Montag, 20. Oktober 2014

Zur "Alten Messe" Teil II

Irrwege der Liturgie

1.Ein Vorspiel

Ein Afrikaner, der in Deutschland einen längeren Urlaub verbracht hatte, wurde gefragt: Was hat ihnen denn in Deutschland am besten gefallen? Ohne eine Sekunde nachdenken zu brauchen, antwortete er, daß es jeden Tag hier regne. Verblüffte Zuhörer. Aber wenn wir nachdenken: was gäbe es alles bei uns nicht, wenn es nicht regnete! Der Regen von Oben ist der Segen des Himmels für das Leben. Nur, das sehen wir nicht, weil es uns so selbstverständlich ist, daß bei uns alles wächst, weil es regnet. Erst der fremde Blick löst unsere Betriebsblindheit. Und was hat das mit der „Alten Messe“ zu tun? Einiges. Sie war ein Segen für die Kirche-aber das sah man nicht mehr. Betriebsblind! Als der Zeitgeist dann mächtig an die Tore der Kirche klopfte, ja man gar die Fenster weit aufriß, um ihn hineinzulassen, da erscholl der Ruf nach einer Reform der Messe. Wir wollen Neues! Das Neue erschien attraktiv einfach schon deshalb, weil es als neu inszeniert wurde.


2.Eine Liturgiereform

Die Vokabel: „Reform“ verspricht viel. Ein Bild mag das veranschaulichen. Eine Mutter sagt, besorgt zu ihrem Sohn: „Fahre mit dem Segelboot nicht zu weit hinaus ins weite Meer. Denn, denke daran, die Erde ist eine Scheibe und wer sich zu weit entfernt, der kann am Rande der Erdenscheibe herunterfallen- und da ist nur noch der Abgrund!“ Aber die Aufklärung siegte und machte der Scheibe ein Ende: nun sitzen wir auf einen runden Kugel: niemand kann mehr runterfallen. Die Seefahrt wurde reformiert: wir segeln beherzt um die Welt. Reform, das heißt, im Einklang mit dem Fortschritt der Menschheit voranschreiten. Wer am Heutigen kleben bleibt, der gleicht einem Menschen, der immer noch auf einer Scheibe wohnen möchte, sich ängstigend vor dem Rand, den Sturz in den Abgrund. Und so mußte den Liturgiereformern auch die Alte Messe, einfach schon allein, weil sie alt war, als reformbedürftig erscheinen.Der Glaube an den Fortschritt macht die Augen blind für den Reichtum des Gegenwärtigen, weil es alles Gute nur vom Zukünftigen erwartet und erhofft.

Aber die Zeiten ändern sich.Der Wechsel von Bundeskanzler Brandt zu Bundeskanzler Schmidt bedeutete einen Wandel des Verständnisses von „Reform“. Jetzt meint „Reform“ die Reduzierung des Wünschbaren auf das Machbare. „Reform“ heißt jetzt Ein-und An-passung an das, was möglich ist. Der Begriff der Liturgiereform, so gedeutet, bedeutet nun: daß die Liturgie anzupassen sei, nicht an das, was sein soll, sondern reduziert wird auf das, was man heuer der Gemeinde noch meint, zumuten zu können. Das mag zwar theoretisch wahr sein, aber ist nicht praktisch vermittelbar, das ist nicht nur der Einwand wider alle großen Lehrtraditionen der Kirche, von der Trinität bis zur Lehre vom Purgatorium, nein, das ist auch die Kampfformel aller Reformer. Jetzt entsteht uns ein ganz anderer Blick auf dieses Reformwerk. Es erscheint uns als Anpassung an die Realität, als Herabsenkung des Niveaus der Messe, um die zeitgenössischen Menschen nicht zu überfordern! Da sieht man den progressiven Reformlehrer vor seiner Klasse stehend: Goethe, ach all die Klassiker, nicht mehr zumutbar meinen Schülern! Lasset uns den Wein verdünnen,mit viel Wasser, damit die Schwachen ihn noch trinken können. Die Verdünnung der Liturgie ist so eingeleitet und findet oft dann in infantilistischen „Familiengottesdiensten“ ihren absoluten Tiefpunkt. Schmerzverzehrt wenden sich unsere Augen ab und suchen das Schöne, das was einst in der Kirche und nicht primär in Museen ihr lebendiges Zuhause hatte.


3. Ein Weg zur Alten Messe

3.1. Der Ausgangspunkt

Für mich als typisch evangelisch-reformiert Sozialisierten war der Weg zur Alten Weg sehr weit und doch wiederum auch sehr kurz. Richtig reformiert ist ein Gottesdienst nur dann, wenn es ein lange Predigt gibt, die umrahmt wird von ein paar Gemeindeliedern. Ja, es gibt Reformierte, die ihren Gottesdienst rühmen, weil er völlig liturgielos sei! Die Predigt als Belehrung in theoretischer (was ist zu glauben) und praktischer Hinsicht (was ist zu tun), bildet das Zentrum dieser Gottesdienstform. Schon zu Lebzeiten Calvins frug dann so mancher: Warum soll ich denn noch in den Gottesdienst gehen, wenn ich schon weiß, was ich zu glauben habe und wie ich zu leben habe? Die Reform der Liturgie, die Abschaffung des hl. Meßopfers, die Abschaffung des Priesters und die Umwandlung des Gottesdienstes in eine Belehrungsstunde mit musikalischer Umrahmung, das war das Gütezeichen des reformierten Christentumverständnisses. Der Erfolg: ein Reformierter geht eigentlich nicht in die Kirche und wenn, dann steht er im Rufe, wohl kryptokatholisch zu sein. Wo das Ziel des Gottesdienstes die Belehrung der Gemeinde ist, ja, da frägt sich manches Gemeindeglied: warum nicht lieber zu einem Buch greifen oder-zeitgenössischer-ein Blick ins Internet, um sich zu informieren. Gerade der reformierte Gottesdienst erwies sich so von Anfang an als eine Todgeburt. Und der lutherische? Je aufklärerischer man wurde, desto mehr paßte man sich den Reformierten an.So hielt ich es denn auch. Ich ward evangelischer Christ, ausgestattet mit der festen Überzeugung, daß der sonntägliche Gang zur Kirche etwas eigentlich für den Glauben Überflüssiges ist. Und, heute: wie erstaunt bin ich, das nun aus den Mündern vieler Katholiken genauso zu hören.Sie sind dahin gekommen, wo die reformierte Liturgie des Reformiertentums die Gläubigen hingebracht hat: Jesus ja, Gottesdienst: Nein Danke! ,zu sagen und zu praktizieren.


3.2 Mein erster Kontakt mit der Alten Messe

Irgendwann einmal in einer Religionsunterrichtsstunde, das Thema war die Ökomene, dozierte die Lehrerin: Es gab in der Katholischen Kirche einst ein Reformkonzil, das auch eine Modernisierung der Gottesdienstordnung beschloß. Die Frucht sei die neue Liturgie. Da könne man jetzt als überzeugter Evangelischer unbesorgt teilnehmen. Das wäre früher in der vorkonziliaren Messe nicht möglich. Jetzt sind da so viele Anliegen der Evangelischen positiv aufgenommen worden in der „Neuen Messe“, sie ist eigentlich protestantisch! Irgendwie begeisterte mich diese Auskunft nicht. Vor meinem inneren Augen entstand das Zerrbild einer uniformen Welt mit uniformer Religion: alles sei gleich und ähnele sich an. Alles eins. Auch wenn mir damals der Begriff der Postmoderne noch nicht zur Verfügung stand, ich empfand das typische Unbehagen postmodernistisch Empfindender: den Ekel vor einer universalistischen Einheitswelt, in der alle Differenzen zum Verschwinden gebracht wurden: es gäbe keine Religionen mehr, nur noch eine Einheitsreligion, keine Völker mehr, nur noch die Menschheit, nicht mehr Mann und Frau, sondern nur noch Menschen...Aber was bleibt vom Leben, wenn alles zu einer Einheit umgeformt wird? Sollten nicht die Katholiken katholisch, die Evangelischen evangelisch sein und bleiben, denn der Gott, der unsere Welt regiert, der wird sich schon was dabei gedacht haben, daß er das Leben wie auch das religiöse in einer Vielzahl von Formen geschaffen hat und erhält. Liberal waren damals wir Schüler im Religionsunterricht alle: daß es zwischen wahr und unwahr zu unterscheiden gälte, auch im Raume der Religion, das war damals für mich-wie heute auch für die meisten Christen-eine Unvorstellbarkeit. So blieb bei mir eine Frage nach dieser Stunde: Wie mag wohl eine katholische Messe ausgesehen haben, bevor man sie modernisiert und protestantisiert hatte? Gibt es sie noch? War sie ganz anders als die jetzige?

3.3 Eine Konvertitin erzählt

Ja, sie wolle evangelisch werden und sie werde diesen Schritt nun auch einleiten.Mich frug sie, als Studenten der evangelischen Theologie: Wie könne sie denn so einen Übertritt von der Katholischen Kirche in die evangelische begründen? Warum wollte sie konvertieren? Sie liebte einen Evangelischen und da der Religionslehrer werden wollte,ihm war sein evangelische Konfession wichtig, wollte sie auch evangelisch werden. Für die Ehe sei es besser, wenn beide die selbe Religion haben. Und deshalb konvertiere sie. Nicht, daß ich denken möge,ihr fiele der Austritt leicht. Nein, als Evangelische dürfte sie die Mutter Gottes, Maria nicht mehr anrufen-aber sie liebt die Mariengebete. Und: der evangelische Gottesdienst wäre so schrecklich nüchtern-intellektualistisch: nur Belehrung und Aufklärung, nichts Heiliges! Dann seufzte sie: früher, vor dem Konzil war das bei uns Katholiken ganz anders. Wir hatten eine wunderschöne Messe. Sie kenne Kreise, in der die immer noch praktiziert würde. Aber das sei Vergangenheit. Jetzt habe die Kirche eine reformierte und da könne sie dann auch gleich zum Original wechseln, zur protestantischen Liturgie. Früher war die Messe richtig schön! Aber,was vorbei ist,ist vorbei. Die „Alte Messe“ sei gar verboten worden von der Kirche, meinte sie! Ich dachte nur: was muß das für eine seltsame Kirche sein, die ihrer eigenen Tradition so feindlich gegenübersteht, daß sie ihre eigene verbietet.

4. Eine Unterbrechung

Nun könnte ich ja erzählen, wie es war, als ich nach meiner Konversion zur Katholischen Kirche zum ersten Mal die Alte Messe erlebte, was mich beeindruckte, wie mich das eigentümliche Gefühl beschlich, meine verlorene Heimat wiedergefunden zu haben. Nur, so einfach war und ist das alles nicht. „Man sieht nur, was man kennt.“ Reflektiere ich nicht darüber, mit welchen Augen, mit welchem Wissen und in mir präsenten Bildern ich die Alte Messe erlebte: auch die authentischst und aufs lebhafteste erzählte Erstbegegnung blieb für den Leser ein Fremdkörper, wenn er nicht Ähnliches schon mal erlebt hat. Zudem würde so die Voraussetzungen für ein solches Erleben verschwiegen, ohne die sich solch ein Erleben schwerlich einstellen kann. Jeder erlebt etwas immer vorgeprägt durch sein Leben. Es kann nun Vorprägungen geben, die ein Erleben der Alten Messe ermöglichen und andere Vorprägungen, die einen Zugang zu ihr versperren.

5.Man sieht nur, was man kennt

Ein Reiseführer warb mal für seinen Ankauf mit der Einsicht: man sieht nur, was man kennt. Was sehe ich, wenn ich eine katholische Messe besuche, in der ersten Reihe sitze und wenn mir die ganze katholische Tradition völlig fremd wäre. Ich erinnere mich noch gut eines Radioreportes über Jugendliche in der DDR, bzw. kurz nach deren Auflösung. Eine Kirchenbesichtigung stand auf dem neuen Unterrichtsplan. Angesichts des Gekreuzigten frug ein Schüler: „Ist das vielleicht der Spartacus?“ DDR-Sozialisation. Nach dem Idealfall der DDR-Lernpläne sollte der römische Sklavenaufstandsführer Spartacus bekannter sein als der Herr Jesus von Nazareth. Was sehen wir in der Messe? Bevor hier nun in medias res gegangen werden kann,müssen wir uns befragen: was bringe ich mit an Wissen und Erkenntnis, damit ich in der hl. Messe das dortige Geschehen auch begreifen kann? Könnte es nicht sein, daß vor der Reform der Liturgie eine Blindheit für diese Messe bestand? Ist es nicht sehr realistisch, forderte man nun einfach den Leser auf: gehe in die Alte Messe, er enttäuschten Augens sagen wird: „Das soll alles sein! Ist doch irgendwie alles das selbe?“ Wer nichts vom Wein versteht, merkte der den Unterschied von einem Qualitätswein und einem Billigstwein? Gehört ein gebildetes, wissende Auge dazu, um die wesentlichen Unterschiede zwischen der Alten und der Neuen Messe zu sehen und zu erkennen?

Bereiten wir uns also vor auf die Alte Messe! Was wissen wir denn schon? Bisher nur sehr Weniges.
Eigentlich nur ein Gerede: daß es früher alles besser war, daß es früher schöner war, daß das, was wahr durch etwas ersetzt wurde, was man vulgärisierend als eine Protestantisierung der Messe beschreibt und daß die Kirche diese ihre traditionelle Messe selbst verbot (jetzt aber unter bestimmten Umständen wieder zuläßt). Nichts Bestimmtes weiß man.

Eines muß uns deutlich vor Augen stehen: die Alte Messe war nicht der Anfang, sondern der Höhepunkt einer religiösen Entwicklung. Gott selbst führte die Menschen vom Alten Bund und seinem Opferkult über Jesu Christi Einsetzung der Eucharistiefeier am Gründonnerstag hin zu dieser vollendeten Form der Messe. Der göttliche Pädagoge leitete so selbst die Menschen hin, Schritt für Schritt zu dieser Endgestalt der Gottesverehrung. Hier nun in medias res gehen wollen hieße, auf der Überholspur fahrend mit der Schlußlektion anzufangen und alle Vermittlungen außer acht zu lassen! Gerade der Wunsch, alles gleich spontan erleben zu wollen und bringt es mir als Konsumenten nicht sofort etwas, es als mir nicht zugänglich sogleich bei Seite zu legen, versperrt dem Konsummenschen jeden Weg zur Hochkultur. Und die Messe ist praktizierte Hochkultur.

6. Was muß ich wissen, damit ich einen Weg für mich zur Alten Messe finden kann?

Für mich selbst war es der Weg des Studiums der Theologie. Ja, so befremdlich das auch klingen muß, denkt man an die an den Universitäten dozierte modernistische Theologieen. Nur, ich studierte ja evangelische Theologie an einer eher konservativ ausgerichteten Fakultät. Zudem verlangt jedes wissenschaftliche Studium ein eigenständiges Studieren und so kann man sich vieles erarbeiten, was nicht im offiziellen Lehrplan vorgesehen ist. Das ist nun mein Weg gewesen- aber das ist ein privilegierter Weg,nur für wenige beschreitbar. Darum ist er auch nicht relevant. Es soll nach einem allgemeineren Weg jetzt Ausschau gehalten werden! Was könnte ich unternehmen,wenn mir nicht ein Studium der Theologie vergönnt ist?

Das erste ist es, aus dem Gerede, was man da so alles über die Alte und die Neue Messe meint, hinter sich zu lassen! Daß die Alte, weil sie alt ist,nicht mehr zeitgemäß sei, daß sie mittelalterlich sei, antisemitisch, antidemokratisch, daß in ihr der Priester das Volk verachte, weil er ihm den Rücken zukehre, daß niemand verstünde,was da geschehe, weil alles lateinisch sei usw und daß die Neue fortschrittlich,modern, zeitgemäß usw. sei.

Das zweite, daß ich mich nicht der Illusion hingebe, daß ich nichts zu wissen bräuchte, weil sich mir alles im Augenblick des Sehens erschließt, sitze ich in der ersten Reihe und mach die Augen nur weit genug auf, : alles begreife ich sofort.Nein, Exerzitien wären nötig als Vorbereitung auf die hl.Messe und das macht das Problem jeder Messe aus, wenn sie mehr sein will als ein religiöser Vortrag mit musikalischer Gemeindegesangumrahmung.

7. Eine Einübung ins Sehen
A)Ein Irrweg

Wie könnten solche Exerzitien des Sehens aussehen, damit ich einen Weg zur Messe und gerade zu der wahren Gestalt der Messe, der tridentinischen finden könnte ? Der scheinbar einfachste Weg wäre wohl der,daß ich mir von Liebhabern der Alten Messe erzählen lasse, wie sie diese Messe erleben.Nur, dieser einfache Weg erweist sich oft als Irrweg. Was nützte es dem ungläubigen Thomas, daß seine Glaubensbrüder ganz authentisch von ihrem Erlebnis, wir sahen den Auferstandenen, erzählen? Es bleibt ihr Erlebnis und es wird nicht zu einem eigenen Erlebnis.. Selbst mußte er sehen, damit er an die Auferstehung Jesu glauben konnte. Und wer kennt Ähnliches nicht aus seinem Leben. Da erzählt wer ganz enthusiasmiert, wie gut es ihm in der Sauna gefalle und der Hörer schüttelt sich innerlich vor Entsetzen bei der Vorstellung, das mitmachen zu müssen. Was dem Fußballfan das Ereignis seines Lebens war,seine Mannschaft gewann den Pokal, er erzählt begeistert vom Entscheidungsspiel, das langweilt den Zuhörer, weil ihn Fußball überhaupt nicht interessiert. Was mich begeistert, was mir Freude bereitet, auch wenn ich das noch so authentisch und glaubwürdig erzähle, es läßt den Anderen unberührt,ja, ruft geradezu eine Abneigung hervor, wird zu begeistert und pathetisch geredet. In den Zeiten der Postmoderne gilt, daß selbst die von etwas hundertprozentig Überzeugten einen Hauch von Ironie in ihre Rede einfließen lassen, weil diese Zeit letztendlich an nichts mehr glaubt und so jedes (Glaubens)Bekenntnis, pathetisch und assertorisch vorgetragen als unschicklich empfindet. Wenn Luthers Votum: „Hier stehe ich und kann nicht anders“ die Moderne qualifiziert, dann sagt die Postmoderne: „Hier stehe ich, aber ich könnte auch ganz anders.“

  1. B) Der Gebrauch von Sehhilfen als der rechte Weg

Wenn es nicht einfach unmittelbar geht: ich kam, sah und wurde überwältigt vom Gesehenen, dann bedarf es einer Einübung in das Sehen, damit ich dann die Alte Messe auch wirklich begreifen kann.Die Bibel stellt uns selbst die Sehhilfen zur Verfügung, mit der wir die Messe zu sehen haben, um sie zu begreifen! Man stelle sich mal vor, ich wollte einen Roman lesen, und um Zeit und Müh zu sparen,begönne ich mit dem letzten Kapitel des Romanes. Das zu lesen, reiche doch,um das ganze Werk kennen zu lernen und seinen Gehalt zu erfassen! Niemand praktiziert das so. Aber in der Religion, da will man gleich mit dem Ende anfangen, mit der Alten Messe und die Entwiklung dahin einfach überlesen, gleich in medias res gehen! Aber so bleibt uns die Messe verschlossen, weil wir die Anfangslektionen vernachlässigen und gleich Fortgeschrittene sein wollen. Seien wir Anfänger im Glauben und beginnen ab ovo!

8. Die Sehhilfe

Welche Sehhilfen bietet uns denn die Bibel? Die der archaischen Urbilder, das des Priesters, des Opfers, und das komplexe Bild des Kultes und darin eingezeichnet das Bild des Gottes, der unsere Opfer will und selbst den Kult eingesetzt hat, ihm zur Ehre, uns zum Heile. Wer diese Urbilder nicht in der Messe wiedererkennen kann, der verkennt die Messe. Er sieht und erlebt dann da etwas, was nicht dem entspricht, was objektiv sich in der Alten Messe ereignet. Ein typisches Zerrbild eines so verfehlten Sehens ist die Vorstellung, daß die Messe eine Gemeindeveranstaltung sei, für sie ausgerichtet von Hauptamtlichen mit dem Ziel religiöser Erbauung-im weitesten Sinne. Salopp gesagt: ein religiöses Unterhaltungsprogramm, das bestenfalls zum Event wird!

Die Urbilder sind einfach: der Priester, der auf dem Altar das Gott wohlgefällige Opfer darbringt.Der klassische Ort ist dafür der Tempel. Dieses Bild wird nun im Alten Testament variantenreich erzählt. Ein Student der Theologie ginge nun diesen erzählten Variationen des Urbildes nach, um so dies Bild in seinem ganzen inneren Reichtum zu erfassen. Der Nichtstudent begnüge sich getrost mit diesem einfachen Urbild. Nur, gerade weil es uns Anspruchsvollen ein zu einfaches Bild ist, lassen wir es uns gern durch andere Bilder übermalen. Da gibt es dann kult-und priesterkritische Erzählungen vom sogenannten Priesterbetrug, daß sie den Gott für sich erfunden hätten, einen der Opfer wolle, um sich selbst nur zu sättigen, oder daß die Vorstellung,daß Gott unsere Opfer wolle, eine ganz und gar primitive Vorstellung wäre, die für jeden modernen Menschen unzumutbar sei. Zur christlichen Lebenspraxis gehört die Askese. Das heißt hier: sich zu emanzipieren von diesen Irrbildern und zu den Urbildern zurückzukehren, denen der Bibel. Erst wenn wir in diesen Bildern uns eingeübt haben, werden wir sie erfolgreich in der Alten Messe wiedererkennen können!


9. Die Opfer des Alten und des Neuen Bundes und das Kreuzaltaropfer Jesu Christi

Die sich uns jetzt aufdrängende Frage ist: ist denn das Meßopfer der Kirche ein Opfer, in dem die Opfer des Alten Bundes weiterleben und wie verhalten sich die vielen Opfer zu dem einen Opfer Jesu Christi? Wer hier zu keiner Klarheit findet, wird nie die Alte Messe begreifen können. Man muß sogar sagen, daß die Unklarheit über die Beziehung dieser drei Größen zueinander erst die Neue Messe ermöglichte, die diesen Zusammenhang verdunkelt. Daß dann in liberal-katholischen Kreisen überhaupt nicht mehr vom Opfer der Kirche gesprochen wird, sondern fast nur noch von einem Gemeindemahl, ist eine zwangsläufige Folge dieser theologischen Unklarheit, die dann eine die Wahrheit verdunkelnde Liturgie aus sich heraus setzte.

Dies ist sicher eine der schwierigsten Fragen der Theologie. Könnten wir diese Schwierigkeit nicht umgehen, um einfach zu erzählen, was das geschulte Auge da zu sehen bekommt, nimmt es aktiv teil an der Alten Messe? Nur, manches spricht dagegen! Luther und viele ihm Nachfolgenden konnten die Einheit des Kreuzaltaropfers mit dem kirchlichen Meßopfer nicht sehen und deshalb zerstörten sie diese Einheit: es gäbe nur ein wahres Opfer, das am Kreuze, und so könne die kirchliche Abendmahlsfeier kein Opfer sein. Sie sei nur eine Erinnerung an das Opfer Jesu. Deshalb: weil die Abendmahlsfeier kein Opfer sein kann, kann es auch keine Priester mehr in der Kirche geben und die Abendmahlsfeier erinnert uns nur an den Kreuzestod Jesu! Subkutan schleicht sich dies protestantische Mißverständnis auch in katholischen Gemeinden ein. Dies wird forciert durch den ökomenischen Dialog! Wer da blauäugig meint, eine Abendmahlsgemeinschaft sei doch zwischen Protestanten und Katholiken möglich, gibt in der Regel den Opfercharakter der Messe auf! Auch die einfache Frage: warum wirkt da ein Priester, und nicht ein bloßer Leiter der Gemeindeversammlung, der Jesus Christus als den wahren Hohepriester verkündet, ist nicht beantwortbar, wenn die Einheit nicht gesehen werden. Die Alternative dazu, eine Reihe von Opfern anzunehmen, die vielen des Alten Bundes, das eine Kreuzaltaropfer und die vielen der Kirche des Neuen Bundes, durch die wir erlöst würden, erlaubt uns die Theologie nicht. Durch ein Opfer, durch das Jesu Christi sind wir erlöst und nicht durch eine Vielzahl von Opfern. Als Klärungsversuch soll hier die These aufgestellt werden, daß das eine Opfer, durch das wir erlöst sind, die Einheit des Urbildes des Opfers, das Kreuzaltaropfer mit den Abbildern dieses Opfers in der Gestalt der vielen Opfer des Alten und der vielen Opfer des Neuen Bundes ist. Das Urbild des Opfers ist erst das wahre Opfer durch die vielen Opfer als Abbilder dieses Opfers. Erst die Einheit vom Urbild und Abbild bildet das eine Opfer. Nicht fügt die Kirche dem einen Opfer noch etwas hinzu oder wiederholt es. So gesehen, können wir in der Meßfeier im Priester den Priester des Alten Bundes, den Priester Kaiphas des Kreuzaltares erkennen, der uns zugleich Christus als den wahren Priester vergegenwärtigt.

10. Die Formgebung

Die Aufgabe der Formgebung des Meßopfers besteht nun darin, daß dies transparent wird in der Messe. Die Messe ist so zu gestalten, daß in ihr ihr inneres Geschehen, daß hier der Priester das Gott wohlgefällige Opfer Gott zur Ehre, den Menschen zum Heile darbringt, äußerlich zum Ausdruck kommt. Die Kirche hat sich dieser Aufgabe gestellt und in der tridentinischen Messe die wahre Form für diesen Gehalt gefunden. Darum ist sie die wahre Form der Meßfeier mit ihrem Zentrum, dem Meßopfer. Jedes Bild vom Priester mit seinem Ministranten, knieend vor dem Hochaltar, die Hostie erhebend zum Tabernakel hin, dem Ort, wo Gott seinen Namen für uns wohnen läßt, zeigt es uns aufs ausdrücklichste: hier ist die wahre Form der Gestaltung des Meßopfers gefunden worden. Eine Reform, wie immer auch sie geartet sein mag, kann diese Klarheit der Formung nur verdunkeln. Das leistet leider die reformierte Messe.

11. Die Verdunkelung

Der Begriff des Pontifex bedeutet: Brückenmacher. Der Priester vermittelt zwischen Gott und den Menschen. Der Hochaltar, in dem das Tabernakel den Wohnort Gottes auf Erden bildet und so die Kirche zu dem Tempel des Neuen Bundes werden läßt, bildet den einen Pol, den anderen die Gemeinde und darüber hinaus alle Menschen, zu deren Heil das Meßopfer dargebracht wird. Der Priester steht zwischen Gott und den Menschen. Er wendet sich zu Gott, indem er sich zum Hochaltar wendet, er wendet sich zu den Menschen, indem er zur Gemeinde sich wendet. Das Dazwischen ist auch ein höhenmäßig bestimmtes Dazwischen: unter dem Hochaltar und über dem Volk. So ist er der Mittler. Er bringt Gott das Opfer dar und die Früchte des Opfers bringt er dem Volk, indem er Leib und Blut Christi an die Gemeinde austeilt.

Diese Klarheit geht nun verloren durch die Abschaffung des Hochaltares und der Erfindung und Einführung des Volksaltares. Plötzlich kommt der Priester hinter dem Altar zu stehen und ist permanent der Gemeinde zugewandt. Die Ausrichtung auf Gott verschwindet! Anthropozentrismus statt Theozentrismus. Der Priester vermittelt nicht mehr zwischen dem, was über ihm ist und dem, was unter ihm ist. Er steht, im schlimmsten Falle fast auf gleicher Höhe mit der Gemeinde als einer unter Gleichen, der, weil er gleich ist, den Mitgläubigen eigentlich nichts zu sagen hat, was sie nicht schon wüßten. Die vollkommene Auflösung der Hierachie, der religiösen zwischen Gott und Priester und Volk ist in dem Kreis erreicht, wenn alle im Kreise sitzend, dem Zentrum, der gestalteten Mitte gleich nah und gleich fern, sodaß jeder nur noch seine subjektive Wahrheit authentisch den anderen zu Gehör bringt.

Wenn der Priester nicht mehr zwischen Gott und der Gemeinde vermittelt, dann vermittelt er, so im Zentrum hinter dem Altar stehend nur noch sich selbst. Er steigt auf zum Religionsvirtuosen, der vor der Gemeinde stehend seinen Glauben inszeniert und versucht zu vermitteln. Es gibt nun nur noch einen Adressaten in der Messe, den Menschen. Und darum wird alles in der Volkssprache gesprochen, selbst die angeblich an Gott adressierten Gebete. Sinnfälliger kann die Abwendung von Gott und die alleinige Kaprizierung auf den Menschen nicht zum Ausdruck gebracht werden. Schon die evangelischen Reformatoren schlugen vor, die Gebete in der Volkssprache zu sprechen, damit sie bei der Gemeinde besser ankämen! Das könnte man als praktizierten Atheismus bezeichnen. Gott, der einzige Adressat des Betens ist so völlig vergessen. Die Messe verliert in ihrer äußeren Gestalt ihr Zentrum. Äußerlich wird der Priester zum Zentrum. Dieser Aufstieg evoziert dann die Gemeinde, die sich frägt: „Warum, in welchen Recht erhebt der Priester sich über uns?“ Immer mehr Hauptamtliche und Laien sollen nun um den Altar und den Ambo herum irgendwas machen, damit aus der priesterlichen Alleinunterhaltung eine Feier der ganzen Gemeinde wird. Faktisch soll so das letzte Überbleibsel der hierachischen Ordnung, Gott, Priester und Volk, aufgelöst werden.
Und wo bleibt das einstige Zentrum? Man schaue mal, wo das Tabernakel in den modernisierten Kirchen zu stehen kam! Wo der Mensch in der Mitte stehen will, da muß der Hochaltar als die gelungenste Formgebung des christlichen Theozentrismus weichen. Nicht gilt für die Messe: wo sich Gläubige versammeln, da ist Gott mitten unter ihnen, sondern: wo Gott seinen Namen wohnen läßt, da versammelt sich seine Gemeinde. Die Kirche steht in der Kontinuität mit dem Jerusalemer Tempel, von dem Gott verhieß, hier lasse ich meinen Namen wohnen und nicht in der Tradition der Synagoge, des Versammlungsraumes von Gläubigen zur gemeinsamen Religionsausübung.

Der Volksaltar soll dogmatisch gesehen immer noch ein Altar sein, auf dem dem dreieinigen Gott das Gott wohlgefällige Opfer dargebracht wird. Aber die äußerliche Formgebung spricht eine andere Sprache: ein überdimensionierte Tisch, auf dem Speis und Trank vorbereitet werden, damit dann die Gläubigen den Leib und Blut Christi empfangen können. Nur: in liberalen Gemeinden scheint man eher Brot und Wein auszuteilen, um an den einstigen Liebhaber dieser Speise und dieses Trankes zu erinnern! Der Pfarrer ißt und trinkt mit der Gemeinde in Erinnerung an Jesu Abendmähler, das wäre dann der Endpunkt der Verdunkelung des wahren Gehaltes der Messe. So schlimm ist es in der Regel nicht, aber die reformierte neue Messe bringt eben nicht klar das Wesen der Messe zum Ausdruck-nein es verunklart das Wesentliche, daß hier dem dreifaltigen Gott das Gott wohlgefällige Opfer durch seinen Priester dargebracht wird, Gott zur Ehre, den Menschen zum Heile.

12. Was tun?
Wer eine Möglichkeit hat, die Alte Messe zu besuchen, der tue dies. Wem diese Möglichkeit nicht gegeben ist, der denke daran, daß auch die Neue Messe trotz ihres verdunkelnden Charakters eine wahre Messe ist. Sie verlangt nur von uns ein konzentrierteres Hinsehen, um wider den Schein auch hier das wahre Wesen der Messe wiedererkennen zu können: das Urbild des Opfers. Der Gebrauch von Sehhilfen ist aber für die Neue wie für die Alte Messe nötig. Man sieht nur, was man kennt.Das gilt gerade für ein so hochkulturelles Gebilde wie die hl.Messe, so wie sie die Kirche immer gefeiert hat.












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