Feuer
frei- auf das Christentum-
oder
eine neue Kirchenlehrerin?
Marion
Zimmer Bradley erzählt in einem großen Epos, „Die Nebel von
Avalon“ von der guten alten Zeit, der untergegangenen, als das
Christentum kam und alles zerstörte. Im Gewand einer Nacherzählung
der König Artus Sage malt die wirklich schriftstellerisch
talentierte Autorin ein lebendiges Heidentum uns vor Augen, das
seinem Feind, dem Christentum erlag. Der Kontrast:
heidnisch-christlich bildet so den Hintergrund der großen Erzählung
mit ihren Helden und ihren tragischen Schicksalen. Hier soll jetzt
nur der Hintergrund interessieren. Denn in diesem Hintergrund
eingeschrieben ist auch eine „Reformagenda“ für das jetzige
Christentum: was müßte sich ändern, damit die christliche Religion
wieder für uns heutige Menschen akzeptabel wird? In eigentümlicher
Weise werden dabei die Normen postmodernen Denkens in die
„vorchristliche“ Religion projiziert mit dem Anspruch, daß eine
Rückbesinnung auf dies Gute das beste Therapeuticum für das Jetzt
ist.
Ganz
im Geiste der Postmoderne ertönt es gleich im Prolog: „Denn das
wissen die Priester [die christlichen]mit ihrem Einen Gott und der
Einen Wahrheit nicht: Die eine wahre Geschichte gibt es nie und
nimmer. Die Wahrheit hat viele Gesichter, und die Wahrheit ist wie
der alte Weg nach Avalon: Es hängt von deinem Willen und deinen
Gedanken ab, wohin der Weg dich führt. Es hängt von dir ab,ob du am
Ende die Heilige Insel der Ewigkeit errreichst, [Avalon als Ort
gelebten Heidentums] oder ob du bei den Mönchen [den christlichen]
mit ihren Glocken, ihrem Tod, ihrem Teufel, ihrer Hölle und ihrer
Verdamnis ankommst...“1
Christentum heißt erstmal, daß es nur die eine Wahrheit gibt und
daß der, der sich ihr nicht unterwirft mit dem Teufel, der Hölle
und der Verdamnis zu rechnen hat. Den christlichen Priestern zur
Seite gestellt sind ihre „Sklavinnen“2
die Nonnen, denen dann die guten heidnischen Priesterin
gegenübergestellt werden.
Das
Christentum: „aber die Anhänger Christi haben sich nicht dafür
entschieden zu sagen, daß sie
keine
anderen Götter neben ihrem Gott haben, sondern daß es außer ihrem
Gott keinen anderen Gott gibt
.“3Das
Christentum ist so die Religion der Intoleranz, weil sie die
subkjektive Entscheidung, daß es für den Christen nur den einen
Gott geben soll, in eine objektive Wahrheit veändern, als gäbe es
nur den einen Gott! Dieser Ein-Gott-Glaube ist dann auch
selbstverständlich zutiefst frauenfeindlich, denn der „Eine- Gott“
schließe die Geschlechtspolarität aus, daß es einen Gott und eine
Göttin gebe. „Kein Gott kann allein über alle Dinge
herrschen...und die Göttin, die Mutter...?“4Der
Ausgrenzung der Göttin folge dann die Verteufelung der Frau: „Sie
glauben, […]
daß
es keine Göttin gibt. Denn das Wesen der Frau, so behaupten sie, sei
das Wesen alles Bösen. Durch die Frau, so behaupten sie, kam das
Böse in die Welt, und sie beweisen das mit der unwahrscheinlichen
Geschichte von einem Apfel und einer Schlange.“5
Der
eine Gott ist so per se der Gott der Intoleranz. Ganz anders die
Heiden: „denn in unserer Zeit [der heidnischen] gab es Anhänger
anderer Götter, und sie achteten die Götter anderer.“6
„Unsere Welt [die heidnische], in der die Göttin und der Gehörnte,
ihr Gefährte , herrschen, die Welt, die du kennst., die Welt vieler
Wahrheiten [...]“7,
das ist das Positive, in der die Göttin und der Satan , das ist der
Gehörnte regieren. Dem wird die negative christliche Welt
entgegengestellt, die der einen Wahrheit, in der gilt: Gott oder
Satan.
Der
christliche Gott „hat allen anderen Göttern den Krieg erklärt und
jeden erschlagen, der ihn nicht verehren will [...]wir können nur
beten, daß uns diese tödliche Liebe deines Gottes [der
christliche]erspart bleibe.“8
Ja, der Gott der Christen wird dann stereotyp beschrieben als: „
Ja; ihr Gott schien ein Gott der Angst und der Strafen zu sein.“9
In der Totenmesse hört man: „wie der Priester düster vom
Jüngsten Tag, von Gottes Gericht und seinem Zorn sang, wenn die
Seele vielleicht der ewigen Verdammnis überantwortet wurde.“10
Die Christen wissen eben nicht, „daß der Tod nichts anderes war
als die Pforte zu einer neuen Geburt. Deshalb konnte sie ihren Gemahl
nicht verstehen. Wieso hat ein Christ solche Angst und zittert vor
seinem ewigen Frieden? Sie erinnerte sich an einige der düsteren
Psalmen, die der Vater Columba gesungen hatte. Ja, ihr Gott schien
ein Gott der Angst und der Strafe zu sein.“11So
wunderen wir uns nicht zu lesen: „ ...manchmal ist mir dieser Gott
unerträglich und ich wünschte, ich könnte ohne die Androhung der
Verdammnis den weisen Druiden glauben; sie sprechen nicht vom
Gericht, sondern nur von dem, was der Mensch sich im Laufe seines
Lebens selbst aufbürdet.“12
Interessant ist, wie gerade hier das postmoderne Ideal der
unbegrenzten Pluralitätsbejahung in das gelebte Heidentum
zuückprojiziert wird, um es dem jetzigen Leser als
Zukunftsverheißung, so sollte es wieder sein, anzubieten.
Eines
fällt sofort auf: das, was uns hier als das Bild des Christentums
und der Kirche vor Augen gemalt wird, gleicht erstaunlich dem
Zerrbild, das Modernisten von der vorkonzilisaren Kirche sich
ausmalen. Ja, man könnte jetzt beruhigt urteilen,daß die Kirche
seit dem Konzil doch schon die meisten der hier von Zimmer Bradley
beklagten Mißstände beseitigt habe. Aber genau das müßte uns
auch beunruhigen. Ist es denn legitim, all diese unerfreulichen
Wahrheiten abzuschaffen, nur weil sie uns nicht gefallen. Daß von
dem göttlichen Gericht, der Strafe nichts mehr gesagt wird, nicht
etwa weil es unwahr wäre, sondern weil es die Menschen nicht mehr
hören wollen, ist das Problematische dieser Reform des
Christentumes. Diese Umformung verdankt sich ja nicht einem
theologischen Erkenntniszugewinn oder einer vertieften theologischen
Erkenntnis sondern einzig dem Wunsche, den Publikumsgeschmack zu
treffen.
Und
das besonders Problematische: wer sagt uns denn, daß es wahr ist,
daß „alle Götter ein Gott sind“ wie es gleich im Prolog
heißt?13
Aber wir können es nicht übersehen, daß das Friedensgebet zu
Assisi dieser Vorstellung schon sehr nahe kam.
Eigentümlich
ist dabei, daß einerseits von einer Pluralität von Wahrheiten
ausgegangen wird und das andererseits gerade die Wahrheit des
Christentums verneint wird. Die Wahrheiten der christlichen Religion
gehören nicht zum legitimen Pluralismus.Es gibt kein göttliches
Gericht, keine Verdammnis, keine Unterscheidung von dem wahren Gott
und den Götzen.Wie kann eine so pluralistisch sich gebende
„Religionsphilosophie“ so ausschließlich ihre Wahrheiten als
Wahrheiten deklarieren?
Was
ist denn nun die implizite Reformagenda dieses Schreckensbildes des
Christentumes? Es soll all das abschaffen, was stört! Aus dem einen
Gott soll ein Gott werden, dem es gleichgültig ist,unter welchem
Namen wir ihn anrufen. Alle Religionen sind so wahr, wenn sie ihre
eigene Relativität einsehen . Aber sie sind es nur, wenn sie sich
selbst relativieren gegenüber der einen absoluten Wahrheit, daß
alle Götter eins sind. Gott unterscheidet so nicht als der Eine, der
hinter allen Göttern ist und so richtet er auch nicht und verurteilt
niemanden. Hinter der „idyllischen“ Vorstellung, daß die Göttin
mit dem Gehörnten, mit Luzifer zusammen die Welt bestimme,14
zeigt sich geradezu eine postmodernistische Lust am Auflösen aller
Polaritäten: es soll nicht mehr zwischen wahr und unwahr,gut und
böse, schön und häßlich unterschieden werden, oder wenn, dann
immer nur als die zwei Seiten des Einen, die zusammen nur das Leben
ausmachen.
Die
christliche Moral, wie jede, lebt von der Unterscheidung: es wird
Gott von den Götzen unterschieden, das Wahre vom Unwahren usw. Alles
Unterscheiden hat seinen Urgrund dabei in der ersten Unterscheidung,
der von Gott und Nichtgott.Wird diese Unterscheidung außer Kraft
gesetzt, fallen auch alle anderen Unterscheidungen. Dann können
plötzlich Homosexuelle eine Ehe führen, dann soll es nicht mehr
Mann und Frau geben, sondern nur noch Menschen, dann darf es keine
Natur des Menschen mehr geben, von der man den sich von ihr
entfremdenden Menschen unterscheiden könnte. Alles löst sich auf im
Jahrmarkt der unbegrenzten Möglichkeiten: wir sind beim heutigen
Kirchentagschristentum angekommen.
Könnte
es so gesehen so sein, daß das Reformprogramm dieser Autorin schon
längst in der Kirche angekommen ist? Daß wir also in diesem
Zerrbild der Kirche nur das vor Augen geführt bekommen, was einst
die traditionelle Kirche auszeichnete, bevor sie sich
postmodernistisch umformte? Selbstredend ist der Protestantismus dem
etwas „unbeweglicheren“ Katholizismus weit voraus-aber die
Reformkräfte zumindestens im deutschsprachigen Raum drängen
kräftig darauf, nachzuholen. Und ein paar Siege sind unverkennbar:
Von Gericht, Hölle und Verdamnis spricht in der Kirche heute
niemand mehr-und daß die christliche Religion die einzig wahre
ist,sagt auch fast niemand mehr.
Ist
so gesehen Zimmer Bradley nicht viel mehr die Kirchenlehrerin unserer
Zeit als so manch heilig gesprochenem. Nur darf selbstredend der
größte Kirchenlehrer der Gegenwart, Willy Millowitsch nicht
übersehen werden: „Wir sind alle kleine Sünderlein- und kommen
alle in den Himmel. Aber diesem sicher subordiniert müssen wir wohl
diese Autorin auch als faktische Lehrerin der Kirche anerkennen. Sie
zeichnet uns ein Bild des gelebten Heidentumes ganz im
feministisch-postmodernistischen Geiste, nicht in der Intention, daß
sie nun auf eine Renaisance des Heidentumes hofft, wohl aber in der
Erwartung, daß das so kritisierte Christentum einsieht, sich den
Anliegen der Postmoderne annehmen zu müssen, um auch zukünftig noch
akzeptiert zu werden. Es soll von dem idealisierten Heidentum in
seinem Polytheismus lernen, um lebensfähig in der Postmoderne zu
sein. Das ist ein Programm, das gerade unter der Flagge des
„interreligiösen Dialoges“mehr Anhänger hat, als es der
Wahrheit des Glaubens gut tut. Erfolgreich ist dies Konzept aber
gerade auch deshalb, weil es gelingt, die Tradition der Kirche so
verzerrt darzustellen, wie es gerade diese Schriftstellerin
erfolgreich praktiziert, daß jeder Leser spontan urteilt: das kann
und darf so nicht wahr sein. Wie es wirklich war, das muß diesen
Zerrbildern entgegen ´gestellt werden, um der Wahrheit der Kirche
willen.
1Marion
Zimmer Bradley, Die Nebel von Avalon, 821- 890 Tausend Ausgabe,
November 1993, S.9.
2Avalon
S.8.
3Avalon
S. 24.
4Avalon
S.24.
5Avalon
S.24.
6Avalon
S.24.
7Avalon
S.26.
8Avalon
S.35.
.
9Avalon
S. 64.
10Avalon
S.65.
11Avalon,
S.64.
12Avalon
S. 67.
13Vgl:
Avalon,S.9.
14Vgl:
Avalon S.26.
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