Donnerstag, 23. Oktober 2014

Und führe uns nicht in Versuchung?-oder widerspricht sich die Bibel?

Und führe uns nicht in Versuchung

Wem ist diese Bitte des Vaterunsers nicht schon mal aufgestoßen? Gott führt doch nicht in Versuchung! Der Jakobusbrief bestätigt das: „Keiner, der in Versuchung gerät, soll sagen: Ich werde von Gott in Versuchung geführt.“ (Jak, 1,13). Gott ist gut und jemanden in Versuchung führen ist keine gute Tat- also führt Gott nicht in Versuchung. Was hat sich unser Heiland nur dabei gedacht, als er uns, als er uns das Beten lernte, diese Bitte des Vaterunsers vorschrieb? Da bitten wir Gott um etwas, was selbstverständlich ist. Er versucht niemanden und darum ist auch das Gebet, Gott, führe mich nicht in Versuchung, völlig sinnlos.

In so mancher Predigt hört man dann, daß Jesus eigentlich etwas anderes gemeint habe, nämlich: Gott, lasse nicht zu, daß ich in Versuchung gerate. Nur, das steht da nicht. Zudem besteht ein gewaltiger Unterschied zwischen: etwas tun oder: etwas zulassen. Es ist unvorstellbar, daß der Lehrer der Wahrheit, die Wahrheit selbst, wenn er uns, seinen Schülern das Beten lehren will, so mißvertändlich lehrt.

Widerspricht sich hier die Hl. Schrift, so daß wir nun zu entscheiden hätten, ob wir mit Jakobus glauben, daß Gott nicht in Versuchung führt oder mit Jesus, daß Gott doch in Versuchung führt,sodaß wir bitten sollen: führe uns nicht in Versuchung! Schnell, zu schnell sind wir dazu geneigt, mit Jakobus gegen Jesu Vaterunserbitte zu votieren, weil uns die Vorstellung eines Gottes, der in Versuchung führt, zu unangenehm ist. Abstrakter gesagt: seit dem jede Herrschaft sich demokratisch zu legitimieren hat, um sich von einer inakzeptablen Willkürherrschaft abzuheben, gilt auch für die Gottesvorstellung, daß Gott für den demokratisch Empfindenden nur als Herr akzeptabel ist, wenn er so regiert, wie es uns gefällt- und da wir nicht in Versuchung geführt werden wollen, führt Gott auch nicht in Versuchung.

Es gab Zeiten, da dachte man ähnlich. Da sagten Christen: Ja, ich habe gesündigt, ja, ich bin der Versuchung erlegen, um sich dann von aller Schuld rein zu waschen mit dem Zusatz: Gott habe mich verführt, Gott führt selbst in Versuchung und wer könne schon Gott widerstehen! Es ist nicht mehr meine Sünde, sondern alle Schuld wird auf Gott geworfen und der in der Versuchung Gefallene steht mit reinen Händen wieder vor Gott. Das Gemeinsame: wir denken uns Gott, wie er uns gefällt und das ist dann der wahre Gott. Zu Zeiten des Jakobus :der Gott, der selbst Menschen in Versuchung führt, sodaß der Gefallene alle Schuld auf Gott wirft, um sich rein zu waschen und heute: der Gott, der niemanden in Versuchung führt, weil uns das eine zu bedrohliche Vorstellung ist.

Jakobus widerspricht: Sage nicht, wenn du in der Versuchung gefallen bist, daß Gott dich in Versuchung geführt hat, sodaß du unschuldig bist, weil niemand Gott widerstehen kann. Jesus aber widerspricht unserer Vorstellung vom nur lieben Gott, wenn er uns lehrt, daß Gott auch uns in Versuchung führen kann und daß wir deshalb bitten sollen und dürfen: führe uns nicht in Versuchung.

Widerspricht es der Güte Gottes, Menschen in Versuchung zu führen? Was hielten wir von einem Menschen, der sich für den besten Schachspieler der Welt hält, aber nie eine Schachpartie spielt, was von einem, der sich für tugendhaft hält, aber nie in die Situation, zu sündigen geriet? Tugend,die nur die Folge eines Mangels an Gelegenheiten wäre, das wäre keine Tugend. Gott führt Gläubige in Versuchungen, wie er auch seinen Sohn durch den Teufel versuchen ließ, damit ihr Glaube durch die Versuchungen hindurch wachse. Jede Versuchung, der wir widerstehen,läßt uns wachsen im Glauben, aber jede Versuchung kann uns auch zum Fallen bringen und ob dieser Gefahr dürfen wir beten: führe uns nicht in Versuchung! Gott ist aber der Herr auch über unser Beten und Bitten. Ein magisches Gebetsverständnis wäre es, meinten wir, beten wir nur richtig, dann müsse Gott unser Gebet erhören. Als Christen wissen wir aber, daß Gott selbst das Gebet seines Sohnes, lasse den Kelch des Kreuzes an mir vorbeigehen, nicht erhört hat und so kann Gott auch unser Gebet, führe uns nicht in Versuchung, nicht erhören, weil er uns durch eine Versuchung die Möglichkeit zum Wachsen im Glauben geben möchte. So kann sich Gottes Güte auch im Nichterhören unseres Betens erweisen. Aber angesichts der Gefahr des Fallens in der Versuchung erlaubt uns der Heiland: bete, daß Gott dich nicht versucht. Und dieses Gebet ist deshalb kein sinnloses, weil Gott selbst Menschen in Versuchung führt, aber nicht so, daß wir dann sagen könnten: weil Gott mich versucht hat, bin ich für meinen Fall unschuldig, weil kein Mensch Gott widerstehen kann, wenn er in Versuchung führt. Wenn Jakobus sagt, Gott führe nicht in Versuchung, dann meint er damit genau diesen Entschuldigungsakt, daß der Gefallene Gott die Schuld gibt, um sich zu entschuldigen: Gott habe mich unwiderstehlich in Versuchung geführt. Wenn Gott in Versuchung führt, dann nur so, daß der Mensch dieser Versuchung auch widerstehen kann.Aber weil diese den Glauben stärken könnende Versuchung, wenn ihr widerstanden wird, auch den Abfall vom Glauben zeitigen kann, darum dürfen wir beten: Gott führe uns nicht in Versuchung, denn kein Christ hat die Gewißheit, in der Versuchung nicht zu fallen.

Daß Gottes Versuchungen für uns Menschen auch wirklich etwas Bedrohliches ist, zeigt uns eine Geschichte aus dem Leben des Königs David. (2.Samuel 24). „Und der Zorn des Herrn entbrannte abermals gegen Israel, und er reizte David gegen das Volk und sprach: Geh hin,zähle Israel und Juda!“ (24,1) David fiel in die Versuchung, er führte die Volkszählung durch. „Aber das Herz schlug David, nachdem das Volk gezählt war. Und David sprach zum Herrn: Ich habe schwer gesündigt, daß ich das getan habe.“ (24,10). Erschreckend ist hier die Vorstellung, daß Gott aus Zorn über sein Volk den König und sein Volk zur Sünde verführt! Wenn von Gottes Zorn in der Bibel die Rede ist, ist damit natürlich nicht ein irrationaler Gefühlsausbruch Gottes gemeint. Zorn meint, daß Gott sich von unseren menschlichen Sünden berühren läßt.

Weil er sein Volk liebt, regiert er auch auf das Sündigen seines Volkes. Es ist ihm nicht gleichgültig. Nun wird es aber komplizierter: nicht straft Gott sein Volk, weil es gesündigt hat sondern er stellt es auf die Probe. Tut es, was Gott nicht will, wird Gott es strafen, widersteht es der Versuchung, dann will Gott es ob dieses sich Bewährthabens in der Versuchung nicht strafen. Der König und das Volk fällt und jetzt ist der Augenblick des dies irae gekommen. Nur, König David, er erkennt seine Schuld und bittet Gott um Vergebung. Vergibt Gott? Wie oft haben wir in Predigten und theologischen Büchern von der bedingungslosen Liebe und Gnade Gottes gehört. Ja, jetzt wird Gott sein: „Absolvo“ zu dem König und seinem Volk sprechen und alles ist dann wieder gut. Ach, wie anders handelt Gott. Er besteht auf eine Strafe. Aber König David darf wählen, wie Gott strafen wird. Er wählt die Pest. Schrecklich ist Gottes Gericht. Der fromme König David errichtet aber einen Altar,opfert dort Gott und wendet so das Gericht Gottes ab von seinem Volk.(24,25). Eines zeigt uns überdeutlich diese Geschichte: daß Gott auf unser Fallen in der Versuchung wirklich reagiert. Ihm ist es nicht gleichgültig. Er straft selbst sein eigenes Volk und seinen König! Aber es zeigt genauso deutlich, daß Gott eine Gnadenordnung eingesetzt hat, in der der König David wieder den gerechten Zorn Gottes abwenden kann. Weil Davis ein Gott wohlgefälliges Opfer darbringt, läßt Gott vom Strafen ab. Gott ist kein abstraktes Prinzip, auch nicht das einer unbedingten Liebe, sondern er offenbart sich als leidenschaftlich liebender Gott, dem die Untreue seines Volkes nicht kalt läßt. Er zürnt, er verführt zur Sünde, aber nur so, daß der König auch hätte widerstehen können.
Und fallen wir doch, Gott weist uns gerade durch diese Geschichte den Ausweg aus unserem Unheil, sind wir gefallen: das heilige Meßopfer.



Aber angesichts des Strafgerichtes über den König und das Volk Israel ist es mehr als verständlich, warum uns der Heiland lehrt zu beten: und führe uns nicht in Versuchung. Denn unserem Fall folgt Gottes Zorn. Gott nimmt uns auch in unsrem Sündigen ernst, indem er uns nicht wie Strafunmündige behandelt, sondern wie Bundespartner Gottes, die für ihr Tun verantwortlich sind, auch für ihr Sündigen!

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