Die
Ehe-ein Rückzugsgefecht?
Einst
verkündete die Kirche die Königsherrschaft Christi, das Reich
Gottes. Schaut man auf die gegenwärtige Debattenlage, scheint es nur
noch ein Thema für die Kirche und die engagierten Christen zu geben:
die Ehe. Eigentlich ist der Anspruch der göttlichen Offenbarung-man
erschrecke nicht vor diesem Wort-ein totalitärer: das Ganze soll
nach Gottes Willen geordnet werden. Mit der Konstantinischen Wende
bekam die Kirche die Chance, dies nun auch zu realisieren. Die
Konstantinische Epoche war das Experiment einer christlichen
Weltgestaltung. Diese Epoche ist nun zu Ende gegangen-das christliche
Abendland ging mit dem 1.Weltkrieg unter. Der Atheismus kam in
Rußland an die Macht und in Europa bereitete sich der Laizismus aus:
daß es für die Kirche wie für den Staat das beste wäre, wenn man
getrennte Wege ging. Es drängt sich der Eindruck auf, daß erst
jetzt, nach dem Ende des Großprojektes der Verchristlichung der Welt
die Parole der christlichen Familie ins Zentrum der Kirche rückte:
wenn schon nicht mehr die Welt, dann wenigstens die Ehe christlich
gestalten. Und kleinlaut ist dann als Appendix die Einsicht
anzuhängen, daß die Welt sich so sehr schon säkularisiert habe,
daß hier jeder christlicher Gestaltungswille auf unüberwindbare
Schranken stoße. Die „Eigengesetzlichkeit“ der Welt wurde
entdeckt: es gibt nun mal keine christliche Physik, sondern nur eine,
die wahre Aussagen über physikalische Phänomene tätigt und so auch
keine christliche Betriebsführung, sondern nur eine effektive. Und
was christliche Politik sein solle, das wissen inzwischen selbst die
C-Parteien nicht mehr-nur daß sie vor Wahlen das „christliche
Menschenbild“ und conservative Werte betonen, um am Tage nach der
Wahl dies Wahlkampfgerede dann ad acta zu legen bis zur nächsten
Wahl.
Aber
wir haben ja noch die Institution der Ehe: und wenn die ganze Welt
voll Teufeln wäre: hier nun müsse der letzte Posten des
christlichen Abendlandes verteidigt werden! Wäre die Lage nicht so
ernst, gern würde man mit Asterix und Obelix ausrufen: ist denn die
ganze Welt schon von den Truppen des Säkularismus
besetzt?-nein-tapfere christliche Familien stehen noch im Sturme und
halten die Stellung. Etwas optimistisch gestimmt könnten wir dann
auf die „Familiensynode“ zu Rom verweisen, wo der erste
Sturmangriff reformfreudiger Bischöfe unter Führung von Kardinal
Kasper auf die Ordnung der Familie erstmal abgewehrt wurde. Aber so
oberflächlich wollen wir heute nicht sein.
Es
wäre nicht das erste Mal, daß die Kirche zum Rückzug bläst. Es
sei hier an das Phänomen der Karriere des Subsidaritätsprinzipes in
der Katholischen Kirche erinnert. Ursprünglich erblickte dies
Konzept das Licht der Welt auf einer Reformierten Synode zu Leer in
Ostfriesland. Das war nun kein Ostfriesenwitz sondern ein
antikatholisches Konzept für den inneren Aufbau der Kirche. Das
Anliegen: so weit wie irgrendwie möglich sollte alles vor Ort in der
Gemeinde entschieden werden als dem Ort, wo Kirche sich wirklich
ereigne. Die übergeordnete Institutionskirche sollte dagegen so
klein wie irgendwie möglich gehalten werden und nur mit einem
Minimum an Kompetenz ausgestattet sein. Modern ausgedrückt: die
Reformierten wollten eine basisdemokratische Kirche. Nur wenn etwas
auf der Gemeindeebene nicht entscheidbar sei, dann soll die nächst
höher gelegene Ebene die Entscheidung treffen. Damit wollte sich das
Reformiertentum gegenüber der hierachisch strukturierten
Katholischen Kirche und der zur Amtskirche neigenden Lutherkirche
profilieren. Das Subsidaritätdprinzip, daß alles auf der untersten
Ebene zu entscheiden sei und nur, wenn es gar nicht anders geht,
übergeordnete Ebenen sozusagen „aushelfen“, ist
selbstverständlich ein antikatholisches Prinzip. Wie konnte das dann
aber ein„Gastrecht“ in der Katholischen Kirche bekommen? Der
Leser liegt richtig, wenn er mutmaßt, daß das ähnlich gewesen sein
wird wie mit dem Begriff der Gewissensfreiheit, als der radicalsten
Ausgestaltung des Subsidaritätsprinzipes.
Also,
ein Prinzip, das unvereinbar ist mit dem hierachischen Aufbauprinzip
der Katholischen Kirche fand in ihr begeisterte Anhänger, als der
Staat, als Nationalstaat sich über den christlichen Konfessionen
erhaben verstehend, den Anspruch erhob, das gesellschaftliche Leben
selbst zu regulieren: von der staatlichen Schule über die staatliche
Eheschließung bis...sonstwohin. Jetzt forderte die Kirche im Namen
des Subsidaritätsprinzipes, daß es Freiräume geben solle, die
nicht vom Staate reglementiert werden sollten, sondern von „freien
Trägern“-also die Konfessionsschule neben der staatlichen Schule,
den katholischen Kindergarten neben dem staatlichen usw. Also um die
Ansprüche des Staates zu begrenzen und Freiräume zu schaffen für
die Kirche, Räume nach ihrer Lehre zu gestalten, nahm sie das
antikatholische Prinzip der Subsidarität auf, um es gegen den Staat
auszuspielen. Auf sich selbst darf und kann sie dieses Prinzip aber
nicht applizieren, denn dann müßte die kirchliche Hierachie
aufgelöst werden. Die Überlegung, die dahinter stand, war sehr
einfach: wenn wir schon nicht mehr das Ganze gestalten können, dann
wollen wir wenigstens kleine Freiräume gestalten. Und so wurde auf
den Anspruch, das Ganze zu gestalten, Verzicht geleistet um des
Linsengerichtes, daß nun kleine Freiräume wenigstens kirchlich
gestaltbar bleiben. Die Königsherrschaft Christi limitierte sich so
auf die vom Staate zugebilligten Freiräume gestalterischen Handelns!
Nur trat schnell der Pferdefuß bei dieser Regelung ans Tageslicht:
damit ein katholischer Kindergarten, eine katholische Schule vom
Staat anerkannt werden kann, müssen diese kirchlichen Einrichtungen
gemäß den staatlichen Vorgaben geregelt sein. Wenn etwa die
Generideologie zur verpflichtenden Konzeption für jede staatlich
anerkannt werden wollenden Schule werden sollte,müßte sie auch von
den katholischen Einrichtungen praktiziert werden-sonst würden sie
ihre Anerkennung verlieren.
Das
letzte Refugium des Rückzuges: es ist die Familie: hier soll es
christlich zugehen. Und darum soll die christlich verstandene Familie
weiterhin die Norm der Familie sein. Hier meldet sich dann -ganz
klammheimlich-der Anspruch der Königsherrschaft Christi zurück, daß
alles in seinem Geiste zu gestalten sei. Nun wird aber gerade die
Institution der Familie von der säkularen Gesellschaft angegriffen
als nicht mehr zeitgemäß. Die Institution der Familie wird so zur
Kampfzone im Prozeß der Umformung der Gesellschaft. Und es muß
konstatiert werden, daß hier die Katholische Kirche auf weiter Flur
allein steht. Der evangelische „Partner“ ist mit wehenden Fahnen
übergelaufen in das Lager der Familienfeinde: diese Ordnung habe
sich überlebt. Hier nur einen weiteren Akt des
Zeitgeistsurfprotestantismus zu sehen, greift zu kurz. Denn Luther
selbst legte die Axt an die Institution Ehe, als er sie für ein bloß
weltlich Ding erklärte und damit den Startschuß zur Auflösung
dieser Ordnung selbst gab. Die einst bürgerlichen Parteien, die
C-Parteien und die FDP haben sich längst dem postbürgerlichen Lager
angeschlossen, daß Ehe und Familie so zu gestalten sind, daß sie
den Wirtschaftsinteressen nicht zuwider sind. Das bedeutet die
Auflösung der Ehe und Familie zugunsten des Intereses der
Wirtschaft, daß die Frauen nicht mehr Familienmutter sein dürfen
sondern sich vorangig auch, wie der Mann dem freien Arbeitsmarkt zur
Verfügung zu stellen haben. Daß die Sozialdemokratie, die Linke
und die Grünen familienfeindlich eingestellt sind, bedarf wohl
keiner weiteren Erläuterung.
Aber
erstmal wird dieser Konflikt als ein innerkatholischer zwischen
„Traditionalisten“, „Conservativen“ und „Reformern“
wahrgenommen, wobei man mehrheitlich meint, daß der hl. Vater eher
zu den „Reformern“ neigt und so wohl nur suboptimal mit den
vorläufigen Ergebnissen der Familiensynode zufrieden sein kann.
Kardinal Kasper und sein Kampfgefährte Marx machten ja aus ihrer
Enttäuschung kein Hehl. Aber Kardinal Kasper , der sonst so
hundertprozentig politisch korrekte, hatte mit seinem Tiefschlag
gegen die „Negerbischöfe“ auch zu kräftig ins Fettnäpfchen
getreten! Hätte sich so ein traditionalistischer Pfarrer geäußert,
er wäre stehenden Fusses amtsenthoben worden.
Beachtlich
ist dabei der Bedeutungswandel des Begriffes der Reform: stand Reform
im politischen Raum bis zur Ära des Bundeskanzlers Helmut Schmidt
noch für: Verbessern, für die Vorstellung eines allgemeinen
Fortschrittes, den die Politik durch politische Reformen
voranzutreiben habe, so heißt Reform seit diesem Bundeskanzler: das
Wünschbare auf das Mach- und Finanzierbare zu reduzieren. Der
Reformer verlangt so stets die Anpassung des Gewünschten, Gesollten
oder Erstrebenswerten an das Reale. Der Reformer ist so zu dem
Realpolitiker par excellence geworden, dem der Idealist
gegenübergestellt wird. Der will das Leben nach Ideen gestalten, ist
also ein Dogmatiker, statt daß er das Leben, so wie es ist, bejaht
und die Theorie nach der Realität ausrichtet. In allen politischen
und kulturellen Strömungen erleben wir so den Widerstreit zwischen
„Traditionalisten“ und „Reformern“, nur daß jetzt die einst
als „conservativ“ verurteilten für ein gestalterisches Handeln
stehen, die Welt nach Ideen zu gestalten, während die „Reformer“
jetzt dafür stehen, die traditionellen Ideen gemäß der Realität
umzumodulieren.
Die
Dogmen müssen der Realität angepaßt werden und darum setzte die
Familiensynode nicht mit einer dogmatischen Explikation des Begriffes
des Ehe ein, sondern mit einer empirischen Befragung: wie leben
katholische Christen heute die Ehe und wie denken sie darüber? Denn
die Empirie ist der Maßstab auch für das moraltheologische Denken
und nicht dogmatische Deduktionen. Die Empirie ersetzt so die
Dogmatik und die Morallehre.
Aber
wie steht es so um die Ehe und die Familie? Es ist kein überzogener
Pessimismus, wenn man sagt, daß der allgemeinen Säkularisierung der
Gesellschaft auch die Schleifung dieser letzten christlichen Bastion
folgen wird. Zu schwach ist diese Institution geworden, als daß sie
sich auf Dauer im feindlichen Sturm erhalten könnte. Und die
Rückzugstaktik der Kirche, ein Gebiet nach dem anderen aufzugeben,
fördert ja diesen Auflösungsprozeß! Wenn vom Königreich
Christi nur noch die Parole übrigbleibt, daß die Familie christlich
zu leben sei, dann ist das schon die Kapitulation des Reiches
Christi. Und was bleibt dann noch vom christlichen Gehalt der
Familie? Man braucht kein Christ zu sein, ein bißchen Biologie
reichte aus, um zu wissen, daß nur ein Mann und eine Frau eine Ehe
führen können, weil der Zweck der Ehe nun mal der Nachwuchs ist!
Aber die Propheten der Homosexehe wollen von der Biologie nichts
wissen und verwechslen die Ehe mit einer (Wirtschsafts)Partnerschaft,
einem Zusammenleben zum wechselseitigen Nutzen. Die Unauflöslichkeit
der Ehe wird heuer auch nur noch von der Katholischen Kirche gelehrt
und bildet wohl den letzten Rest an Christlichkeit der Ordnung Ehe.
In Zukunftsromanen kann man als Alternative dazu von zeitlich
befristeten Eheverträgen lesen, die nach dem Ablauf problemlos
beendet sind, wie ein Zeitvertrag, der aber auch in beidseitigem
Einverständnis verlängert werden kann.
Was
macht den Säkularismus aus, sodaß er die Ordnung der Ehe auflöst?
, wollen wir jetzt uns noch fragen. Der Ehevertrag ist kein
aushandelbarer Vertrag, in dem seine Conditionen frei gestaltet
werden können von den Vertragspartnern. Daß er unauflöslich ist,
daß zu ihm die Pflicht zur Treue gehört, der Wille zum eigenen
Kind, daß er nur zwischen einer Frau und einem Mann geschlossen
werden darf, daß nicht jeder jede heiraten darf, eben der Bruder
nicht seine leibliche Schwester, daß er eine Ordnung ist, die man
per Vertrag, so wie sie ist, zu bejahen hat, ist ihr Wesen als
metaphysische Ordnung. Der säkularistische Geist möchte diese
Ordnung zu einer geschichtlich kontingenten umdeuten. Im Laufe der
Geschichte habe sich eben dies Verständnis so entwickelt. Es kann
deshalb auch im Laufe der Zeiten wieder geändert werden. Es sei nun
geradezu das Privileg des postmodernen Menschen, alle möglichen
Eheformen vor Augen, sich die ihm genehme zu erwählen oder auch eine
neue zu kreieren-denn die Tradition habe für ihn als Konsumenten
keine Verbindlichkeit, nur den Reiz des: so oder so könnte ich es
mir gestalten. Wenn der Säkularismus die Auflösung aller
metaphysischen Ordnungen ist zugunsten der Vorstellung der freien
Gestaltbarkeit aller Ordnungen, dann ist es nur konsequent, daß auch
diese letzte Ordnung fällt und der Willkür der freien Gestaltung
überlassen wird. Indem die Kirche Schritt für Schritt das Kampffeld
innergesellschaftlich dem säkularen Zeitgeist überließ, um sich in
der letzten Trutzburg, der Ehe und Familie zurückzuziehen,
schwächte sie auch diese Ordnung. In einer säkularisierten
Gesellschaft kann schwerlich dauerhaft eine metaphysische Ordnung am
Rande der Gesellschaft weiterexistieren. Sie wird einfach von den
Fluten der Umwelt überschwemmt. Die Reformer ziehen daraus die
letzte Konsequenz: sie geben selbst diese Ordnung auf,
scheibschenweise in Übereinstimmung mit der kirchlichen Praxis seit
dem Ende der Konstantinischen Epoche, dem großen Projekt der
Verchristlichung der Welt! Es sieht nicht gut aus für die Ordnung
der Ehe, auch wenn in der „Familiensynode“ ein Durchmarsch der
„Reformer“ erstmal gestoppt scheint. Kann es denn in so
nachmetaphysischen Zeiten noch Argumente für die Ehe geben, die eine
Chance auf allgemeine Akzeptanz haben? Ich mutmaße, ja, wenn streng
biologisch-demographisch argumentiert wird: die Ehe ist die beste
Sozialordnung für den Nachwuchs und ohne genügend Nachwuchs stirbt
die Gesellschaft (aus). Denn es ist unbestreitbar, daß seit dem
Zerfall der Ordnung der Ehe in allen westlichen Ländern die
Geburtenrate so sehr sank, daß das rein biologische Aussterben der
westlichen Kultur eine realistische Perspektive geworden ist und
leider nicht nur ein Albtraum!
Die Kirche sollte für konservative Werte eintreten, ohne zu dogmatisch zu sein.
AntwortenLöschenMan muss nicht dauernd Mitglied in einer religiösen Organisation (z. B. katholische Kirche) sein. Sondern es genügt, von Zeit zu Zeit Mitglied in einer religiösen Organisation zu sein (und die meiste Zeit nicht). Unabhängig von der Mitgliedschaft in einer religiösen Organisation besteht die Möglichkeit, religiöse Kurse (z. B. schamanische Seminare) zu absolvieren. Religiöse Rituale und Zeremonien (z. B. bei einer Heirat) brauchen nicht unbedingt von einem Priester oder Freien Theologen durchgeführt zu werden, sondern man kann sie ggf. selbst durchführen. Es ist sinnvoll, alle Kirchen abzureißen. Gottesdienste dürfen nur bei besonderen Anlässen durchgeführt werden; und dann z. B. in angemieteten Sälen. Es ist sinnvoll, wenn Priester religiöse Kurse an Volkshochschulen anbieten, wo sie u. a. Dinge vermitteln, die sie in ihrem Theologiestudium gelernt haben.
Es gibt keinen jenseitigen Gott, keinen persönlichen Gott und keinen Schöpfer-Gott. Die Natur (und das Leben) ist göttlich. Aber es gibt nicht nur die uns bekannte Natur. Sondern es gibt auch eine uns ewig unbekannte Natur.
Nein, keine Krise der Ehe und schon gar keine Krise der Liebe. Krise der römisch-katholischen Hierarchie, die sich völlig unglaubwürdig gemacht hat.
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