Der verschwundene Tod
„Wir sind um ein
Interesse ärmer geworden: das „Nach-dem Tode“ geht uns nichts
mehr an! -eine unsägliche Wohltat, welche nur noch zu jung ist, um
als solche weit- und breithin empfunden zu werden.-Und von neuem
triumphiert Epikur!“1
Epikur, das meint: wenn ich bin, ist der Tod nicht und wenn der Tod
ist,bin ich nicht. Weil der Tod die reine Nichtung des Iches ist,
kann es meinen Tod nicht geben. Es gibt nur andere, die von mir
aussagen, daß ich tot sei, aber das ist nicht mein Tod. So schrieb
es Friedrich Nietzsche in seinem Werk: „Morgenröte. Gedanken über
die moralischen Vorurteile“. Der Tod ist für diesen Denken ein
Problem der Moral.
Konstitutiv für die
christliche Moral ist die Vorstellung eines Lebens nach dem Tode.
Dort wo der Trieb zum Leben allein noch nicht stark genug sei,um die
Vorstellung eines ewigen Lebens als Verheißung zu empfinden, ja wo
die Vorstellung eines endgültigen Todes als gleichwertige Verheißung
zur Vorstellung eines ewigen Lebens empfunden wurde, dort wurde die
„neue Lehre, daß auch der Sünder und Unerlöste unsterblich sei,
die Lehre vom Ewig-Verdammten“2
entworfen.Zweiseitig ist so die Vorstellung der Unsterblichkeit:
ewiges Leben oder ewiges Verdammtsein. Genau diese Zweigesichtigkeit
der Vorstellung vom „Nach-dem-Tode“ konstituiert nun die
christliche Moral. Denn die christliche Moral ist in ihrem Kern eine
Lohn/Strafe-Moral. Als „Grundwahrheiten unseres Glaubens“ bekennt
1950 noch das offizielle Gebet-und Gesangbuch des Erzbistum München
und Freising: „Gott belohnt das Gute und bestraft das Böse. Ewige
Seligkeit oder ewige Verdammnis wird das endgültige Geschick der
unsterblichen Seele sein.“3
Die Konstitutiva sind
klar: die Vorstellung von der unsterblichen Seele, die so es
denkmöglich macht, daß von mir ewiges Leben oder ewiges
Verdammtsein ausgesagt werden kann, wobei das Ich als sich identisch
bleibendes Subjekt der Garant dafür ist, daß es meinen Tod, mein
ewiges Leben und meine ewige Verdammnis geben kann. Nietzsche will
nun dieses Ich negieren, indem er den Tod im Geiste Epikurs als reine
Nichtung des Iches vorstellt.
Fällt die Vorstellung
einer postmortalen Belohnung oder Bestrafung aus, dann würde nach
Nietzsche der christlichen Morallehre ihr Fundament entzogen. Ja,
nicht einmal die Verheißung des ewigen Lebens auf sich allein
gestellt, reichte zur Fundierung der Moral aus. Denn wo der Trieb zum
Leben nicht sehr stark sei, da wird die Aussicht auf Unsterblichkeit
nicht selbstverständlich als wertvoller als die eines endgültigen
Nichtmehrseins, des Todes erachtet werden. Nebenbei: Für Nietzsche
ist die „Lohn-und Straf-Lehre“ nachträglich durch Paulus und die
Kirche in die Verkündigung Jesu in ganz absurder Weise hineingemengt
worden.4
Damit radikalisiert Nietzsche die protestantische Kritik der
kirchlichen Tradition im Namen der alleinigen Autorität der Hl.
Schrift, indem er nun selbst die Schrift als kirchliche Verfälschung
des eigentlichen Wollens Jesu destruiert.
Daß das ewige Leben im
Himmel vielleicht gar nicht so beglückend sei, als daß es
erstrebenswert wäre, dafür hier auf Erden die Kreuzesnachfolge
Christi anzutreten, dieses Gerücht hat nicht erst mit Ludwig Thomas
Satire: Ein Münchner im Himmel“ seine Anhänger gefunden. Schon
Jean Paul schreibt in seinem Vorspiel des Titan, „Der Traum der
Wahrheit“ „Aprodite, Aglaja, Euphrosyne undv Thalia sahen einst
in das irdische Helldunkel hernieder und, müde des ewig
heiteren,aber kalten Olympos, sehnten sie sich herein unter die
Wolken unserer Erde, wo die Seele mehr liebt, weil sie mehr leidet,
und wo sie trüber, aber wärmer ist.“5
Man kann und darf wohl
vermuten, daß das Nachlassen des Triebes zum Leben, lohnt es sich
denn, zu leben, wäre es nicht besser, erst gar nicht geboren zu
sein?-dieser Frage widmet Lütkehus ja sein großes Werk:
„Nichts“-eine Manifestation kultureller Dekadenz ist. Das Leben
ist sich fragwürdig geworden und bedarf einer Selbstrechtfertigung:
warum ist es oder wäre es nicht besser, nicht zu sein? In einem
solchen geistigen Klima stößt die Verheißung ewigen Lebens nicht
mehr auf offene Ohren und wenn gar der Preis für den Eintritt in
dieses Leben die Kreuzesnachfolge ist, dann rechnet der moderne
Mensch: lohnt sich das? Dostojewskijs Iwan wolllte seine
Eintrittsbillet in das ewige Leben um des Leidens eines einzigen
unschuldigen Kindes zurückgeben: wenn das Leid auch nur eines Kindes
notwendig sei für das ewige Leben, dann will er auf dieses ewige
Glück verzichten. Sagte Paulus noch, daß all das irdische Leiden
nichts sei angesichts der Überfülle der Verheißung des ewigen
Lebens, so widerspricht hier jetzt nicht nur Dostojeskijs Iwan. Wird
in der zeitgenösischen Predigt, wenn denn überhaupt noch das Thema
des ewigen Lebens angesprochen wird, der Schwerpunkt auf die
Verheißung einer ewigen Gemeinschaft mit Gott gelegt, so muß
konstatiert werden, daß den meisten Zeitgenossen, denen in ihrem
Erdendasein Gott eine gut verzichtbare Größe ist, diese Verheißung
auch nicht begeistern wird. Weder ewiges Leben noch ewige
Gemeinschaft mit Gott, lieber ewig seine Ruhe im Tode. Oder
anschaulicher: Todsein, ist,wie am Sonntagabend zu Bette zu gehen,
einzuschlafen und nie wieder durch einem Morgenwecker aus dem Schlafe
gerissen zu werden.
Seit dem die Vorstellung
der ewigen Verdammnis in der praktischen Verkündigung der Kirche
nicht mehr vorkommt, erfreut sich auch unter Christen die
epikureische Vorstellung zunehmender Beliebtheit: Todsein, dann ist
einfach alles aus, man hat seine Ruhe. Daß der Tod so wahrgenommen
werden kann, hat seinen tiefsten Grund im Verschwinden von der
Vorstellung von der unsterblichen Seele.
Aber mit diesem Verlust
löst sich auch das Fundament der christlichen Moral auf. Es wird
fragwürdig, ob Gott wirklich die Guten belohnt und die Bösen
bestraft. Daß in unserem Erdendasein diese Gerechtigkeit Gottes
nicht erfahren wird, ist schon dem Prediger Salomos zum Problem
geworden, das erst in der Ausrichtung auf ein eschatologisches
Endgericht seine adäquate Lösung fand. Fällt diese Vorstellung
aber aus, dann besteht die Gefahr der Auflösung aller christlichen
Ethik Denn sie ist ja keine Lehre vom guten Leben in dem Sinne, daß,
wer christlich lebt, auf Erden besser und schöner lebt als der
Nichtchrist.
Nietzsche beweist ein
gutes Gespür für die Achillesferse der christlichen Morallehre:
ihre eschatologische Ausrichtung, ausgehend von der Reich Gottes-
Verkündigung Jesu, steht und fällt mit der Vorstellung, daß ich am
ewigen Leben postmortal partizipieren kann und daß es für mich das
höchste Ziel ist, dieses ewige Leben zu erreichen. Und für diese
Vorstellung ist der Begriff der unsterblichen Seele konstitutiv. Wird
er aufgegeben,entschwindet der gesamte Vorstellungskomplex von einem
postmortalem Danach im Hoffen auf ein bloßes: Nichts mehr.
Aber, das war nun zu
vorschnell gedacht.
E.Jüngel hat in seinem
Werk: „Der Tod“ eine beachtenswerte Betrachtung zum Verständnis
des Todes vorgelegt, die hier nun für diese Erwägung fruchtbar
gemacht werden soll. Dabei wird sich zeigen, daß gerade die Schwäche
dieser Konzeption, der nicht ausreichend begründete Abschied von der
platonischen Idee der unsterblichen Seele diese Konzeption selbst
dekonstruiert und so als Alternativhoffnung entgegen der
Autorenintention die Vorstellung eines natürlichen Todes freisetzt.
Der natürliche Tod impliziert dabei notwendig die These Epikurs, daß
es meinen Tod nicht geben kann, weil der Tod die pure Nichtung ist.
Unter Tod versteht
Jüngel, und damit wird er dem Gesamtzeugnis der Hl.Schrift gerecht,
daß der Mensch ohne Beziehung zu Gott lebt. Der ewige Tod ist dann
die Perpetuierung dieser Beziehungslosigkeit des Menschen zu Gott.
Mit diesem Verständnis von Tod kann dann auch die Rede vom Tode des
Menschen in seiner Sünde gerecht werden und gegen Jüngel kann dann
auch der ewige Tod begriffen werden. Nicht, daß Gott keine Beziehung
zum Toten oder zum Todsünder hätte, nur daß diese nicht die der
göttlichen Liebe ist. Er steht unter dem Zorne Gottes, aber immer
auch unter der Verheißung, daß Gott nicht den Tod des Sünders
will, sondern daß er umkehre, um zu leben. Ein solch
relationsontologisches Verständnis vom Tod wird dann auch der
Aussage, daß Gott das Leben ist, gerecht, insofern nun vom
menschlichen Dasein ausgesagt werden kann, daß es nur ob seiner
Teilhabe an diesem wahren Leben Leben ist. Die Todsünde ist die
Nichtung diese Lebensbeziehung. Damit dies aber auch gedacht werden
kann, muß der Mensch als Subjekt noch einmal von seiner Relation zu
Gott unterschieden werden: er ist nur relationsfähig als Substanz
mit Subjektcharakter. Dies vernachlässigt Jüngel, so daß er vom
Gestorbenen nicht mehr aussagen kann, daß er relationslos zu Gott
ist, da er, der protestantischen Vorstellung vom Ganztod folgend, den
Tod als reine Nichtung des menschlichen Subjektes denkt. Wo kein
menschliches Subjekt mehr ist, wenn der Tod verstanden wird als reine
Nichtung, da kann weder der Tod dieses Menschen als sein Tod noch
sein Tod als Beziehungslosigkeit zu Gott gedacht werden.
So paradox es klingt:
nur, wenn vom Menschen Unsterblichkeit prädiziert wird, kann von ihm
sein Todsein gedacht werden: wenn Ich nicht mehr bin, weil der Tod
die pure Negation wäre, dann kann auch nicht mein Tod sein, wie
treffend Epikur es erfaßte. Die von Jüngel abgelehnte Vorstellung
von der Unsterblichkeit der Seele ermöglicht es so erst im Einklang
mit Jüngels Intention, den Tod relationsontologisch zu erfassen.
Diese Konzeption könnte
auch fruchtbar gemacht werden für die Kreuzestheologie: ist Jesus
Christus wirklich am Kreuze gestorben? Die klassische
Zweinaturenlehre Christi evoziert hier ja immer notwendigerweise den
Verdacht, daß Jesu faktisch nur zum Scheine gelitten hat und
gestorben ist, da er ob seiner göttlichen Natur leidensunfähig ist
und schon gar nicht sterben kann. Ja, als wahrer Gott hätte er
selbst im Kreuzestod nie die innige Verbindung zum Vater verloren.So
in der unauflöslichen Einheit mit dem Vater kann schwerlich noch
von einem realen Leiden und wirklichem Todsein des Gottessohnes
gesprochen werden. Und dann erübrigt sich auch Ostern.Oder es wird
reduziert zu der Meinung, daß Ostern offenbare, daß Gott seinen
Sohn nie verlassen habe.Jesu Schrei: „mein Gott, mein Gott, warum
hast du mich verlassen?“, wäre dann nur eine pädagogische
Äußerung Jesu gewesen, um uns zu lehren, daß auch wir, wenn wir
uns in der größten Gottverlassenheit wähnen, nicht von Gott
verlassen sind, wie es uns Ostern demonstierte. Nein gerade der
unsterbliche Jesus kann den Tod und könnte auch den ewigen Tod
erleiden, wäre er nicht von Gott zu Ostern vom Tode erlöst worden,
weil er als Unsterbliche die Beziehungslosigkeit zum göttlichen
Vater erleiden kann.Sein Tod war sein Sein unter dem Zorn Gottes.
Ostern war so die Aufhebung dieses Seins unter dem Zorn und nicht das
Offenbarwerden, daß Gott seinen Sohn nie verlassen habe trotz seines
Ausrufes seiner Gottverlassenheit.
Daß das Todsein eine
Realität ist und nicht nur reine Nichtung, daß ermöglicht erst,
sinnvoll von der Erlösung vom Tode zum ewigen Leben und von der
Möglichkeit eines ewigen Todes zu sprechen. Ist der Tod nur als eine
reine Nichtung vorgestellt, dann evoziert dies die Anfrage, warum dem
Nichtsein das Leben vorzuziehen sei. In Zeiten der Dekadenz,. Und das
ist das Spezifikum unserer Zeit, ist es eben nicht
selbstverdständlich, daß das ewige Leben dem Tode vorzuziehen sei.
Goethe läßt schon in
seinem Faust Mephisto sagen: „Ich bin der Geist der stets verneint!
Und das mit Recht, denn alles was entsteht Ist werth daß es zu
Grunde geht;Drum besser wär´s daß nichts entstünde.“ Seit dem
existiert subkutan in der abendländischen Kultur der Diskurs der
Biodizee. Nicht mehr der gütige Gott stets angesichts der Übel der
Welt auf der Anklagebank, sondern die Theodizee hat sich gewandelt
zur Anklage des Lebens. Es sei an Cioran erinnert: „Vom Nachteil
geboren zu sein“ und an die von L. Lütkehaus vorgelegte Biodizee:
„Nichts“. Man denke an den ersten Satz des „Mathos von
Sisyphos“ von A. Camus: „Es gibt nur ein wirklich ernstes
philosophisches Problem:den Selbstmord. Die Entscheidung, ob das
Leben sich lohne oder nicht, beantwortet die Grundfrage der
Philosophie.“6
Vorangestellt ist der Betrachtung der Ausspruch Pindars: „Liebe
Seele, trachte nicht nach dem ewigen Leben, sondern schöpfe das
Mögliche aus.“7
Die Voraussetzung dieser
Biodizee ist die Vorstellung des Todes als reine Nichtung. Wenn mein
Leben keine schwarzen Zahlen mehr schreibt, wenn es sich nicht mehr
lohnt, dann ist der schwarzen Null, dem Nichtsein ein Weiterleben
vorzuziehen.Gerade Schopenhauer , der große Pessimist, rekurriert
dann auf Epikurs Todesverständnis, um die Option des Nichtmehrseins
der eines Weiterlebens begründet vorzuziehen.8
Diese Vorstellung bildet dann auch den Emergenzpunkt für die
Vorstellung, daß das Nichtsein, daß nichts wäre ,dem Sein
vorziehbar sein könnte.
Und so verschwindet mit
der Vorstellung, daß der Tod einfach nur die Nichtung meiner
Existenz ist, auch der Tod selbst. Er kann nicht meinen Tod geben und
mit mir stirbt mir auch die ganze Welt, alles.Schon im Werke
E.Jüngels tritt so in Folge der faktischen positiven Aufnahme des
Ganztodverdständnisses von Epikur ein Riß in seiner Konzeption ein.
Dem christlichen Leben, das im Tode endet, wird als Ergänzung ein
Sein in Gott nach dem Tode hinzugefügt, das aber sich zu diesem
Leben nur noch wie ein Nachwort ausmacht, auf das man auch verzichten
könnte. Es kündigt sich dabei eine Tendenz an, daß Christus den
Menschen nicht vom Tode erlöse, sondern ihn dazu befähige, so wie
Abraham, lebenssatt einen natürlichen Tod zu sterben. Hier befreit
dann der Tod als ewiges Nichtmehrsein den Menschen von seiner
Lebensmüh oder beendet sein Leben wie der Schlußpunkt den zu Ende
geschriebenen Roman.
Es ist kein Witz,daß der
Verfasser, als er noch Vikar der Reformierten Kirche war, von seinem
Ausbildungspfarrer den ernst gemeinten Rat erhielt, auf Beerdigungen
nicht von irgendeiner Art von Leben nach dem Tode zu reden, denn
solch mythologischen Unsinn glaube heuer niemand mehr!
Erwartet man nun aber von
den Befürwortern der Ganztodstheorie eine fundierte Begründung
ihrer Abkehr von Platon und ihrer Zuwendung zu Epikur, von dessen
jetzigem Triumph Nietzsche zutreffend ausgeht, so wird man
enttäuscht. Jüngel vergleicht den Kreuzestod Christi mit dem Tode
Sokrates und urteilt, daß ob der Unvereinbarkeit dieser beiden
Todesverständnisse der Christ um der Reinheit des christlichem
Todesverständnisses willen das philosophische verabschieden müsse.
Der Argumentationsfehler dabei ist gravierend: selbstredend stirbt
Jesu den Sühnetod und dieser ist zu unterscheiden von dem, wie der
gläubige Christ seinen Tod als Heimkehr zu Gott betrachtet.9
Und in diesem Punkte koinzidieren das platonische und das chrisliche
Todesverständnis.
Daß die Seele nicht ist,
diese vulgärmaterialistische Vorstellung hat trotz der auch heute
noch in der Kirche betriebenden Seelsorge selbst in kirchlichen
Kreisen ihre Anhänger gefunden. Auch hier waren die Protestanten
Vorreiter und auch hier erwies sich das ökumenische Gespräch mal
wieder als Einfallstor von Irrtümern und Irrlehren. Rom hat
energisch widersprochen: „Die Kirche behauptet die Fortdauer und
das Fortbestehen eines geistigen Elementes nach dem Tod, das mit
Bewußtsein und Wille begabt ist, so daß das „menschliche Ich“
selbst, in der Zwischenzeit jedoch ohne die Ergänzung seines Leibes,
fortbesteht. Um dieses Element zu bezeichnen, verwendet die Kirche
den Ausdruck „Seele“, der durch den Gebrauch in den Heiligen
Schriften und in der Überlieferung eingebürgert ist.“10.Aber
wo wird im deutschsprachigen Raum der Kirche noch auf Rom gehört!
Epikur oder Platon-
darauf läuft die Debatte hinaus. Die Katholische Kirche optiert
eindeutig für Platon als ihren Hausphilosophen neben Aristoteles.
Leicht ist es, anzudemonstrieren, daß, die Wahrheit der Katholischen
Lehre vorausgesetzt, die platonische Philosophie als das vernünftige
Denken zu stehen kommt, der den natürlichen Wahrheiten der
Kirchenlehre und als Vorstufe der übernatürlichen Wahrheiten
entspricht. Aber die Philosophie soll ja in sich ruhend, die
Wahrheiten der Kirche rein vernünftig denkend fundieren und nicht a
posteriori von der Offenbarung her legitimiert werden.
Ein erster Versuch soll
gewagt werden: die unbestreitbare Voraussetzung jeder Autobiographie
ist die Vorstellung eines sich gleich bleibenden Iches, dem alles Tun
und Erleiden so zugeschrieben wird, daß dieses Ich die Einheit aller
Ereignisse konstituiert zu der mir eigenen Geschichte. Gäbe es
dieses Ich nicht, zerfiel die Geschichte in endlich viele Einzelsätze
und das transzendente Ich schaute auf viele Miche, die etwas taten
oder erlitten, also aktiv oder passiv waren, und müßte eine
Nichtidentität der Miche aussagen. Nur die so urteilende Instanz ist
selbst wieder das Ich, das jenseits des Zeitlaufes über alle
Ichvorstellungen urteilt. Und dieses Ich ist es auch, daß meint, daß
das vorgestellte ich im Tode negiert wird, während es selbst sich
jenseits der Differenz von Leben und Tod präsumiert.
Das Unbehagen, das
Epikurs Urteil, es gäbe meinen Tod nicht, in dem Leser hervorruft,
resultiert wohl aus dem Gefühl der Todesfurcht, das sich als
legitimes Gefühl dieser theoretischen Vorstellung widersetzt. Es
kann nicht wahr sein, daß dies allzumenschliche Gefühl nur Irrtum
ist. Vergegenwärtige ich mir dann die denknotwendige Präsumption
jeder autobiographischen Rede, des transzendentalen Iches, das die
Serie der Ich-Sätze zu einer Einheit konstituiert,dann ist dieses
Ich auch die Voraussetzung dafür, daß der Tod, der mich trifft, zu
meinem Tode wird. Das Ich schreibt sich den Tod als den seinigen zu
und verbindet dies mit der Vorstellung eines Erleidenszustandes- das
Ich erleidet das Todsein und das kann es nur, gerade weil es im Tode
nicht genichtet wird. Die alttestamentliche Vorstellung von einem
Danachsein in der Sheol drückt dies aus: nicht Nichts sondern ein
sein eigenes Todsein Erleiden macht den Tod aus. Das präsumiert ein
sich im Sterben und im Todsein durchhaltendes Ichsubjekt. Die Idee
der unsterblichen Seele ist nur ein anderer Ausdruck für dieses
transzendente Ich. Denn gerade die Idee der Unsterblichkeit, daß das
Ich nicht nichtbar ist, ermöglicht es, das Todsein wie das ewige
Leben von dem Menschen zu denken. Erst so ergibt sich die
Möglichkeit, sinnvoll von einer Aufhebung des Todes durch Christus
als Erlösung zu sprechen. Die Alternative dazu bietet Epikur, dem im
Nichtssein die Vorstellung vom Erlöstwerden vom irdischen Leben
denkbar werden läßt. Das ist eine Vorstellung, die in Zeiten der
Dekadenz, Zeiten des geschwächten Lebenswillens auf fruchtbarem
Boden fällt. Man denke nur an die Euthanasiedebatte unter dem
Etikett eines humanen Sterbens durch eine Beihilfe zum Freitod. Und
ist es nicht verdächtig, wie oft auch in Beerdigungsansprachen zu
hören ist, daß nun der Verstorbene hier-und das meint das Grab-
seine ewige Ruhe gefunden habe. Wie aber von einem völlig
genichteten Subjekt prädiziert werden kann, daß es den Frieden im
Tode gefunden habe, bleibt dann unreflektiert.
1Nietzsche,
F., Morgenröte, 1.Buch, 72, in: Nietzsche,F., Werke II, Hrsgb:
Schlechta,K., 1984 S.61.
2Nietzsche,F.,
a.a.O.S.61.
3Gottesdienst,
Gebet-und Gesangbuch für das Erzbistum München und Freising,
1950,S.15
4Vgl:
Nitzsche,F., Der Wille zur Macht, 165.
5Jean
Paul, Titan, Der Traum der Wahrheit, 1983, S.9
6Camus,
A., Der Mythos von Sisyphos, in: Camus, A., Das Frühwerk, 1967,
S.397.
7Camus,A.,
a.a.O. S.393.
8Vgl:
Lüthehaus, L., Nichts 6.Auflage 2006, S.165-222.
9Vgl:
Jüngel, E., Tod, 1971.
10DH
40.Auflage DH 4653.
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