Irrwege der Liturgie
1.Ein Vorspiel
Ein Afrikaner, der in
Deutschland einen längeren Urlaub verbracht hatte, wurde gefragt:
Was hat ihnen denn in Deutschland am besten gefallen? Ohne eine
Sekunde nachdenken zu brauchen, antwortete er, daß es jeden Tag hier
regne. Verblüffte Zuhörer. Aber wenn wir nachdenken: was gäbe es
alles bei uns nicht, wenn es nicht regnete! Der Regen von Oben ist
der Segen des Himmels für das Leben. Nur, das sehen wir nicht, weil
es uns so selbstverständlich ist, daß bei uns alles wächst, weil
es regnet. Erst der fremde Blick löst unsere Betriebsblindheit. Und
was hat das mit der „Alten Messe“ zu tun? Einiges. Sie war ein
Segen für die Kirche-aber das sah man nicht mehr. Betriebsblind! Als
der Zeitgeist dann mächtig an die Tore der Kirche klopfte, ja man
gar die Fenster weit aufriß, um ihn hineinzulassen, da erscholl der
Ruf nach einer Reform der Messe. Wir wollen Neues! Das Neue erschien
attraktiv einfach schon deshalb, weil es als neu inszeniert wurde.
2.Eine Liturgiereform
Die Vokabel: „Reform“
verspricht viel. Ein Bild mag das veranschaulichen. Eine Mutter sagt,
besorgt zu ihrem Sohn: „Fahre mit dem Segelboot nicht zu weit
hinaus ins weite Meer. Denn, denke daran, die Erde ist eine Scheibe
und wer sich zu weit entfernt, der kann am Rande der Erdenscheibe
herunterfallen- und da ist nur noch der Abgrund!“ Aber die
Aufklärung siegte und machte der Scheibe ein Ende: nun sitzen wir
auf einen runden Kugel: niemand kann mehr runterfallen. Die Seefahrt
wurde reformiert: wir segeln beherzt um die Welt. Reform, das heißt,
im Einklang mit dem Fortschritt der Menschheit voranschreiten. Wer am
Heutigen kleben bleibt, der gleicht einem Menschen, der immer noch
auf einer Scheibe wohnen möchte, sich ängstigend vor dem Rand, den
Sturz in den Abgrund. Und so mußte den Liturgiereformern auch die
Alte Messe, einfach schon allein, weil sie alt war, als
reformbedürftig erscheinen.Der Glaube an den Fortschritt macht die
Augen blind für den Reichtum des Gegenwärtigen, weil es alles Gute
nur vom Zukünftigen erwartet und erhofft.
Aber die Zeiten ändern
sich.Der Wechsel von Bundeskanzler Brandt zu Bundeskanzler Schmidt
bedeutete einen Wandel des Verständnisses von „Reform“. Jetzt
meint „Reform“ die Reduzierung des Wünschbaren auf das Machbare.
„Reform“ heißt jetzt Ein-und An-passung an das, was möglich
ist. Der Begriff der Liturgiereform, so gedeutet, bedeutet nun: daß
die Liturgie anzupassen sei, nicht an das, was sein soll, sondern
reduziert wird auf das, was man heuer der Gemeinde noch meint,
zumuten zu können. Das mag zwar theoretisch wahr sein, aber ist
nicht praktisch vermittelbar, das ist nicht nur der Einwand wider
alle großen Lehrtraditionen der Kirche, von der Trinität bis zur
Lehre vom Purgatorium, nein, das ist auch die Kampfformel aller
Reformer. Jetzt entsteht uns ein ganz anderer Blick auf dieses
Reformwerk. Es erscheint uns als Anpassung an die Realität, als
Herabsenkung des Niveaus der Messe, um die zeitgenössischen Menschen
nicht zu überfordern! Da sieht man den progressiven Reformlehrer
vor seiner Klasse stehend: Goethe, ach all die Klassiker, nicht mehr
zumutbar meinen Schülern! Lasset uns den Wein verdünnen,mit viel
Wasser, damit die Schwachen ihn noch trinken können. Die Verdünnung
der Liturgie ist so eingeleitet und findet oft dann in
infantilistischen „Familiengottesdiensten“ ihren absoluten
Tiefpunkt. Schmerzverzehrt wenden sich unsere Augen ab und suchen das
Schöne, das was einst in der Kirche und nicht primär in Museen ihr
lebendiges Zuhause hatte.
3. Ein Weg zur Alten
Messe
3.1. Der Ausgangspunkt
Für mich als typisch
evangelisch-reformiert Sozialisierten war der Weg zur Alten Weg sehr
weit und doch wiederum auch sehr kurz. Richtig reformiert ist ein
Gottesdienst nur dann, wenn es ein lange Predigt gibt, die umrahmt
wird von ein paar Gemeindeliedern. Ja, es gibt Reformierte, die ihren
Gottesdienst rühmen, weil er völlig liturgielos sei! Die Predigt
als Belehrung in theoretischer (was ist zu glauben) und praktischer
Hinsicht (was ist zu tun), bildet das Zentrum dieser
Gottesdienstform. Schon zu Lebzeiten Calvins frug dann so mancher:
Warum soll ich denn noch in den Gottesdienst gehen, wenn ich schon
weiß, was ich zu glauben habe und wie ich zu leben habe? Die Reform
der Liturgie, die Abschaffung des hl. Meßopfers, die Abschaffung des
Priesters und die Umwandlung des Gottesdienstes in eine
Belehrungsstunde mit musikalischer Umrahmung, das war das Gütezeichen
des reformierten Christentumverständnisses. Der Erfolg: ein
Reformierter geht eigentlich nicht in die Kirche und wenn, dann steht
er im Rufe, wohl kryptokatholisch zu sein. Wo das Ziel des
Gottesdienstes die Belehrung der Gemeinde ist, ja, da frägt sich
manches Gemeindeglied: warum nicht lieber zu einem Buch greifen
oder-zeitgenössischer-ein Blick ins Internet, um sich zu
informieren. Gerade der reformierte Gottesdienst erwies sich so von
Anfang an als eine Todgeburt. Und der lutherische? Je aufklärerischer
man wurde, desto mehr paßte man sich den Reformierten an.So hielt
ich es denn auch. Ich ward evangelischer Christ, ausgestattet mit der
festen Überzeugung, daß der sonntägliche Gang zur Kirche etwas
eigentlich für den Glauben Überflüssiges ist. Und, heute: wie
erstaunt bin ich, das nun aus den Mündern vieler Katholiken genauso
zu hören.Sie sind dahin gekommen, wo die reformierte Liturgie des
Reformiertentums die Gläubigen hingebracht hat: Jesus ja,
Gottesdienst: Nein Danke! ,zu sagen und zu praktizieren.
3.2 Mein erster Kontakt
mit der Alten Messe
Irgendwann einmal in
einer Religionsunterrichtsstunde, das Thema war die Ökomene,
dozierte die Lehrerin: Es gab in der Katholischen Kirche einst ein
Reformkonzil, das auch eine Modernisierung der Gottesdienstordnung
beschloß. Die Frucht sei die neue Liturgie. Da könne man jetzt als
überzeugter Evangelischer unbesorgt teilnehmen. Das wäre früher in
der vorkonziliaren Messe nicht möglich. Jetzt sind da so viele
Anliegen der Evangelischen positiv aufgenommen worden in der „Neuen
Messe“, sie ist eigentlich protestantisch! Irgendwie begeisterte
mich diese Auskunft nicht. Vor meinem inneren Augen entstand das
Zerrbild einer uniformen Welt mit uniformer Religion: alles sei
gleich und ähnele sich an. Alles eins. Auch wenn mir damals der
Begriff der Postmoderne noch nicht zur Verfügung stand, ich empfand
das typische Unbehagen postmodernistisch Empfindender: den Ekel vor
einer universalistischen Einheitswelt, in der alle Differenzen zum
Verschwinden gebracht wurden: es gäbe keine Religionen mehr, nur
noch eine Einheitsreligion, keine Völker mehr, nur noch die
Menschheit, nicht mehr Mann und Frau, sondern nur noch
Menschen...Aber was bleibt vom Leben, wenn alles zu einer Einheit
umgeformt wird? Sollten nicht die Katholiken katholisch, die
Evangelischen evangelisch sein und bleiben, denn der Gott, der unsere
Welt regiert, der wird sich schon was dabei gedacht haben, daß er
das Leben wie auch das religiöse in einer Vielzahl von Formen
geschaffen hat und erhält. Liberal waren damals wir Schüler im
Religionsunterricht alle: daß es zwischen wahr und unwahr zu
unterscheiden gälte, auch im Raume der Religion, das war damals für
mich-wie heute auch für die meisten Christen-eine Unvorstellbarkeit.
So blieb bei mir eine Frage nach dieser Stunde: Wie mag wohl eine
katholische Messe ausgesehen haben, bevor man sie modernisiert und
protestantisiert hatte? Gibt es sie noch? War sie ganz anders als die
jetzige?
3.3 Eine Konvertitin
erzählt
Ja, sie wolle evangelisch
werden und sie werde diesen Schritt nun auch einleiten.Mich frug sie,
als Studenten der evangelischen Theologie: Wie könne sie denn so
einen Übertritt von der Katholischen Kirche in die evangelische
begründen? Warum wollte sie konvertieren? Sie liebte einen
Evangelischen und da der Religionslehrer werden wollte,ihm war sein
evangelische Konfession wichtig, wollte sie auch evangelisch werden.
Für die Ehe sei es besser, wenn beide die selbe Religion haben. Und
deshalb konvertiere sie. Nicht, daß ich denken möge,ihr fiele der
Austritt leicht. Nein, als Evangelische dürfte sie die Mutter
Gottes, Maria nicht mehr anrufen-aber sie liebt die Mariengebete.
Und: der evangelische Gottesdienst wäre so schrecklich
nüchtern-intellektualistisch: nur Belehrung und Aufklärung, nichts
Heiliges! Dann seufzte sie: früher, vor dem Konzil war das bei uns
Katholiken ganz anders. Wir hatten eine wunderschöne Messe. Sie
kenne Kreise, in der die immer noch praktiziert würde. Aber das sei
Vergangenheit. Jetzt habe die Kirche eine reformierte und da könne
sie dann auch gleich zum Original wechseln, zur protestantischen
Liturgie. Früher war die Messe richtig schön! Aber,was vorbei
ist,ist vorbei. Die „Alte Messe“ sei gar verboten worden von der
Kirche, meinte sie! Ich dachte nur: was muß das für eine seltsame
Kirche sein, die ihrer eigenen Tradition so feindlich gegenübersteht,
daß sie ihre eigene verbietet.
4. Eine Unterbrechung
Nun könnte ich ja
erzählen, wie es war, als ich nach meiner Konversion zur
Katholischen Kirche zum ersten Mal die Alte Messe erlebte, was mich
beeindruckte, wie mich das eigentümliche Gefühl beschlich, meine
verlorene Heimat wiedergefunden zu haben. Nur, so einfach war und ist
das alles nicht. „Man sieht nur, was man kennt.“ Reflektiere ich
nicht darüber, mit welchen Augen, mit welchem Wissen und in mir
präsenten Bildern ich die Alte Messe erlebte: auch die authentischst
und aufs lebhafteste erzählte Erstbegegnung blieb für den Leser
ein Fremdkörper, wenn er nicht Ähnliches schon mal erlebt hat.
Zudem würde so die Voraussetzungen für ein solches Erleben
verschwiegen, ohne die sich solch ein Erleben schwerlich einstellen
kann. Jeder erlebt etwas immer vorgeprägt durch sein Leben. Es kann
nun Vorprägungen geben, die ein Erleben der Alten Messe ermöglichen
und andere Vorprägungen, die einen Zugang zu ihr versperren.
5.Man sieht nur, was man
kennt
Ein Reiseführer warb mal
für seinen Ankauf mit der Einsicht: man sieht nur, was man kennt.
Was sehe ich, wenn ich eine katholische Messe besuche, in der ersten
Reihe sitze und wenn mir die ganze katholische Tradition völlig
fremd wäre. Ich erinnere mich noch gut eines Radioreportes über
Jugendliche in der DDR, bzw. kurz nach deren Auflösung. Eine
Kirchenbesichtigung stand auf dem neuen Unterrichtsplan. Angesichts
des Gekreuzigten frug ein Schüler: „Ist das vielleicht der
Spartacus?“ DDR-Sozialisation. Nach dem Idealfall der DDR-Lernpläne
sollte der römische Sklavenaufstandsführer Spartacus bekannter sein
als der Herr Jesus von Nazareth. Was sehen wir in der Messe? Bevor
hier nun in medias res gegangen werden kann,müssen wir uns befragen:
was bringe ich mit an Wissen und Erkenntnis, damit ich in der hl.
Messe das dortige Geschehen auch begreifen kann? Könnte es nicht
sein, daß vor der Reform der Liturgie eine Blindheit für diese
Messe bestand? Ist es nicht sehr realistisch, forderte man nun
einfach den Leser auf: gehe in die Alte Messe, er enttäuschten
Augens sagen wird: „Das soll alles sein! Ist doch irgendwie alles
das selbe?“ Wer nichts vom Wein versteht, merkte der den
Unterschied von einem Qualitätswein und einem Billigstwein? Gehört
ein gebildetes, wissende Auge dazu, um die wesentlichen Unterschiede
zwischen der Alten und der Neuen Messe zu sehen und zu erkennen?
Bereiten wir uns also vor
auf die Alte Messe! Was wissen wir denn schon? Bisher nur sehr
Weniges.
Eigentlich nur ein
Gerede: daß es früher alles besser war, daß es früher schöner
war, daß das, was wahr durch etwas ersetzt wurde, was man
vulgärisierend als eine Protestantisierung der Messe beschreibt und
daß die Kirche diese ihre traditionelle Messe selbst verbot (jetzt
aber unter bestimmten Umständen wieder zuläßt). Nichts Bestimmtes
weiß man.
Eines muß uns deutlich
vor Augen stehen: die Alte Messe war nicht der Anfang, sondern der
Höhepunkt einer religiösen Entwicklung. Gott selbst führte die
Menschen vom Alten Bund und seinem Opferkult über Jesu Christi
Einsetzung der Eucharistiefeier am Gründonnerstag hin zu dieser
vollendeten Form der Messe. Der göttliche Pädagoge leitete so
selbst die Menschen hin, Schritt für Schritt zu dieser Endgestalt
der Gottesverehrung. Hier nun in medias res gehen wollen hieße, auf
der Überholspur fahrend mit der Schlußlektion anzufangen und alle
Vermittlungen außer acht zu lassen! Gerade der Wunsch, alles gleich
spontan erleben zu wollen und bringt es mir als Konsumenten nicht
sofort etwas, es als mir nicht zugänglich sogleich bei Seite zu
legen, versperrt dem Konsummenschen jeden Weg zur Hochkultur. Und die
Messe ist praktizierte Hochkultur.
6. Was muß ich wissen,
damit ich einen Weg für mich zur Alten Messe finden kann?
Für mich selbst war es
der Weg des Studiums der Theologie. Ja, so befremdlich das auch
klingen muß, denkt man an die an den Universitäten dozierte
modernistische Theologieen. Nur, ich studierte ja evangelische
Theologie an einer eher konservativ ausgerichteten Fakultät. Zudem
verlangt jedes wissenschaftliche Studium ein eigenständiges
Studieren und so kann man sich vieles erarbeiten, was nicht im
offiziellen Lehrplan vorgesehen ist. Das ist nun mein Weg gewesen-
aber das ist ein privilegierter Weg,nur für wenige beschreitbar.
Darum ist er auch nicht relevant. Es soll nach einem allgemeineren
Weg jetzt Ausschau gehalten werden! Was könnte ich unternehmen,wenn
mir nicht ein Studium der Theologie vergönnt ist?
Das erste ist es, aus dem
Gerede, was man da so alles über die Alte und die Neue Messe meint,
hinter sich zu lassen! Daß die Alte, weil sie alt ist,nicht mehr
zeitgemäß sei, daß sie mittelalterlich sei, antisemitisch,
antidemokratisch, daß in ihr der Priester das Volk verachte, weil er
ihm den Rücken zukehre, daß niemand verstünde,was da geschehe,
weil alles lateinisch sei usw und daß die Neue
fortschrittlich,modern, zeitgemäß usw. sei.
Das zweite, daß ich mich
nicht der Illusion hingebe, daß ich nichts zu wissen bräuchte, weil
sich mir alles im Augenblick des Sehens erschließt, sitze ich in
der ersten Reihe und mach die Augen nur weit genug auf, : alles
begreife ich sofort.Nein, Exerzitien wären nötig als Vorbereitung
auf die hl.Messe und das macht das Problem jeder Messe aus, wenn sie
mehr sein will als ein religiöser Vortrag mit musikalischer
Gemeindegesangumrahmung.
7. Eine Einübung ins
Sehen
A)Ein Irrweg
Wie könnten solche
Exerzitien des Sehens aussehen, damit ich einen Weg zur Messe und
gerade zu der wahren Gestalt der Messe, der tridentinischen finden
könnte ? Der scheinbar einfachste Weg wäre wohl der,daß ich mir
von Liebhabern der Alten Messe erzählen lasse, wie sie diese Messe
erleben.Nur, dieser einfache Weg erweist sich oft als Irrweg. Was
nützte es dem ungläubigen Thomas, daß seine Glaubensbrüder ganz
authentisch von ihrem Erlebnis, wir sahen den Auferstandenen,
erzählen? Es bleibt ihr Erlebnis und es wird nicht zu einem eigenen
Erlebnis.. Selbst mußte er sehen, damit er an die Auferstehung Jesu
glauben konnte. Und wer kennt Ähnliches nicht aus seinem Leben. Da
erzählt wer ganz enthusiasmiert, wie gut es ihm in der Sauna gefalle
und der Hörer schüttelt sich innerlich vor Entsetzen bei der
Vorstellung, das mitmachen zu müssen. Was dem Fußballfan das
Ereignis seines Lebens war,seine Mannschaft gewann den Pokal, er
erzählt begeistert vom Entscheidungsspiel, das langweilt den
Zuhörer, weil ihn Fußball überhaupt nicht interessiert. Was mich
begeistert, was mir Freude bereitet, auch wenn ich das noch so
authentisch und glaubwürdig erzähle, es läßt den Anderen
unberührt,ja, ruft geradezu eine Abneigung hervor, wird zu
begeistert und pathetisch geredet. In den Zeiten der Postmoderne
gilt, daß selbst die von etwas hundertprozentig Überzeugten einen
Hauch von Ironie in ihre Rede einfließen lassen, weil diese Zeit
letztendlich an nichts mehr glaubt und so jedes (Glaubens)Bekenntnis,
pathetisch und assertorisch vorgetragen als unschicklich empfindet.
Wenn Luthers Votum: „Hier stehe ich und kann nicht anders“ die
Moderne qualifiziert, dann sagt die Postmoderne: „Hier stehe ich,
aber ich könnte auch ganz anders.“
- B) Der Gebrauch von Sehhilfen als der rechte Weg
Wenn es nicht einfach
unmittelbar geht: ich kam, sah und wurde überwältigt vom Gesehenen,
dann bedarf es einer Einübung in das Sehen, damit ich dann die Alte
Messe auch wirklich begreifen kann.Die Bibel stellt uns selbst die
Sehhilfen zur Verfügung, mit der wir die Messe zu sehen haben, um
sie zu begreifen! Man stelle sich mal vor, ich wollte einen Roman
lesen, und um Zeit und Müh zu sparen,begönne ich mit dem letzten
Kapitel des Romanes. Das zu lesen, reiche doch,um das ganze Werk
kennen zu lernen und seinen Gehalt zu erfassen! Niemand praktiziert
das so. Aber in der Religion, da will man gleich mit dem Ende
anfangen, mit der Alten Messe und die Entwiklung dahin einfach
überlesen, gleich in medias res gehen! Aber so bleibt uns die Messe
verschlossen, weil wir die Anfangslektionen vernachlässigen und
gleich Fortgeschrittene sein wollen. Seien wir Anfänger im Glauben
und beginnen ab ovo!
8. Die Sehhilfe
Welche Sehhilfen bietet
uns denn die Bibel? Die der archaischen Urbilder, das des Priesters,
des Opfers, und das komplexe Bild des Kultes und darin eingezeichnet
das Bild des Gottes, der unsere Opfer will und selbst den Kult
eingesetzt hat, ihm zur Ehre, uns zum Heile. Wer diese Urbilder nicht
in der Messe wiedererkennen kann, der verkennt die Messe. Er sieht
und erlebt dann da etwas, was nicht dem entspricht, was objektiv sich
in der Alten Messe ereignet. Ein typisches Zerrbild eines so
verfehlten Sehens ist die Vorstellung, daß die Messe eine
Gemeindeveranstaltung sei, für sie ausgerichtet von Hauptamtlichen
mit dem Ziel religiöser Erbauung-im weitesten Sinne. Salopp gesagt:
ein religiöses Unterhaltungsprogramm, das bestenfalls zum Event
wird!
Die Urbilder sind
einfach: der Priester, der auf dem Altar das Gott wohlgefällige
Opfer darbringt.Der klassische Ort ist dafür der Tempel. Dieses Bild
wird nun im Alten Testament variantenreich erzählt. Ein Student der
Theologie ginge nun diesen erzählten Variationen des Urbildes nach,
um so dies Bild in seinem ganzen inneren Reichtum zu erfassen. Der
Nichtstudent begnüge sich getrost mit diesem einfachen Urbild. Nur,
gerade weil es uns Anspruchsvollen ein zu einfaches Bild ist, lassen
wir es uns gern durch andere Bilder übermalen. Da gibt es dann
kult-und priesterkritische Erzählungen vom sogenannten
Priesterbetrug, daß sie den Gott für sich erfunden hätten, einen
der Opfer wolle, um sich selbst nur zu sättigen, oder daß die
Vorstellung,daß Gott unsere Opfer wolle, eine ganz und gar primitive
Vorstellung wäre, die für jeden modernen Menschen unzumutbar sei.
Zur christlichen Lebenspraxis gehört die Askese. Das heißt hier:
sich zu emanzipieren von diesen Irrbildern und zu den Urbildern
zurückzukehren, denen der Bibel. Erst wenn wir in diesen Bildern uns
eingeübt haben, werden wir sie erfolgreich in der Alten Messe
wiedererkennen können!
9. Die Opfer des Alten
und des Neuen Bundes und das Kreuzaltaropfer Jesu Christi
Die sich uns jetzt
aufdrängende Frage ist: ist denn das Meßopfer der Kirche ein Opfer,
in dem die Opfer des Alten Bundes weiterleben und wie verhalten sich
die vielen Opfer zu dem einen Opfer Jesu Christi? Wer hier zu keiner
Klarheit findet, wird nie die Alte Messe begreifen können. Man muß
sogar sagen, daß die Unklarheit über die Beziehung dieser drei
Größen zueinander erst die Neue Messe ermöglichte, die diesen
Zusammenhang verdunkelt. Daß dann in liberal-katholischen Kreisen
überhaupt nicht mehr vom Opfer der Kirche gesprochen wird, sondern
fast nur noch von einem Gemeindemahl, ist eine zwangsläufige Folge
dieser theologischen Unklarheit, die dann eine die Wahrheit
verdunkelnde Liturgie aus sich heraus setzte.
Dies ist sicher eine der
schwierigsten Fragen der Theologie. Könnten wir diese Schwierigkeit
nicht umgehen, um einfach zu erzählen, was das geschulte Auge da zu
sehen bekommt, nimmt es aktiv teil an der Alten Messe? Nur, manches
spricht dagegen! Luther und viele ihm Nachfolgenden konnten die
Einheit des Kreuzaltaropfers mit dem kirchlichen Meßopfer nicht
sehen und deshalb zerstörten sie diese Einheit: es gäbe nur ein
wahres Opfer, das am Kreuze, und so könne die kirchliche
Abendmahlsfeier kein Opfer sein. Sie sei nur eine Erinnerung an das
Opfer Jesu. Deshalb: weil die Abendmahlsfeier kein Opfer sein kann,
kann es auch keine Priester mehr in der Kirche geben und die
Abendmahlsfeier erinnert uns nur an den Kreuzestod Jesu! Subkutan
schleicht sich dies protestantische Mißverständnis auch in
katholischen Gemeinden ein. Dies wird forciert durch den ökomenischen
Dialog! Wer da blauäugig meint, eine Abendmahlsgemeinschaft sei doch
zwischen Protestanten und Katholiken möglich, gibt in der Regel den
Opfercharakter der Messe auf! Auch die einfache Frage: warum wirkt da
ein Priester, und nicht ein bloßer Leiter der Gemeindeversammlung,
der Jesus Christus als den wahren Hohepriester verkündet, ist nicht
beantwortbar, wenn die Einheit nicht gesehen werden. Die Alternative
dazu, eine Reihe von Opfern anzunehmen, die vielen des Alten Bundes,
das eine Kreuzaltaropfer und die vielen der Kirche des Neuen Bundes,
durch die wir erlöst würden, erlaubt uns die Theologie nicht. Durch
ein Opfer, durch das Jesu Christi sind wir erlöst und nicht durch
eine Vielzahl von Opfern. Als Klärungsversuch soll hier die These
aufgestellt werden, daß das eine Opfer, durch das wir erlöst sind,
die Einheit des Urbildes des Opfers, das Kreuzaltaropfer mit den
Abbildern dieses Opfers in der Gestalt der vielen Opfer des Alten und
der vielen Opfer des Neuen Bundes ist. Das Urbild des Opfers ist erst
das wahre Opfer durch die vielen Opfer als Abbilder dieses Opfers.
Erst die Einheit vom Urbild und Abbild bildet das eine Opfer. Nicht
fügt die Kirche dem einen Opfer noch etwas hinzu oder wiederholt es.
So gesehen, können wir in der Meßfeier im Priester den Priester
des Alten Bundes, den Priester Kaiphas des Kreuzaltares erkennen, der
uns zugleich Christus als den wahren Priester vergegenwärtigt.
10. Die Formgebung
Die Aufgabe der
Formgebung des Meßopfers besteht nun darin, daß dies transparent
wird in der Messe. Die Messe ist so zu gestalten, daß in ihr ihr
inneres Geschehen, daß hier der Priester das Gott wohlgefällige
Opfer Gott zur Ehre, den Menschen zum Heile darbringt, äußerlich
zum Ausdruck kommt. Die Kirche hat sich dieser Aufgabe gestellt und
in der tridentinischen Messe die wahre Form für diesen Gehalt
gefunden. Darum ist sie die wahre Form der Meßfeier mit ihrem
Zentrum, dem Meßopfer. Jedes Bild vom Priester mit seinem
Ministranten, knieend vor dem Hochaltar, die Hostie erhebend zum
Tabernakel hin, dem Ort, wo Gott seinen Namen für uns wohnen läßt,
zeigt es uns aufs ausdrücklichste: hier ist die wahre Form der
Gestaltung des Meßopfers gefunden worden. Eine Reform, wie immer
auch sie geartet sein mag, kann diese Klarheit der Formung nur
verdunkeln. Das leistet leider die reformierte Messe.
11. Die Verdunkelung
Der Begriff des Pontifex
bedeutet: Brückenmacher. Der Priester vermittelt zwischen Gott und
den Menschen. Der Hochaltar, in dem das Tabernakel den Wohnort Gottes
auf Erden bildet und so die Kirche zu dem Tempel des Neuen Bundes
werden läßt, bildet den einen Pol, den anderen die Gemeinde und
darüber hinaus alle Menschen, zu deren Heil das Meßopfer
dargebracht wird. Der Priester steht zwischen Gott und den Menschen.
Er wendet sich zu Gott, indem er sich zum Hochaltar wendet, er wendet
sich zu den Menschen, indem er zur Gemeinde sich wendet. Das
Dazwischen ist auch ein höhenmäßig bestimmtes Dazwischen: unter
dem Hochaltar und über dem Volk. So ist er der Mittler. Er bringt
Gott das Opfer dar und die Früchte des Opfers bringt er dem Volk,
indem er Leib und Blut Christi an die Gemeinde austeilt.
Diese Klarheit geht nun
verloren durch die Abschaffung des Hochaltares und der Erfindung und
Einführung des Volksaltares. Plötzlich kommt der Priester hinter
dem Altar zu stehen und ist permanent der Gemeinde zugewandt. Die
Ausrichtung auf Gott verschwindet! Anthropozentrismus statt
Theozentrismus. Der Priester vermittelt nicht mehr zwischen dem, was
über ihm ist und dem, was unter ihm ist. Er steht, im schlimmsten
Falle fast auf gleicher Höhe mit der Gemeinde als einer unter
Gleichen, der, weil er gleich ist, den Mitgläubigen eigentlich
nichts zu sagen hat, was sie nicht schon wüßten. Die vollkommene
Auflösung der Hierachie, der religiösen zwischen Gott und Priester
und Volk ist in dem Kreis erreicht, wenn alle im Kreise sitzend, dem
Zentrum, der gestalteten Mitte gleich nah und gleich fern, sodaß
jeder nur noch seine subjektive Wahrheit authentisch den anderen zu
Gehör bringt.
Wenn der Priester nicht
mehr zwischen Gott und der Gemeinde vermittelt, dann vermittelt er,
so im Zentrum hinter dem Altar stehend nur noch sich selbst. Er
steigt auf zum Religionsvirtuosen, der vor der Gemeinde stehend
seinen Glauben inszeniert und versucht zu vermitteln. Es gibt nun nur
noch einen Adressaten in der Messe, den Menschen. Und darum wird
alles in der Volkssprache gesprochen, selbst die angeblich an Gott
adressierten Gebete. Sinnfälliger kann die Abwendung von Gott und
die alleinige Kaprizierung auf den Menschen nicht zum Ausdruck
gebracht werden. Schon die evangelischen Reformatoren schlugen vor,
die Gebete in der Volkssprache zu sprechen, damit sie bei der
Gemeinde besser ankämen! Das könnte man als praktizierten Atheismus
bezeichnen. Gott, der einzige Adressat des Betens ist so völlig
vergessen. Die Messe verliert in ihrer äußeren Gestalt ihr Zentrum.
Äußerlich wird der Priester zum Zentrum. Dieser Aufstieg evoziert
dann die Gemeinde, die sich frägt: „Warum, in welchen Recht erhebt
der Priester sich über uns?“ Immer mehr Hauptamtliche und Laien
sollen nun um den Altar und den Ambo herum irgendwas machen, damit
aus der priesterlichen Alleinunterhaltung eine Feier der ganzen
Gemeinde wird. Faktisch soll so das letzte Überbleibsel der
hierachischen Ordnung, Gott, Priester und Volk, aufgelöst werden.
Und wo bleibt das
einstige Zentrum? Man schaue mal, wo das Tabernakel in den
modernisierten Kirchen zu stehen kam! Wo der Mensch in der Mitte
stehen will, da muß der Hochaltar als die gelungenste Formgebung des
christlichen Theozentrismus weichen. Nicht gilt für die Messe: wo
sich Gläubige versammeln, da ist Gott mitten unter ihnen, sondern:
wo Gott seinen Namen wohnen läßt, da versammelt sich seine
Gemeinde. Die Kirche steht in der Kontinuität mit dem Jerusalemer
Tempel, von dem Gott verhieß, hier lasse ich meinen Namen wohnen und
nicht in der Tradition der Synagoge, des Versammlungsraumes von
Gläubigen zur gemeinsamen Religionsausübung.
Der Volksaltar soll
dogmatisch gesehen immer noch ein Altar sein, auf dem dem dreieinigen
Gott das Gott wohlgefällige Opfer dargebracht wird. Aber die
äußerliche Formgebung spricht eine andere Sprache: ein
überdimensionierte Tisch, auf dem Speis und Trank vorbereitet
werden, damit dann die Gläubigen den Leib und Blut Christi empfangen
können. Nur: in liberalen Gemeinden scheint man eher Brot und Wein
auszuteilen, um an den einstigen Liebhaber dieser Speise und dieses
Trankes zu erinnern! Der Pfarrer ißt und trinkt mit der Gemeinde
in Erinnerung an Jesu Abendmähler, das wäre dann der Endpunkt der
Verdunkelung des wahren Gehaltes der Messe. So schlimm ist es in der
Regel nicht, aber die reformierte neue Messe bringt eben nicht klar
das Wesen der Messe zum Ausdruck-nein es verunklart das Wesentliche,
daß hier dem dreifaltigen Gott das Gott wohlgefällige Opfer durch
seinen Priester dargebracht wird, Gott zur Ehre, den Menschen zum
Heile.
12. Was tun?
Wer eine Möglichkeit
hat, die Alte Messe zu besuchen, der tue dies. Wem diese Möglichkeit
nicht gegeben ist, der denke daran, daß auch die Neue Messe trotz
ihres verdunkelnden Charakters eine wahre Messe ist. Sie verlangt nur
von uns ein konzentrierteres Hinsehen, um wider den Schein auch hier
das wahre Wesen der Messe wiedererkennen zu können: das Urbild des
Opfers. Der Gebrauch von Sehhilfen ist aber für die Neue wie für
die Alte Messe nötig. Man sieht nur, was man kennt.Das gilt gerade
für ein so hochkulturelles Gebilde wie die hl.Messe, so wie sie die
Kirche immer gefeiert hat.
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