio zur Seite gestellt wird, dessen Träger er ist, so daß das eigentliche Subjekt jetzt nicht mehr die „metaphysisch-juridische Ratio“ des „ewigen Römers“ oder die „ökonomische Ratio“ des „ewigen Juden“ sondern die „technische Ratio“ des Arbeiters sei, wird alles Nationale aufgelöst, denn jede dieser drei „Vernünfte“ intendiert die universale Weltherrschaft, die keinen Raum frei läßt für die Vorstellung von Völkern, gar von selbstbestimmungsfähigen Nationen. So wird ihm der Nationalstaat auch nur eine zeitbedingte Staatsform bürgerlicher Herkunft, die mit dem Ende de bürgerlichen Kultur ihr Ende finden wird.

Hier zeit sich exemplarisch anschaulich, wie die Subjekte geschichtlichen Handelns durch ihre Deutung als rein geschichtlich kontingent Enststandenes wieder aufgelöst werden, bis nur noch ein wahres Subjekt der Geschichte übrigbleibt, das imperiale Figuren, die zur Weltherrschaft streben hervorbringt und sie wieder untergehen läßt, um einer neuen imperialen Figur das Schlachtfeld der Geschichte zu räumen. Daß das möglich ist, gründet sich in der Freiheit der Subjekte der Geschichte sich selbst als bloßes zeitgeschichtlich bedingtes und so auch wieder auflösbares Subjekt zu deuten.

Berühmt geworden ist ja M. Foucaults Rede vom Verschwinden der Erfindung: Mensch in seinem Schlußwort seiner „Ordnung der Dinge“: „Der Mensch ist eine Erfindung, deren junges Datum die Archälogie unseres Denkens ganz offen zeigt. Vielleicht auch das baldige Ende.“8 L. Goldmann sagt das selbe etwas anders: „“Unsere Gesellschaft ist eine, in der der Einzelne an sich und damit sein Ablauf seines Lebens und seine Psychologie jede echte Bedeutung verloren haben und auf das Niveau der Anekdote oder der Ausnahme gesunken sind.“9

Nietzsche: „In irgendeinem abgelegenen Winkel des in zahllosen Sonnensytemen flimmernd ausgegossenen Weltalls gab es einmal ein Gestirn, auf dem kluge Tiere das Erkennen erfanden.Es war die hochmütigste und verlogenste Minute der Weltgeschichte, aber doch nur eine Minute. Nach wenigen Atemzügen der Natur erstarrte das Gestirn und die klugen Tiere mußten sterben.-So könnte jemand eine Fabel erfinden und würde doch nicht genügend illustriert haben, wie kläglich, wie schattenhaft und flüchtig, wie zwecklos und beliebig sich der menschliche Intellekt innerhalb der Natur ausnimmt.“ Aber es muß gegen Nietzsche mit E. Hirsch gefragt werden: wer ist denn dieses Ich, daß diese Erkenntnis erkannt hat, gerade weil diese ganz in Widerstreit zum Inhalt der Erkenntnis für diese Erkenntnis einen absoluten Erkenntniswert in Anspruch nimmt.10 Der sich hier aussprechende erkenntnistheoretische Skeptizismus widerspricht sich selbst, indem er seiner Erkenntnis einen Wahrheitswert zuerkennt, dem er jeder Erkenntnis absprechen will. Indem hier das intelligible Ich sich deutet als etwas Bedeutungsloses, verkennt es sich selbst als das Subjekt, daß selbst so bedeutungsvoll erkennen kann.

Alles, was ist und Subjekt geschichtlichen Handelns sein kann, kann sich ob seiner inneren Differenz von Wesen und Existenz, in der es sich selbst noch mal kontingent zu seinem eigenen ideelen Sein verhält, verstehen als boß kontingent in der Geschichte Entstandenes, das so auch wieder sich auflösen kann. Diese Möglichkeit setzt erst die Möglichkeiten frei, daß die Subjekte der Geschichte in der jeweilgen von ihnen gesetzten Selbstbestimmuung eine Konfliktgeschichte der Subjekte hervorbringen, weil nun sich mißverstehende Subjekte den Widerstreit aller gegen alle eröffnen. Die Aufgabe der Geschichtsschreibung ist nun die Darlegung dieser Mißdeutungsgeschichten, die geschichtsphilosophische Reflexion ergründet nur den Ermöglichungsgrund solch einer Konfliktgeschichte. Die Geschichtsschreibung muß dabei aber mit reflektieren, daß jeder indiksativischen Aussagen konjunktivische zugefügt werden müßten: es hätte sich auch anders ereignen können. Wo dieser Konjunktiv fehlt, wird Geschichte naturalisiert.
Die Möglichkeiten der Geschichte ergeben sich so aus den freien Möglichkeiten der Selbstbestimmung und Selbstdeutung der Geschichtssubjekte, und die Konflikte der Geschichte wiederum aus dem Widerstreiten zwischen den Selbstbestimmungen der einzelnen Geschichtssubjekte.

Schicksal und Freiheit
Seneca schrieb: „ Es ist Deine Aufgabe, die erhaltende Rolle gut duchzuführen. Die Rolle auszuwählen, kommt einem Anderen zu.“ „Es kommt, wie es kommen muß, ist die Ausrede aller Faulpelze“. Wilhelm Raabe. „Jeder außergewöhnliche Mensch hat eine gewisse Sendung, die er zu vollführen berufen ist. Hat er sie vollbracht, so ist er auf Erden in dieser Gestalt nicht weiter vonnöten, und die Vorsehung verwendet ihn zu etwas anderem.Goethe zu Eckermann, 1828.Schicksal ist die Berufung zu etwas, zu der sich der freie Mensch verhalten kann, indem er ihr gerecht zu werden versucht oder seine Berufung verwirft. Aber Berufung ist auch dann die Vorsehung, die den Berufenen hin führt auf dem Wege seiner Berufung, aber so, daß der Berufene auf diesem Wege sich zum Wege noch mal frei verhalten kann. Schicksal führt, aber zwingt nicht. Geschichte ohne Schicksal wäre Freiheit ohne Berufung und Führung zur Berufung. Nur wo sich Freiheit abarbeitet an seinem Schicksal, da eröffnet sich der Raum dafür, daß Menschen sich zu Persönlichkeiten entwickeln können.

„Der Mensch hat nur wenig Mitspracherecht in seinem eigenen Leben. Das Schicksal hat das Sagen.“, schreibt M. Cotten in dem Roman: „Hilfe aus dem Totenreich“. Die Antithese formuliert K. May, in „Scepter und Hammer“: „Du bist ein Mann, denn Du glaubst nicht an das Fatum und auch nicht an das Kismet, sondern Du willst durch Deine Arbeit und durch Deine Mühe werden, was Du wirst.“ (S.347f)

Mögliche Grundhaltungen einer Geschichtsphilosophie:

a) die optimistische, b) die tragische, c) die ästhetische
Grundhaltung meint, das Licht, in dem ich die Phänomene der Geschichte sehe, die Farbe der Beleuchtung. Einstein soll gesagt haben, es gäbe nur eine wirklich gewichtig Frage: ob der Mensch in einem ihm positiv zugewandten, einem ihm gleichgültig oder negativ feindlichem feindlichen Universum lebe. Die optimistische Sicht wäre die, daß die Menschheit in einem Universum lebt, das ihm eine positive Entwicklung ermöglicht, weil der Mensch selbst in sich gut ist und die Welt die positive Entwicklung objektiv auch ermöglicht- Geschichte ist so der Prozeß der Positiventwicklung. Tragisch wird die Welt gesehen, wenn der Mensch und das Universum nicht zusammen passen-der Mensch der Feind der Welt und die Welt sein Feind-die Gnosis, oder R. Wagner: „Die tiefste Grundlage jeder wahren Religion sehen wir nun in der Erkenntnis der Hinfälligkeit der Welt,und der hieraus entnommenen Anweisung zur Befreiung von derselben ausgesprochen.“ (Religion und Kunst, 1880) Die ästhetische ist die die, die die Gleichgültigkeit präsumiert und im Schein des Schönen diese Gleichgültigkeit überwindet.Ästhetizismus. Nietzsche: „denn nur als ästhetisches Phänomen ist das Dasein und die Welt ewig gerechtfertigt.“ (Die Geburt der Tragödie) Diese Grundhaltungen sind nun selbst nicht Produkte geschichtsphilosophischen Denkens, sondern Anschauungsformen der geschichtsphilosophischen Betrachtung.
1Vgl: Lukacs, Ästhetik, S.43.
2Lukacs, Ästhetil, S.98.
3 Angehrn, Emil, Geschichtsphilosophie, 1991,S.37.
4Vgl: Luther: de servo arbitrio, Zwingli 1530 Sermon über die Vorsehung Gottes, Calvin über die Vorsehung in seiner Institutio.
5Musil, R. Der Mann ohne Eigenschaften, 1981 S.26.
6Der Typos des Propheten soll hier meinen: der Archetypus aller zu Außergewöhnlichem berufener Menschen.

7Vgl dazu etwa: Lütkehaus, Ludger, Nichts. Abschied vom Sein. 2003.
8Foucault, S.462.
9Zitiert nach: Willemsen, R., Der Knacks, S.117.

10Vgl: Hirsch, E., Deutschlands Schicksal, 1922.

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