Donnerstag, 23. Oktober 2014

Politische Korrektheit und die christliche Religion

Der Kampf um die Luftherrscaft im Wertehimmel über Europa

Eine Alltagsszene:

Irgendwo in deutschen Landen in einer Restauration: Papa, kann ich zum Nachtisch einen Negerkuß bekommen? Fragende Kinderaugen und entsetzte Eltern: erst ein Zigeunerschnitzel- nicht politisch korrekt ein Roma/Sinti-Schnitzel bei der Kellnerin geordert und jetzt dieser Fauxpas! Verlegenes Umsichherumschauen- hat das wer mitgehört? Kommt gleich ein besorgter Geschäftsführer politisch korrekt Aufsicht führend , um zu erklären, daß man das Speiselokal zu verlassen habe, da solche rassistisch- ausländerfeindlichen Äußerungen in einer deutschen Gaststätte nicht mehr toleriert werden können? Die Postmoderne ist so gerade nicht eine des: Anything goes sondern eine, die alle alten Tabus aufgelöst nun neue Tabuisierungsstrategien sucht!

Die Politische Korrektness ist so etwas tief in unser Alltagsleben Eingeschriebenes- es prägt die Alltagskultur des spontanen Urteilens : das gehört sich so- man tut das so. Die Omnipräsenz der Massenmedien ersetzt dabei das, was einst die Tradition leistete: einen Bodensatz unhinterfragbarer Grundgewißheiten bereit zu stellen für das soziale Miteinander. Dieser Kanon von Man-Gewißheiten, so hat man über das und dies zu denken und zu reden, eröfffnet nun notwendigerweise einen Schattenraum des Ausgeschlossenen- der Lebensraum des Dissidenten, des unzeitgemäßen Denkens. Und zusehens gerät die Katholische Kirche in diesen Schatten des Unerlaubten, wenn sie sich nicht anpaßt.

Politische Korrektheit

Politische Korrektheit ist aber mehr als nur eine lästige Beeinträchtigung der Denkfreiheit, mehr als nur die schon längst verinnerlichte Vorzensur in unseren Massenmedien, die Uniformität von der TAZ bis zur FAZ. Ein kühner Gedanke steht am Anfang dieser Weltanschauung: daß der Mensch sich nicht unmittelbar zu seiner Umwelt verhält sondern zu ihr, wie er sie wahrnimmt.Der Mensch lebt immer schon in einer von ihm gedeuteten, ausgelegten Wirklichkeit. Nur, diese Weltauslegung ist nun nicht das Produkt individueller Subjekte, sondern ein soziales Produkt. Die Gesellschaft setzt dem Individuum die Brille auf, durch die er erst sich und anderes wahrnimmt. Gelungene Sozialisation ist, wenn der Erwachsene die Welt sieht, wie er sie zu sehen hat. Die Intention der politischen Korrektheit ist es so, ein für alle am öffentlichen Leben Partizipierenden verbindliches Paradigma der Wirklichkeitswahrnehmung zu installieren. Die Rolle der öffentlichen Religion in vormodernen Gesellschaften übernimmt so die Ideologie der Politischen Korrektheit. Die PC sagt nicht, was ist, sondern sagt, wie Wirklichkeiten wahrzunehmen sind.

Wer von der Politischen Korrektheit ernsthaft reden will, darf nicht dabei stehen bleiben, sie als Beeinträchtigung der Gedanken-und Meinungsfreiheit zu kritisieren, so bedenklich auch der Versuch der ersten türkischen Ministerin Niedersachsens war, durch eine Selbstverpflichtung alle Medien auf eine politisch korrekte Vorzensur einzuschwören. Nein, das Projekt der Politischen Korrektheit beinhaltet mehr: daß entgegen dem Traum einer säkularisierten Gesellschaft, in der alles und jedes tabufrei öffentlich in Frage gestellt und alle Legitimitätsansprüche kritisierbar sind- der linke Zeitgeist selbst seine weltanschaulichen Vorgaben tabuisiert, um sie so jeder Kritik zu entziehen. Diese Tabuisierung gibt dieser Ideologie die Form einer öffentlichen Religion.

Die Wiederkehr der öffentlichen Religion?

In der Antike unterscheidet man zwischen der Privatreligion, der Religion der Philosophen und der öffentlichen. Für das Funktionieren der Gesellschaft galt es als notwendig, daß es eine öffentliche Religion gebe, die von allen anerkannt, die Funktion einer Letztbegündung für alle Fragen des gesellschaftlichen Lebens übernehme. Die Hoffnung des Säkularismus war nun die, daß das von allen anerkannte Prinzip des freien Marktes als das Ordnungsmodell der Gesellschaft jede weiteren Werte- und Normenhimmel überflüssig mache.. Gianni Vattimo bezeichnet dieses Stadium der Entwicklung als das des vollendeten Nihilismus: „Auf diese Weise ist der Nihilismus die Reduktion von Sein auf Tauschwert.“1 Aber das Projekt einer völlig säkularsierten und damit nihilistischen Kultur scheint sich als Illusion zu erweisen. Oder der Prophet des Nihilismus, Nietzsche bekommt nun doch noch recht in seiner Verheißung, daß der Nihilismus nur eine Durchgangsphase ist für einen neuen Wertehimmel. Nicht kommt nun aber die Stunde der wahren Konservativen, die ewig gültige Wahrheiten neu in Geltung zu bringen versuchen, wie es etwa Moeller van den Bruck..fordert oder ein neuer Rekurs auf das Naturrecht im katholischen Sinne, wie es Papst Benedikt XVI. anmahnte. Neue Werte werden gesucht.

Mögliche Kandidaten für den neuen Wertehimmel

Wir erleben und erleiden jetzt als Reaktion auf das Scheitern der Hoffnung auf eine völlig säkularisierte Gesellschaft den Etablierungsversuch einer neuen öffentlichen Religion. Als Kandidaten kämen ein Christentum, evtl. als Zivilreligion verdünnt, der politische Islam, die Politische Korrektheitsideologie verbunden mit der Holocaustreligion in Frage! Ein Prophet müßte man sein, um den Ausgang dieses Kampfes vorausssagen zu können. Die demographische Entwicklung spricht längerfristig für ein Europa unter dem Banner des Islam, die aktuelle Kampfsituation für den Sieg der Holocaustreligion im Verbunde mit der Politischen Korrektness- wohingegen das Christentum wie der Nationalismus als die Prägekrafte des 19. und 20. Jahrhundertes eher als schwach erscheinen. Nur ein Konsens zeichnet sich ab, daß auch die (postmoderne) Gesellschaft nicht ohne einen letztbegründenden Wertehimmel auskommt- und so der Kampf um die Luftherrschaft über Deutschland eröffnet ist.
Abschied vom Fortschrittsmythos

Von einer Vorstellung muß aber Abschied genommen werden: von der des Fortschrittes, daß es einen die Menschheitsgeschichte innewohnenden unumkehrbaren Fortschritt gäbe in einer einheitlichen Entwicklung von einem Mehr an Naturbeherrschung und einem damit unaufhaltsam voranschreitenden Versittlichungs- und Humanisierungsprozeß der Menschheit. Diese naiv optimistische Vorstellung dient ja nur dazu, die Vorherrschaft progressiv-revolutionären Denkens zu etablieren, indem alles Nichtprogressive als von der Zeit Überholtes diffamiert wird. Wir erleben und erleiden Geschichte eher als einen Wechsel von kulturellen Grundparadigmen, die jeweils eine Epoche bestimmen,(vgl.etwa: Foucault, Die Ordnung der Dinge 1966) wobei diese Wechsel aber kein Paradigmen übergreifenden Fortschritt zu immer „Besserem“ meint. Die Vorstellung des Fortschrittes ist selbst eine Idee des modernen Paradigmas und keine ewig gültige Wahrheit. Die Renaissance des sich revitalisierenden politischen Islam ist so gesehen nicht ein Versuch reaktionärster Kreise, mit Mitteln des Mittelalters Probleme der Gegenwart zu lösen, sondern zeigt ein Spezificum der Postmoderne auf: daß veraltet erscheinende Gesellschaftsmodelle wider tagespolitische Relevanz bekommen können.

Es gibt keinen unumkehrbaren Fortschritt von der religiös über die metaphysischen zur positivistisch verfaßten Gesellschaft wider A. Comte aber auch keine Garantie einer Renaissance des Christentumes etwa im Geiste von Novalis: „Christentum oder Europa“. Es ist eine offene Situation, in der nur eine Option, die der Hoffnung auf eine völlig durchsäkularisierte Gesellschaft an Überzeugungskraft verliert. Aber es kann nicht übersehen werden, daß die Holocaustreligion im Verbund mit der Politischen Korrektness Feldvorteile für sich gewinnt.

Anmerkungen zur Holocaustreligion

Deshalb ein paar Worte zu ihr im besonderen. Auch in ihr steht, wie in jeder traditionellen Religion ein Opfer im Zentrum-der Holocaust. Angesichts dieses Opfers kann nun einerseits gesagt werden, daß es das einzig wahre Verbrechen ist, dem kein anderes gleichzusetzen oder auch nur vergleichbar sei. Das hat zur Folge, daß eigentlich nur die Urheber dieses Opfers Sünder/ die Bösen sind und somit alle anderen entschuldigt: so schlimm sind wir nicht. Andererseits kann jede Tat, wenn sie denn eine Ähnlichkeit mit dieser Urtat des Bösen hat, so auch als Sünde qualifiziert werden. Gut und Böse werden so auf den Holocaust als dem moralischen Maßstab schlechthin ausgerichtet. Als oberste Handlungsmaxime setzt die Holocaustreligion: Nie wieder! statt der obersten christlichen Maxime der Sorge um das Seelenheil. Somit gilt jede Haltung und Handlung, die Ähnliches bewirken könnte als verwerflich und jede, die Ähnliches verhindert als gut. Was nun materialiter Gut und Böse ist, das ist Sache des öffentlichen Diskurses der neuen öffentlichen Religion. Als öffentliche Religion besitzt sie einen totalitären Charakter. Darum reicht ihre Prägekraft von der banal anmutenden Frage: was muß ich jetzt statt des Wortes: „Negerkuß“ sagen bis hin zur Frage, ob der deutsche Kriegseinsatz in Jugoslawien legitim war, um einen Völkermord zu verhindern, weil es gelte, einen zweiten Holocaust zu verhindern.

Die sich zur öffentlichen Religion entwickeln wollende Holocaustreligion verlangt nun die Unterordnung aller anderen Religionen unter sich als Privatreligionen. Als legitime Privatreligion kann dann nur noch gelten die, die die inhaltlichen Vorgaben der politischen Religion bejaht und all ihre Inhalte kompatibel zu den Vorgaben der öffentlichen Religion umgestaltet. Das ist einerseits das Konzept eines europäischen Islam und das eines modernisierten-liberalen Christentums. Unter dem sogenannten Reformstau innerhalb der Katholischen Kirche ist so der Mangel an Unterordnung unter die Vorgaben der Holocaustreligion zu verstehen.

Interessant ist dabei, daß nun auch andere Interessengruppen ihre Anliegen mit denen der Holocaustreligion zu verbinden suchen. Sie docken sich sozusagen an. Da wäre einerseits der Feminismus in der Gestalt der Genderideologie und die starke Homosexlobby, die jede Kritik an der Homosexualität zu einer unverzeihlichen Sünde hochstilisieren möchte. Die neue öffentliche Religion ist noch im Werden und so könnten diese zwei Strömungen Bestandteil dieser neuen Religion werden.

Auch diese neu sich etablierende politische Religion kommt nicht ohne ihre Ketzer aus. So entsteht neben den sich unterordnenden Privatreligionen und Privatweltanschauungen der Raum des Unerlaubten, des Ausgegrentzten. Die sogenannten „Revisionisten“ sind so die Häretiker der neuen Religion, wie im realen Sozialismus die Dissidenten und für das Christentum die Ketzer.

Ein Resümee:
Das, was man die Politische Korrektheit und die Holocaustreligion nennt, ist nicht hinreichend verstehbar ohne die Wahrnehmung des Zusammenhanges vom Ende der Illusion der Überlebensfähigkeit einer durchsäkularisierten Gesellschaft und dem Willen zur Etablierung einer neuen politischen Religion als das Band, das die auseinanderdriftende zusammenhalten und die grundlose postmoderne Gesellschaft fundieren soll. Für uns Christen ist dabei wichtig, daß diese neue öffentliche Religion die Unterordnung des Christentums unter sich einfordert und daß dies eine Umgestaltung der christlichen Religion verlangt.


1Vattimo, G., Der Nihilismus als Schicksal. Apologie des Nihilismus, in: Vattino,G., Das Ende der Moderne, 1990 S.25.

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